Zum Tode von Christoph Daum erinnert sich sein langjähriger Co-Trainer Roland Koch an die Anfangszeit.
Erinnerungen an Christoph Daum„Erster Auftrag aus der Klinik verschickt“
Am Donnerstag nahm der deutsche Fußball im Rhein-Energie-Stadion Abschied von Trainer-Legende Christoph Daum, der im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden erlag. In Köln-Müngersdorf hatte einst auch der Aufstieg des legendären Duos Daum/Roland Koch begonnen. Sein engster Mitarbeiter erinnert sich in der Rundschau an die Anfänge.
Christoph und ich studierten Ende der 70er-Jahre beide an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Die war in den Jahren zuvor im Müngersdorfer Sportpark inmitten des Kölner Grüngürtels enorm ausgebaut worden und versammelte weitere national und international bedeutende Sportinstitutionen und Sportstätten um sich. Für Studenten, die die Qualifikation eines Diplomsportlehrers anstrebten, war dies ein Eldorado an Möglichkeiten – räumlich, wie auch seitens der Dozentenschaft.
Versammelt war hier das Who's Who des deutschen Sports aus allen denkbaren Sportarten: Wir lernten und übten bei Dozenten wie Helmut Bantz, Kafi Biermann, Gero Bisanz, Karl-Heinz Drygalski, Helmut Duell, Gunnar Gerisch, Rolf Herings, Ulrich Jonath, Kurt Wilke und vielen anderen, die man nennen könnte. Dazu kamen sportmedizinische Koryphäen wie Prof. Wildor Hollmann und Prof. Heinz Liesen.
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In diese Welt tauchten Christoph Daum und ich etwa zur gleichen Zeit ein, absolvierten unsere Vorlesungen und Kurse in unterschiedlichsten Gruppen, zunächst, ohne uns zu begegnen. Für fußballbegeisterte Studenten war es schnell selbstverständlich, in den vorlesungsfreien Zeiten auf einem der kleinen Kunstrasenplätze zu kicken.
Und dann wollte es der Zufall, dass ein uns bis dahin völlig unbekannter Kommilitone im Dress der deutschen Nationalmannschaft auftauchte und mitmachen wollte. Klar ging das, und schnell zeigte sich, dass der Mann mit dem Trikot locker mithalten konnte. Was wir nicht wussten: Christoph spielte neben seinem Studium bei den Amateuren des 1. FC Köln unter den Trainern Gero Bisanz und Erich Rutemöller.
Mit letzterem gewann er 1981 die Deutsche Amateurmeisterschaft. An diese erste Begegnung auf dem Kleinspielfeld erinnere ich mich gut. Christoph spielte mit mir im gleichen Team zusammen mit meinem Kommilitonen und Freund Uwe Hausmanns, den Christoph und ich später auch als Jugendtrainer für unsere C-Jugendmannschaft beim 1. FC Köln gewinnen konnten, der aber leider viel zu früh verstarb.
Es blieb bei diesem einen Spiel, und Christoph tauchte in diesem Umfeld nicht wieder auf. Damit hätte die Geschichte für Christoph und mich enden können, die dann Jahre später in einer jahrzehntelangen engen Zusammenarbeit münden sollte. Wir wurden von der deutschen Sportpresse als das kongeniale Trainerduo im Profifußball bezeichnet.
Einen Eindruck hatte ich übrigens aus unserer ersten Begegnung mitgenommen: Mit Christoph war jemand auf diesem Kleinspielfeld aufgelaufen, der nicht in einem x-beliebigen Sportshirt daher kam, sondern – ohne Profifußballer zu sein – im Trikot der deutschen A-Nationalmannschaft auftrat mit dem Bundesadler auf der Brust – was irgendwie schon wie ein besonderer Ausdruck von Selbstanspruch wirkte.
