Interview

FC-Präsident Werner Wolf
„Bei Abstieg wollen wir den Wiederaufstieg bis 2026 schaffen“

Lesezeit 10 Minuten
Seit 2019 im Amt: FC-Präsident Werner Wolf.

Seit 2019 im Amt: FC-Präsident Werner Wolf.

Der 1. FC Köln steht vor dem siebten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte. Präsident Werner Wolf spricht im Interview über Fehler, sein ungebrochenes Vertrauen in die Geschäftsführung und die sich formierende Opposition im Umfeld.

Herr Wolf, Sie haben am Montag in einem Interview auf der Club-Homepage ein klares Bekenntnis für eine weitere Zusammenarbeit mit Ihrer Geschäftsführung abgegeben und zudem einen Rücktritt des Vorstands ausgeschlossen. Obwohl noch nicht feststeht, in welcher Liga der 1. FC Köln nächste Saison spielen wird. Warum zu diesem Zeitpunkt?

Uns war es wichtig, in dieser schwierigen Saisonphase deutliche Botschaften nach innen und nach außen zu platzieren und Personaldebatten einzudämmen. Wir sind im Vorstand der Überzeugung, dass wir mit klaren Aussagen einen größeren Fokus auf die sportliche Entscheidung ermöglichen. Für viele Projekte und für viele Mitarbeitende im Geißbockheim ist diese Botschaft zu diesem Zeitpunkt wichtig.

Es war zu lesen, dass es Stimmen aus dem Mitgliederrat gibt, dass das Gremium bei dieser Entscheidung übergangenen worden sei. Was sagen Sie dazu?

Das wundert mich sehr, weil ich mit dem Vorsitzenden des Mitgliederrats am Vorabend noch länger telefoniert habe. Er weiß, was wir machen. Und am Ende des Tages entscheidet in dieser Sache der Vorstand.

Der Abstieg droht. Viele Menschen im Umfeld des Clubs haben erwartet, dass es personelle Konsequenzen geben würde. Warum hat der Vorstand sich dagegen entscheiden?

Ich habe dieses Szenario beim FC schon zweimal erlebt, kann also aus eigener Erfahrung sprechen. Beide Erlebnisse haben mein Grundverständnis tief geprägt. Es entsteht Chaos, weil der Club für eine gewisse Zeit führungslos wäre. Das wäre für den FC nicht gut. Wir wissen, wo wir hinwollen. Die Zielsetzung bleibt. Der FC muss in solchen Zeiten stabil bleiben.

Was antworten Sie den Menschen, die Sie für Ihre Arbeit kritisieren?

Meine Erfahrung, wenn ich mit diesen Menschen rede, ist eine komplett andere. Nach dem 0:2 gegen Darmstadt war ich beim Fanclub Lich-Steinstraß in Jülich, der 50-jähriges Bestehen gefeiert hat. Da kam ein Fan zu mir und hat gesagt, dass er mich eigentlich bitten wollte, zurückzutreten. Als er meine Rede gehört hat, habe er es sich aber anders überlegt.

Hat er das auch begründet?

Er wusste einfach vieles nicht. Ich habe erklärt, wo wir stehen, warum wir dastehen, was aus unserer Sicht für Fehler gemacht worden sind und wo wir hinwollen. Das Gleiche habe ich in München bei einer Rede erlebt. Als ich anfing, gab es eine ganze Menge Kritik. Am Ende kamen viele Fans zu mir und haben mich gebeten weiterzumachen. Es gibt in bestimmten Medien natürlich Agenda-Setting. Gewählt werden wir allerdings von den Mitgliedern und denen gegenüber sind wir verantwortlich.

Welche Fehler hat die FC-Führung gemacht?

Die zu pauschale Antwort wäre: Wer was macht, macht auch Fehler. Wer eine Strategie erarbeitet und sie auf den Weg bringt, lernt aus den Fehlern auf diesem Weg und korrigiert sie. Sportlich konnten wir Jonas Hector und Ellyes Skhiri nicht adäquat ersetzen. Es war klar, dass wir in den Regalen, wo wir zahlen können, solche Qualitäten nicht finden. Zudem ist die eine oder andere Entscheidung nicht so aufgegangen, wie wir uns das gedacht haben. In der Situation, wo es wirtschaftlich eng ist, trifft einen das doppelt. Bei einem qualitativ hochwertigen Kader fällt eine Fehlentscheidung nicht so auf, bei einem dünnen Kader schon. Und wir hätten Jaka Cuber Potocnik nach den heutigen Erkenntnissen nicht unter diesen Umständen verpflichten dürfen.

Hätte es nicht eine außergerichtliche Einigung mit Olimpija Ljubljana geben können, um die Kuh vom Eis zu holen?

