Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Ausbau der A 59 gefährdetHäuser in Sankt Augustin zu früh abgerissen?

5 min
Zum Ausbau der A 59 wurden inzwischen zahlreiche Wohnhäuser in Sankt Augustin-Meindorf abgerissen.

Zum Ausbau der A 59 wurden inzwischen zahlreiche Wohnhäuser in Sankt Augustin-Meindorf abgerissen.

Das Bundesverkehrsministerium hat eine Finanzlücke. Bundestagsabgeordnete: „Streichung der A59  ist nicht in der Koalition abgestimmt.“

Die sechs Häuser in Meindorf standen zu nah an der Autobahn 59, die bei Sankt Augustin auf acht Fahrspuren erweitert werden soll. Die Bewohner dort mussten ausziehen. Ihre Häuser sind inzwischen abgerissen. „Als Nächstes müssen die Kellergeschosse der Objekte zurückgebaut werden. Derzeit finden Arbeiten im Zuge der Entsorgung statt“, so eine Sprecherin der Autobahn GmbH des Bundes zum Stand der Arbeiten. Diese laufen noch wie vorgesehen. Die Sprecherin weist allerdings darauf hin, dass sich das Projekt noch im laufenden Planfeststellungsverfahren befindet und somit noch kein Baurecht vorliegt.

Das Vorhaben steht jetzt aber auf der Kippe: Es ist eins von 74 Ausbauprojekten – allein 40 in NRW – von Autobahnen und Bundesstraßen, die bei der zweitägigen Sonderkonferenz der Verkehrsminister der Bundesländer in dieser Woche infrage gestellt wurden. Als Grund wurde insbesondere die starke Baupreisentwicklung in den vergangenen Jahren genannt. Es gibt beim Aus- und Neubau von Autobahnen einen Mehrbedarf bis 2029 von 5,5 Milliarden Euro, wie das Bundesverkehrsministerium mitteilte.

CDU-Mandatsträger fordern den Ausbau der Autobahn 59, die Grünen sehen das Projekt kritisch

Die Frage der Finanzierbarkeit von Projekten sei abhängig vom Bundeshaushalt 2026. Dieser befinde sich noch im parlamentarischen Verfahren, er soll bis Ende November vom Bundestag verabschiedet werden. Baufreigaben für die insgesamt 74 Projekte, für die bis 2029 „bestandskräftiges Baurecht“ erwartet wird, seien nur möglich, wenn die Haushaltsansätze der kommenden Jahre erhöht werden, so das Ministerium.

Links der alte Lärmschutzwall an der Autobahn 59, vorne im Bild die Reste des Hauses, das dort seinen Platz hatte.

Links der Lärmschutzwall an der Autobahn 59, vorne im Bild die Reste des Hauses an der Straße Im Winkel, das dort seinen Platz hatte.

Für die Region ist das mögliche Aus für den geplanten Autobahnausbau ein schwerer Schlag. Was sagen die Politiker aus dem Rhein-Sieg-Kreis dazu? Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) betont, dass „die Streichung der Projekte nicht in der Koalition abgestimmt worden ist.“ Man müsse dies nun in der CDU-Landesgruppe besprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Das gelte auch für die Autobahn 59. Landtagsabgeordneter Sascha Lienesch (CDU) fordert den Ausbau, Landtagsabgeordneter Martin Metz (Grüne) favorisiert dagegen das Prinzip Erhalt vor Neubau.

Angesichts bröselnder Brücken, löchriger Straßen und der Klimakrise muss der Bund den Grundsatz ‚Erhalt vor Neubau‘ endlich ernst nehmen
Martin Metz, Grüne

„Die Informationen aus Berlin sind ein verkehrspolitischer Offenbarungseid. Angesichts bröselnder Brücken, löchriger Straßen und der Klimakrise muss der Bund im Straßenbau den Grundsatz ‚Erhalt vor Neubau‘ endlich ernst nehmen“, so Metz im Gespräch mit der Redaktion. Deshalb sei es richtig, den Neu- und Ausbau von Autobahnen kritisch zu hinterfragen. Aber offenbar werde dadurch das „große Finanzierungsdefizit bei unserer Verkehrsinfrastruktur insgesamt. Der Bund kriegt es trotz Sondervermögen nicht hin, die finanziellen Grundlagen für dauerhaft funktionsfähige Verkehrswege zu schaffen.“ Berlin sollte sich ehrlich machen und klar darstellen, dass die Priorität klar auf der Sanierung unserer bestehenden Straßen und Ausbau der Schiene liegen muss.

