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Interview

Viktoria Kölns Kaderplaner
„Wir bekommen Spieler, die uns vor zwei Jahren noch abgesagt hätten“

8 min
03.08.2025, xydrx, Fußball, 3.Liga, Viktoria Köln - FC Schweinfurt 05, Saison 2025 2026, Sportpark Höhenberg: Torjubel nach dem Tor zum 2:0 für Viktoria Köln durch Torschütze Simon Handle Viktoria Köln 7 zusammen mit David Otto Viktoria Köln 10 DFB regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi-video. Nordrhein-Westfahlen Deutschland *** 03 08 2025, xydrx, Fußball, 3 Liga, Viktoria Köln FC Schweinfurt 05, Saison 2025 2026, Sportpark Höhenberg Torjubel nach dem Tor zum 2 0 für Viktoria Köln durch Torschütze Simon Handle Viktoria Köln 7 zusammen mit David Otto Viktoria Köln 10 DFB regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi video Nordrhein Westfahlen Deutschland

Kam im Sommer zur Viktoria und fügte sich gleich stark ein: David Otto (r.)

Valentin Schäfer hat als Chefscout und Kaderplaner großen Anteil am Höhenflug der Viktoria. Im Interview spricht er über das Geheimnis seines Erfolgs.

Herr Schäfer, wie fällt Ihr Fazit als Kaderplaner des FC Viktoria Köln nach den ersten zehn Drittliga-Spieltagen aus?

Wir konnten sehr zufrieden in die Länderspielpause gehen. Die Mannschaft hat eine Stabilität, die zu dem Zeitpunkt der Saison und nach dem Umbruch, den wir hatten, nicht unbedingt so schnell zu erwarten war. Wir sind alle als Optimisten in die Saison gegangen – aber die Erwartungen wurden zu großen Teilen übertroffen. Wir haben 17 Punkte, das sind nochmal zwei mehr als zum gleichen Zeitpunkt in unserer Rekordsaison letztes Jahr.

Ist die defensive Stabilität der Mannschaft der Kern des Erfolgs?

Ja, wir konnten mit Dudu, Christoph Greger, Lars Dietz und Simon Handle eine wichtige Achse zusammenhalten. Wir hatten schon in der letzten Rückrunde den niedrigsten zugelassenen xG-Wert der Liga („Expected Goals“, ein statistischer Wert, der die Wahrscheinlichkeit angibt, dass eine Chance zu einem Tor führt, d. Red.). Von der Struktur konnten wir trotz der zahlreichen Veränderungen auf vielem aufbauen, was uns schon letztes Jahr stark gemacht hat. Dazu haben wir in Bereichen weitere Schritte gemacht: zum Beispiel im Pressing und der Verteidigung von Standards.

Valentin Schäfer, Kaderplaner und Chefscout von Viktoria Köln

Valentin Schäfer, Kaderplaner und Chefscout von Viktoria Köln

Die Viktoria hat 15 Profis neu verpflichtet. Einen beeindruckenden Start hat Tim Kloss hingelegt, der als Defensiv-Allrounder gesetzt ist und schon drei Tore gemacht hat.

Für mich ist es nicht leicht, einen Spieler so klar herauszuheben. Viele der neuen Jungs haben sich schon sehr gut eingefunden, Klossi gehört da definitiv dazu. Er macht es sowohl auf der Sechs als auch in der Innenverteidigung richtig gut. Die drei Tore waren zum jetzigen Zeitpunkt so sicherlich nicht erwartbar. Aber bei der Verpflichtung von Tim war seine offensive Kopfballstärke tatsächlich einer der ausschlaggebenden Gedanken weil uns dieses Element ein bisschen gefehlt hat. Aber grundsätzlich ist die Reife, die er für sein Alter zeigt, schon richtig gut. Auch, dass sich ein junger Neuzugang direkt zu einem wichtigen Eckpfeiler entwickelt hat, ist toll.

In der letzten Saison gab es mit Tyger Lobinger und Semih Güler zwei herausragende Torjäger, die im Zusammenspiel allerdings nicht gut harmoniert haben. Hat sich dieses Problem durch die Verpflichtung von David Otto erledigt?

In der Startaufstellung passt es mit David und Tyger sicher besser. Der Gedanke war, dass wir einen zweiten Stürmer dazu holen, der besser um Tyger herumspielt, im Bedarfsfall die Neuner-Position aber auch allein ausfüllen kann. David macht das super, auch wenn er sich an diese Zehnerräume noch ein bisschen gewöhnen muss. Er ist fleißig im Pressing und ein sehr positiver Mensch, der vieles um sich herum auf verschiedene Arten stabilisiert. Dazu kommt seine Abschlussstärke – er ist ein Riesen-Gewinn für uns.