Neben dem Sportstudium trainierte Christoph zunächst die U17 des 1. FC Köln und wurde aufgrund hervorragender Arbeit 1981 zum hauptamtlichen A-Jugendtrainer befördert. Verbunden damit war der Auftrag des FC, einen geeigneten Nachfolger für die B-Jugend zu finden. Denn einerseits gehörte die U17 schon zum Profi-Unterbau, und andererseits musste der neue B-Jugendtrainer Christoph die Talente für seine A-Jugend liefern.
Christoph überließ nichts dem Zufall. Es lag auf der Hand, bei der Suche nach einem geeigneten Coach sich an der Deutschen Sporthochschule umzuhören. Einige Dozenten nannten ihm meinen Namen. Ich hatte gerade meine Diplomarbeit abgeschlossen. Sie war das Ergebnis von zwei Jahren intensiver sportwissenschaftlicher Begleitung des Trainings von Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf, Manchester United und des FC Liverpool.
Spoho-Dozenten empfehlten Koch als Daums Co-Trainer
Christoph wollte damals unbedingt jemanden in die Jugendarbeit des FC holen, der genauso fußballverrückt war wie er, genauso leidenschaftlich und mit der gleichen Ernsthaftigkeit und fachlichen Kompetenz seine Aufgaben anging und erledigte. Er wollte dafür den Besten. Ich wurde damals gerade von der Kölner Sporthochschule als bester Student des Studienjahres mit der renommierten August-Bier-Plakette ausgezeichnet – eine Anerkennung, die vor mir aus der Fußballwelt nur der Trainer der 1954er-Weltmeistermannschaft, Sepp Herberger, erfahren hatte.
Die Empfehlung der Dozenten ließ sich Christoph dann noch vom damaligen Manager des 1. FC Köln, Hannes Löhr, absegnen. Und so nahm er 1981 Kontakt zu mir auf und lud mich zu einem ersten Gespräch ein – in die orthopädische Klinik von Professor Schneider an der Aachener Straße in Köln. Er hatte sich kurz vorher bei den Amateuren des FC eine Verletzung zugezogen. Von seinem Angebot war ich begeistert und sagte sofort zu. Es war eine einmalige Chance für mich als einem jungen Trainer, der den Fußball im Emsland beim SV Meppen erlernt hatte. Jetzt wurde mir die Gelegenheit geboten, bei einem Vorzeigeclub des deutschen Profifußballs, dem 1. FC Köln, in der Nachwuchsabteilung arbeiten zu können.
Schon vor meiner Vertragsunterschrift gab mir Christoph den ersten Auftrag. Aus der Klinik heraus schickte er mich zu einem Sichtungslehrgang der Kreise des Mittelrhein-Verbandes in die Sportschule nach Duisburg-Wedau. „Wir müssen als 1. FC Köln dort vertreten sein. Aber einen Spieler holen wir nicht mehr. Deine Mannschaft für die kommende Saison habe ich schon vorbereitet, und die Kaderplanung ist abgeschlossen“, teilte er mir mit.
Na schön, dachte ich und fuhr los. Nach einer Woche intensiver Sichtung besuchte ich Christoph wieder im Krankenhaus, um ihm meine Eindrücke zu schildern und um ihm mitzuteilen, dass ich noch unbedingt einen bestimmten Spieler holen wollte. Er lehnte sofort ab und entgegnete, dass wir keinen Spieler mehr holen würden. Ich fragte ihn, ob er in der nächsten Saison die U17 trainieren würde oder ich. Meine Hartnäckigkeit und mein Eintreten für diesen Spieler machten ihn dann doch neugierig, und er wollte jetzt eine genaue Spieleranalyse haben.
Ich sagte ihm, der Spieler sei ein gewisser Ralf Geilenkirchen von Westwacht Aachen, er verfüge über außergewöhnliche fußballerische und physische Qualitäten für jemanden in seinem Alter. Daraufhin gab mir Christoph „grünes Licht“ für den Transfer. Er bestand nicht auf seiner ersten Feststellung, sondern ließ sich von meinen Argumenten überzeugen – ein Muster, das unsere ganze Zusammenarbeit über Jahrzehnte bestimmen sollte. Es war eine der entscheidenden Eigenschaften, die ihn immer als Trainer ausgezeichnet hat, und die es mir, neben anderen Fähigkeiten, ermöglichte, so viele Jahre an seiner Seite zu arbeiten. Der Spieler Ralf Geilenkirchen schlug sofort ein und erhielt schon zwei Jahre später einen Profivertrag des FC – ein Traumergebnis für systematische, spielergerechte Nachwuchsarbeit, die weitere Spieler wie Bodo Illgner, Olaf Janßen und Horst Heldt hervorbrachte.