Die Reste der Häuser an der Johann-Quadt-Straße sind schon fast komplett entsorgt.

Die Reste der Häuser an der Johann-Quadt-Straße sind schon fast komplett entsorgt.

Der geplante Ausbau der A 59 sei zudem überdimensioniert und benötige zu viel wertvolle Fläche. Besserer Lärmschutz könnte auch gebaut werden, ohne die Autobahn um 20 Meter zu verbreitern. Staus entstehen dort an Baustellen und an den Autobahndreiecken und nicht auf freier Strecke. „Anstatt die Autobahn massiv zu verbreitern, sollten deshalb die Knoten optimiert sowie Radwege und Bus und Bahn ausgebaut werden. Von daher ist es ein gutes Signal, dass diese Ausbau-Pläne aus finanziellen Gründen nun in Frage stehen“, so Metz.

„Der Ausbau der Autobahn A59 zwischen den Autobahndreiecken Sankt Augustin-West und Bonn-Nord muss kommen“, so Lienesch. Umfangreiche Vorarbeiten hätten bereits stattgefunden. „Bürgerinnen und Bürger mussten ihre Häuser und Wohnungen aufgeben, alles wurde abgerissen. Dass der Bund die Mittel dafür nun streichen und das Ausbauprojekt verschieben will, ist ein Schlag ins Gesicht der Anwohner, die ihren Wohnsitz verlegen mussten“, so Lienesch. „Der Bund hat ein 500 Milliarden schweres Sondervermögen für Infrastruktur für die nächsten Jahre aufgelegt. Davon bleiben 400 Milliarden in der Hand des Bundes. Dass jetzt wichtige Investitionen in wichtige Autobahnprojekte verschoben werden sollen, ist nicht vermittelbar“, betont Lienesch. „Auch wenn es sich nicht um eine Landes- sondern um ein Bundesthema handelt, werde ich mich für die Beibehaltung des bisherigen Zeitplans einsetzen.“

IHK Bonn/Rhein-Sieg fordert, dass die Mittel aus der Sonderverschuldung auch entsprechend genutzt werden

Für die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg ist der „mögliche Investitionsstopp ein fatales Signal für die staugeplagte Region“, so Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Hille. „Der Bund nimmt massiv Schulden für die Infrastruktur auf und entzieht zugleich schon weit gediehenen Infrastrukturprojekten die Finanzierung." Betroffen seien nach IHK-Informationen neben der Engstelle zwischen Sankt Augustin-West und Bonn-Nordost auch wichtige Projekte wie der Ersatzneubau des ‚Tausendfüßlers‘ in Bonn. Es müsse klar sein, „dass Mittel aus der Sonder-Verschuldung, die für die Infrastruktur vorgesehen sind, auch verlässlich und zusätzlich in die Infrastruktur fließen.“

Harald Rudolf, der direkt neben den abgerissenen Häusern wohnt, hat gemischte Gefühle. „Als ich in der Zeitung gelesen habe, dass das Projekt zu Diskussion steht, war mein erster Gedanke, dass die Grundstücke dann bestimmt wieder bebaut werden.“ In diesem Fall hofft er, dass wieder „‚so nette Nachbarn wir früher einziehen.‘“ Es sei schon komisch gewesen, nach dem Auszug lange Zeit auf leer stehende Häuser zu schauen. „Noch ist allerdings nicht entscheiden, ob der Ausbau gekippt wird“, betont er. Man müsse jetzt erst mal warten. Wie das halt mit der Politik so sei.

Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann (SPD) und Sankt Augustins Bürgermeister Dr. Max Leitterstorf (CDU) beantworteten eine Anfrage zu diesem Thema bis zum Redaktionsschluss nicht.