Worin liegt der größte Unterschied zwischen der Zusammenarbeit mit Olaf Janßen und der mit Marian Wilhelm?

Marian kenne ich einfach länger, schon vor meiner Zeit bei Viktoria. Da ist der Austausch dann nochmal intensiver. Wenn ich bei einem Spiel aus der Regionalliga Nordost sitze und denke: „Wow, was ein geiler Spieler!“ Dann schicke ich Marian auch schonmal eine Whatsapp. Das hätte ich jetzt bei Olaf vielleicht nicht gemacht – auch wenn ich von unserer Zusammenarbeit nur Positives zu berichten habe. Ich musste mir sein Vertrauen erarbeiten, aber das ist ja ganz normal. Am Ende zeichnet es beide aus, dass sie mir, wie Stephan Küsters und Franz Wunderlich auch, viel Vertrauen gegeben haben oder noch geben.

Sie haben – zusammen mit Franz Wunderlich, Stephan Küsters und dem Trainerteam – den Kader für die vergangene Rekordsaison und die laufende Spielzeit gebastelt. Aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann sich die Viktoria keine großen Fehlgriffe beim Personal leisten. Erhöht das den Druck bei der Kaderplanung?

Ich gehe an diese Aufgaben nie mit Druck ran. Mir selbst zu sagen, dass die Aufgabe, die vor mir liegt, schwer wird – da sehe ich keinen Mehrwert drin. Mir macht diese Aufgabe einfach unglaublich viel Spaß. Ich habe es mir über die letzten Jahre erarbeitet, die Aufgabe übernehmen zu dürfen. Deswegen gehe ich da positiv ran. Aber die Aussage, dass wir uns keine großen Fehlgriffe leisten dürfen, ist natürlich zutreffend. Wir müssen uns mit jedem Spieler intensiv beschäftigen und brauchen für jeden einen klaren Plan. Meine Hausaufgabe ist es, die Spieler gut zu kennen, sie häufig gesehen und eine klare Bewertung zu haben und möglichst sicher zu sein, dass sie von der Persönlichkeit zu uns passen und Bock auf unser Projekt haben.


Zur Person: Valentin Schäfer (30), geboren in Berlin, geht in seine fünfte Saison beim FC Viktoria Köln. 2014 kam er zum Sportstudium nach Köln. Parallel war er beim SC West als Jugendtrainer und in der Sportlichen Leitung aktiv. Später war er im Nachwuchsbereich von Fortuna Düsseldorf tätig, ehe er 2021 ins Nachwuchsleistungszentrum der Viktoria wechselte. Seit Juli 2024 ist Schäfer Chefscout und Kaderplaner. In seiner Abteilung hat er vier Mitarbeiter, keinen davon in Festanstellung. (ckr)


Wie bekommen Stephan Küsters oder Sie Spieler davon überzeugt, zur Viktoria zu wechseln?

Mit viel Vorbereitung und einem guten Plan: Die Jungs wollen bei uns den nächsten Schritt machen. Sie träumen ja nicht davon, auf Dauer in der Dritten Liga zu bleiben. Und in den letzten zwei Jahren haben wir schon eine ganz gute Quote von Jungs, die wir ansprechen und dann auch von unserer Idee überzeugen können. Wir zeigen ihnen einen detaillierten Plan auf, was wir mit ihnen vorhaben und wie sie mit ihren Stärken in unser System passen. Dazu haben wir uns in den letzten Jahren auch sehr gute Referenzen beim Thema Spieler-Weiterentwicklung erarbeitet. Da bekommen wir Spieler, die wir vor zwei Jahren mit großer Sicherheit nicht bekommen hätten – die sich aber heute für uns und unsere Idee und gegen finanziell vielleicht etwas bessere Angebote entscheiden.

Wie sieht ein klassischer Prozess vom Scouting bis zur Verpflichtung bei Ihnen aus?

Es ist ein ständiges Puzzle. Zunächst müssen wir uns klarmachen, auf welcher Position im nächsten Transferfenster etwas passieren könnte, wo Verträge auslaufen und wo wir Bedarf haben. Dann muss nach Prioritäten sortiert werden. Wir haben klar definierte Zielmärkte. Unser größtes Augenmerk liegt auf den Regionalligen. Dazu noch die Dritte und Zweite Liga, wo Spieler vielleicht in schlechten Situationen sind, aus Trainer- oder Konkurrenz-Situationen nur auf der Bank oder Tribüne sitzen und etwas Neues brauchen. Und das umliegende Ausland, Niederlande, Belgien, Schweiz und Österreich. Wir haben Gebietslisten, auf denen wir Spieler notiert haben, die für uns relevant sind. Dann gibt es eine übergeordnete Liste mit Positionsprofilen. Am Ende gibt es dann pro Position die auffälligsten Kandidaten, die wir sehr eng beobachten. Insgesamt aus einer großen Menge dann so zwischen 70 und 80 Spieler. Über Gespräche mit Beratern und den Spielern finden wir dann über die Saison hinweg heraus, wer sich den Schritt zu uns vorstellen kann. Aber manchmal gehen Verpflichtungen, wie bei Frank Ronstadt am Deadline Day, auch deutlich schneller. Da muss man dann auf die in der Vergangenheit gesammelten Eindrücke vertrauen.