Wir revolutionierten die Jugendarbeit des 1. FC Köln, arbeiteten gefühlt 26 Stunden am Tag, besuchten jeden Auswahllehrgang der Kreise, des Verbandes oder des DFB. Die meisten Sichtungen fanden in der Sportschule des Westdeutschen Fußballverbandes in Duisburg statt. Bei solchen Anlässen war unser Tag komplett durchgetaktet: Treffen morgens um acht Uhr am Geißbockheim oder bei Christoph zuhause. Filou, sein Cockerspaniel, kam hinten ins Auto, die am Tag vorher von uns entwickelten Beobachtungsbögen wurden eingepackt, und ab ging es nach Duisburg.
Vormittags Sichtungen, in der Mittagspause den Hund rauslassen, unsere Beobachtungen schriftlich festhalten, noch eine Kleinigkeit essen und dann nachmittags erneut Sichtungen. Abends – in der Rushhour von Duisburg – ging es zurück nach Köln, wo wir unsere Erkenntnisse noch einmal sorgfältig niederschrieben und abhefteten. Danach vom Geißbockheim nach Hürth-Efferen zur Pommesbude: „Zweimal Pommes Rot-Weiß, Bratwurst, Salat und eine Cola“. Danach endlich fuhren wir zu unseren Frauen nach Hause. Und am nächsten Morgen hieß es um acht Uhr wieder Abfahrt vom Geißbockheim.
FC-Vorstand lehnte die jungen „Nobodys“ zunächst ab
Als Christoph nach einigen Jahren äußerst erfolgreicher Jugendarbeit beim 1. FC Köln in der Saison 1986/87 zum Cheftrainer der Profimannschaft des FC befördert wurde, wollte er mich als seinen Assistenten. Wir hatten damals eine ganze Reihe von Jugendlichen so gut ausgebildet, dass sie Profiverträge erhielten. Christophs (und mein) Wunsch wurde vom neuen Vorstand des 1. FC Köln aber nicht sofort erfüllt. Die Skepsis war zu groß: Zwei junge „Nobodys“ auf einmal am Start, von denen keiner vorher Profifußballer gewesen war, sollten sich im Haifischbecken Bundesliga behaupten und den Club wieder in bessere Zeiten und zu besseren Tabellenplätzen führen?
So wurde Christophs Anliegen vom Vorstand um Herrn Artzinger-Bolten erst einmal abgeschmettert. Was seinen Kampfeswillen richtig entfachte. Zudem hatte er sofort erkannt, dass er dem Vorstand und dem Management zeigen musste, dass sie keine Marionette als Cheftrainer eingestellt hatten. Jetzt ging es um Macht. Mit geschickter Strategie ließ er es darauf ankommen und hielt gegen alle Widerstände bis zum Tag vor dem Training zur Saisoneröffnung hartnäckig an mir als seinem Assistenten fest. An diesem Tag gaben der Vorstand und der Technische Direktor Udo Lattek ihr Okay für mich als Assistenztrainer von Christoph Daum.
Der Rest ist Fußballtrainer-Geschichte: zweimal Vizemeister mit dem 1. FC Köln, dreimal Vizemeister mit Bayer Leverkusen. Überraschungsmeister mit dem VfB Stuttgart, zugesagte Verträge als Bundestrainer und Assistenztrainer des DFB, mehrere türkische Meister-, Pokal- und Super-Cup-Gewinne mit Besiktas Istanbul und Fenerbahce Istanbul.
Farewell Christoph
Roland Koch
(am 12. September 2024 in Köln)