Es gab eine solche Einigung. Sie war aufgeschrieben, per Handschlag und auch schriftlich bestätigt. Ein Foto dieser Einigung ist dann ja auch in die Medien gelangt. Drei Tage später haben die Anwälte von Ljubljana angerufen und sie zurückgenommen. Egal, welche Summe wir zu zahlen bereit gewesen wären, wir wissen inzwischen, dass die Fifa einen Vergleich nicht mitgegangen wäre.

Sie haben auf dem Mitgliederstammtisch im Januar angekündigt, das Thema umfänglich untersuchen zu lassen. Wann und in welcher Form teilen Sie den Mitgliedern das Ergebnis mit?

Das ist noch nicht entschieden. Wir haben den Mitgliederstammtisch am 12. Juni. Das wäre eine Gelegenheit. Bis dahin ist die Untersuchung abgeschlossen.

Sie beurteilen die Arbeit der Geschäftsführung positiv. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Wir haben den Mitgliedern versprochen, wir wollen ein zu 100 Prozent von Investoren freier Club bleiben. Da stellt sich die Frage, wie ein Kader finanziert werden kann, der sich in der Bundesliga etablieren soll. Um mitmischen zu können, braucht der FC jedes Jahr 25 Millionen Euro mehr Kaderbudget. Auf der Basis haben wir im Vorstand Überlegungen angestellt und sind aber erstmal in Corona reingelaufen. Die neue Geschäftsführung hat nach der Pandemie viele Inhalte umgesetzt, musste das Kaderbudget aber zur Existenzsicherung um fast 20 Millionen Euro reduzieren, statt es erhöhen zu können. Heute haben wir eine heruntergebrochene Strategie. Heruntergebrochen heißt, dass jeder Mitarbeiter im Geißbockheim weiß, welchen Anteil er leistet. Die Strategie ist operationalisiert und das wird zwei Mal im Jahr evaluiert, um zu ermitteln, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen. In einigen Bereichen können wir die Erfolge schon sehen. In anderen Bereichen wissen wir, wie wir an höhere Umsätze und Ergebnisse rankommen. Ein Beispiel wird der neue Pachtvertrag für das Stadion. Wir werden kostentechnisch etwa auf dem gleichen Level bleiben und werden neue Verdienstmöglichkeiten hinzubekommen. Die größte Leistung der Geschäftsführung ist aber, dass sie es geschafft hat, den Verein vor der Insolvenz zu bewahren.

Der FC stand vor der Insolvenz?

80 Millionen Euro Verpflichtungen bei einem Umsatz von 160 Millionen Euro ist eine Hausnummer. Das würde man eigentlich nicht machen, es war aufgrund von Corona aber alternativlos, um die Liquidität und damit Insolvenz zu verhindern. Der Turnaround ist gelungen, wir sind wieder handlungsfähig. Diese Geschäftsführung hat geschafft, was in den 35 Jahren zuvor nicht gelungen ist – nämlich strukturell Geld zu verdienen. Das heißt, nicht auf Sondereffekte setzen zu müssen wie Transfereinnahmen, Europapokal-Teilnahme oder andere Sachen. Das war wesentlich, um im Spiel zu bleiben. Wir werden den FC auch bei einem Abstieg 2025 saniert haben. Das finde ich insgesamt eine außergewöhnliche Leistung.

Es war von einem erneuten positiven Jahresergebnis für das laufenden Geschäftsjahr in zweistelliger Millionenhöhe zu lesen. Können Sie das bestätigen?

Ja, wie schon im vergangenen Jahr.

Hätte das nicht mehr finanziellen Handlungsspielraum für Christian Keller geben können, damit er mehr Spieler hätte verpflichten können, als es noch möglich war? Stand die Sanierung des FC über dem sportlichen Erfolg?

Oberste Priorität hatte die Abwendung der Insolvenz. Der entscheidende Teil der sehr schnellen Sanierung ist damit verbunden, dass wir die Kosten im Profi-Bereich reduziert haben. Hinzukommt, dass wir doch eigentlich für drei Transferperioden eine Sperre hatten. Die Fifa hat am 1. Februar 2023 ein Urteil gefällt, das uns erst zwei Monate später zugestellt worden ist. Wir hatten im Frühjahr 2023 vier ablösefreie Spieler, die uns für die Spielzeit 2023/2024 zugesagt hatten, aber durch die Unsicherheit einer möglichen Transfersperre warten mussten. Alle haben sich weiter umgeschaut, weil wir keine feste Zusage geben konnten. Die haben wir verloren. Als die Aussetzung des Urteils kam, war es im Wesentlichen zu spät. Es waren keine ablösefreien Spieler mehr zu haben, die in unser Profil gepasst haben. Für den Winter bestand dann – auch aufgrund der Abgänge verbliebener Top-Verdiener – wieder mehr Spielraum. Drei Transfers waren vorbereitet, dann kam die Sperre und dann ging nichts mehr.