Live im Stadion, per Video-Studium oder anhand von Daten?

Die Kapazität, 70 Spieler ständig live im Stadion zu beobachten, haben wir nicht. Darum ist das Video-Studium die Grundlage. Es gibt dazu inzwischen von unseren Ziel-Ligen detaillierte Daten, die oft ein gutes Bild von hervorstechenden Spielern geben, die man sonst vielleicht nicht auf dem Schirm hatte. Aber die Spieler live vor Ort zu sehen, ist trotzdem extrem wichtig, weil es ein besonderes Bild vermittelt. Nur im Stadion allein reicht aber nicht: Wenn ich einen Abwehrspieler beobachte, der in einem Spiel seine beiden Eins-gegen-Eins-Szenen verliert, kann er über die Saison hinweg ja trotzdem ein überragender Verteidiger sein.

Bei wie vielen Spielen sind Sie pro Saison live im Stadion?

Schwierige Frage, 200 schätzungsweise, im Schnitt würde ich vier bis fünf pro Woche tippen. Am vergangenen Samstag war ich vor unserem Spiel gegen Havelse zum Beispiel noch beim A-Junioren-Spiel zwischen Bayer 04 und Wolfsburg. So kommt man an manchen Tagen dann auch auf zwei oder drei Spiele. Auf der anderen Seite schaue ich dafür aber deutlich weniger Bundesliga und Champions League über die volle Länge als früher. Das ist nicht mehr so richtig Viktorias Markt und in der Freizeit mache ich dann auch gern mal andere Sachen.

Was erhoffen Sie sich von der laufenden Saison?

Wenn wir es als Mannschaft schaffen, die letzte Saison zu bestätigen und zu zeigen, dass es keine Eintagsfliege war, dann wäre das ein cooles Szenario. Und ich traue das der Mannschaft und dem Trainerteam absolut zu. Wir wollen Jahr für Jahr, die Grenzen, was mit unseren Rahmenbedingungen möglich ist, ein bisschen verschieben und dadurch als Verein wachsen. Man muss sagen: Die letzte Saison war sensationell: Wir hatten nach den U-23-Teams die jüngste Mannschaft, es standen teilweise vier oder fünf Eigengewächse aus unserem kleinen NLZ in der Startaufstellung. Und wir waren mit einem Etat, der im Ranking auf einem Abstiegsplatz liegt, am Ende auf Rang sechs und lange oben mit dabei. Das annähernd zu bestätigen, ist schwer genug.

Ein Highlight Ihrer Scouting-Karriere ist vermutlich Said El Mala, den Sie einst zusammen mit seinem Bruder Malek beim TSV Meerbusch entdeckten und zu einem Probetraining zur Viktoria holten.

Said war allein schon wegen seiner Scorerwerte in Meerbuschs U17 sehr auffällig. Er hat vermutlich nicht so viele Angebote gehabt, weil damals die Lauf- und Defensivarbeit nicht so seine Stärke war. Aber am ersten Tag des Probetrainings war Marian Wilhelm und mir dann schnell klar, dass Said etwas Besonderes hatte in seinen Dribbling- und Abschlussaktionen, dass man anders als Defensivarbeit schwer beibringen kann. Malek hat damals noch als Innenverteidiger in Meerbusch gespielt, bei uns dann aber im Training nur eine von vier oder fünf Defensivszenen verteidigt bekommen. Offensiv ist er dafür aber auf seinen Gegner zugelaufen, hat einen Haken links und rechts gemacht, ist vorbeigegangen und hat den Ball ins lange Eck gejagt. Nach dem ersten Trainingstag haben Marian und ich ihn dann gefragt, ob er wirklich Verteidiger ist – und nicht vielleicht doch Stürmer. So sind Said und Malek dann gemeinsam zu uns gekommen. Marian und sein Trainerteam mit Rio Koch und Dominik Idel haben sie hervorragend entwickelt und die beiden Jungs sind schnell zu Top-Angreifern im U-19-Bereich in der Region geworden. Jetzt freut es mich extrem, dass Said es direkt auch in der Bundesliga packt. Das ist für ihn eine besondere Geschichte, aber natürlich auch für uns als Verein.