Warum ist Christian Keller immer noch der richtige Geschäftsführer Sport für den 1. FC Köln?

Weil er einen klaren Plan für den FC und für den Kader hat und in der Vergangenheit schon bewiesen hat, dass er gerade unter schwierigen Bedingungen ein Team formen kann, aber das braucht eben Zeit. Er betreibt das Geschäft offen, selbstkritisch und reflektiert und damit unseren Werten entsprechend. Wir haben eine Strategie und ein gemeinsames Wertegerüst. Das ist mit unseren Mitgliedern besprochen und daran haben wir uns bei der Einstellung der Geschäftsführer orientiert. Die drei Geschäftsführer passen zu uns und glauben an die Strategie, die sie gelesen haben, bevor sie eingestellt worden sind. Der FC ist in vielen Bereichen deutlich weiter, als er jemals war.

In welchen bitte? Ihre Strategie „Matchplan“ ist nach wie vor kaum sichtbar.

Der Matchplan wird von außen oft kritisiert. Wir sind deutlich weiter und auch besser unterwegs, als viele das wahrnehmen und werden das auch transparent machen. Natürlich werden wir die Mitglieder da auch mitnehmen. Wir haben zum Beispiel einen integrierten Sportbereich, es gibt in den unterschiedlichen Bereichen keine Elfenbeintürme mehr. Wir haben definiert, wie wir sein wollen, wie wir Fußball spielen wollen und zwar in allen Altersklassen. Und wer eine drohende Insolvenz in einem solchen Tempo abwendet und wieder kreditwürdig ist, muss ein paar Dinge richtig gemacht haben. Ja, wir haben aktuell eine Menge Schwierigkeiten im Profibereich und steigen vielleicht ab. Im Rahmen der Möglichkeiten hat Christian Keller aber einen guten Job gemacht.

Keller verantwortet neben dem Sport noch die Bereiche Medien und Fans. Sind das nicht zu viele Aufgaben? Ist er zu mächtig?

Als Geschäftsführer Sport steht er immer im Mittelpunkt, gibt Interviews, tritt im Fernsehen auf. Das ergibt manchmal einen falschen Eindruck. Ich erlebe ihn als reflektierten, in Diskussionen offenen, auch kritikbereiten Menschen. Und da wir drei hochkarätige Geschäftsführer holen wollten, gibt es auch Diskussionen in der Sache. Von Zeit zu Zeit gibt es unterschiedliche Ansichten und dann knirscht es auch mal. In der Summe sehe ich ein gutes Verständnis und habe ein hohes menschliches Vertrauen in unsere Geschäftsführung.

Markus Rejek ist öffentlich bislang kaum in Erscheinung getreten. Muss seine Arbeit im Bereich Marketing und Vertrieb sichtbarer werden?

Markus ist als letzter der drei neuen Geschäftsführer gekommen, aber von den 25 Millionen Euro Wachstum, die wir jedes Jahr suchen, verantwortet er in seinem Bereich 80 Prozent. Das ist ein schwergewichtiger Job. Im Marketing und Vertrieb ist es wie bei einem guten Stürmer. Er muss abliefern. Sichtbar wird seine Arbeit, wenn es Ergebnisse gibt und über die werden wir schon bald berichten können.

Der Vorstand ist so zufrieden mit der Geschäftsführung, dass er mit ihr tatsächlich auch in die 2. Liga gehen will?

Ich gehe ja nicht raus und sage solche Sachen, wenn wir intern am Wackeln sind und bei jedem überlegen, machen wir weiter oder nicht. Das ist das Ergebnis einer ausführlichen Analyse und einer offenen Diskussion unter den Vorständen.

Peilt der FC im Falle des Abstiegs den direkten Wiederaufstieg an?

Sollte es so kommen, dann werden wir uns das Ziel Wiederaufstieg in den ersten beiden Jahren setzen – trotz der Sperre.

Glaubt der FC-Präsident noch an den Klassenerhalt?

Ja, klar. Es gibt auch keine Alternative zum Optimismus.

Im Umfeld des FC formiert sich eine Opposition mit dem Ex-FC-Spieler Dieter Prestin an der Spitze. Es gibt für den Mitgliederrat und die Mitglieder die Möglichkeit, eine Außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, auf der der aktuelle Vorstand abgewählt werden könnte. Wie gehen Sie damit um?

Wir leben in einer Demokratie. Wir stehen zur Satzung des FC und zu den Möglichkeiten, die in der Satzung verankert sind. Wenn es Mitglieder gibt, die der Meinung sind, es braucht eine außerordentliche Mitgliederversammlung, dann werden wir eine machen. Mich hat in all den Jahren beeindruckt, dass am Ende in diesem Club die Vernunft der Mitglieder entscheidet.

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