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Nachruf und ReaktionenTim Lobinger und seine Stationen in Köln und in der Region

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Tim Lobinger (Deutschland / ASV Köln) reißt die Latte

Der gebürtige Rheinbacher Tim Lobinger zählte ab Ende der 1990er Jahre zu den besten Stabhochspringern in Deutschland.

Der Tod des früheren Stabhochsprung-Stars Tim Lobinger löst große Bestürzung aus.

Es ist der 24. August 1997, ein Sonntag. Tim Lobinger steht auf der Tartanbahn des Müngersdorfer Stadions, das damals eine Betonschüssel ist. Das Publikum klatscht im Rhythmus, als Lobinger anläuft, kleine, schnelle Tippelschritte, den Stab in den Boden sticht und elegant in Richtung Himmel abhebt. Augenblicke später ist er ein Held. Beim Sportfest des ASV Köln überfliegt der seinerzeit 24-jährige Stabhochspringer als erster Deutscher im Freien die magische Marke von sechs Metern. Es ist der Startschuss für eine Erfolgsgeschichte. Ab Ende der 1990er Jahre zählt Lobinger zu den Besten seines Faches.

Am Donnerstag ist Tim Lobinger im Himmel angekommen. Er erlag in seiner Wahlheimat München seiner langjährigen Krebserkrankung. Die Bestürzung in der Sportwelt ist groß. „Tim Lobinger war eine herausragende Sportler-Persönlichkeit. Sein Sechs-Meter-Sprung beim ASV-Sportfest wird uns allen in Erinnerung bleiben. Wir bedauern seinen Tod zutiefst und drücken seiner Familie unser Beileid aus“, sagte ASV-Präsident Dr. Michael Vesper der Rundschau.

Weltenbummler Lobinger gehörte dem Traditionsclub zunächst 1999/2000 und dann wieder ab 2003 an, ehe er nach insgesamt neun Jahren 2007 im Unfrieden Richtung LG Stadtwerke München weiterzog. Zu seinen zahlreichen Karrierestationen zählten unter anderem das LT DSHS Köln (1997 bis 1998) sowie der TSV Bayer 04 Leverkusen (1993 bis 1996).

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Lobingers Heimat ist die LG Meckenheim

Lobingers Heimatverein, die Leichtathleten Gemeinschaft (LG) Meckenheim, trauerte am Tag nach der Schocknachricht in aller Stille ohne öffentliche Äußerung. Die Eltern des gebürtigen Rheinbachers, Martina und Hans-Joachim Lobinger, hatten die LG 1992 aus einer in den 1970er Jahren entstandenen Abteilung des LC Bonn heraus mitgegründet – als ersten Leichtathletikverein in Meckenheim.

Bis dato war die Sportart in dem 26 000-Einwohner-Städtchen am Rande des Kottenforsts weitgehend unbekannt gewesen. Das sollte sich rasch ändern. Tim und seine Schwester Babett Lobinger waren zwei von zehn Athleten aus der Meckenheimer Talentschmiede, die bislang den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft haben.

Bis heute ist die LG Meckenheim ohne die Familie Lobinger unvorstellbar. Babett Lobinger, die als Sportpsychologin an der Deutschen Sporthochschule Köln arbeitet, leitet seit Ende vergangenen Jahres als erste Vorsitzende die Geschicke des Clubs. Sie übernahm den Staffelstab von ihrem Vater, der als Zeichen der Anerkennung für sein jahrzehntelanges Engagement in der Meckenheimer Leichtathletik zum Ehrenvorsitzenden der LG ernannt wurde. Tim, der von 1986 bis 1992 für die LG startete, war bis zu seinem Tod Mitglied des Clubs, dessen 40-jähriges Vereinsjubiläum 2017 von der Leukämie-Diagnose des früheren Stabhochsprung-Stars überschattet worden war.

Tim Lobinger war eine herausragende Sportler-Persönlichkeit. Sein Sechs-Meter-Sprung beim ASV-Sportfest wird uns allen in Erinnerung bleiben.
Dr. Michael Vesper, Präsident ASV Köln

Der Krebs-Tod des 50-Jährigen löste weit über die Grenzen des Rheinlands hinaus große Betroffenheit in der Leichtathletik aus, im ganzen deutschen Sport – auch bei einem der bekanntesten aktuellen Fußball-Nationalspieler. „Es ist nicht einfach in Worte zu fassen, was du für mich warst und bleibst. Ich habe dich mehr bewundert als jeden anderen“, schrieb Joshua Kimmich auf Instagram. Lobinger war Kimmichs Personal Coach, die beiden haben sich 2013 bei RB Leipzig kennengelernt, wo Lobinger als Athletiktrainer tätig war. Später setzten sie ihre Arbeit in München fort.

„Ich habe immer zu dir aufgesehen, weil du in allen Bereichen des Lebens eine Inspiration und ein Vorbild für mich bist. Du warst und bleibst mein Antrieb, mein Motor und meine Motivation“, ergänzte der Profi des FC Bayern München. „Jede einzelne Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit lässt mich nicht nur lächeln, sondern macht mich von ganzem Herzen glücklich. Ich bin dir unendlich dankbar für alles. Deine Werte werden mich immer prägen und begleiten. Du wirst immer da sein.“

Er war alles andere als der glatt geschliffene Athlet. Er war unbequem, genoss aber bei allen sehr, sehr hohen Respekt.
Clemens Prokop, Ex-DLV-Präsident

Tim Lobinger war nicht nur viele Jahre Kapitän der Leichtathletik-Nationalmannschaft bei internationalen Wettkämpfen, sondern auch Athletensprecher beim DLV. „Ich habe den Tim von klein auf erlebt, wir hatten immer ein Verständnis füreinander“, sagte sein langjähriger Kollege Dieter Baumann, 5000-Meter-Olympiasieger von 1992. „Es ist ein großer Verlust, er war ein großartiger Kollege und super Typ, immer positiv.“

Der zuletzt in München lebende Lobinger hatte jahrelang gegen Leukämie gekämpft, doch weder Chemotherapien noch eine Stammzelltransplantation halfen. Im vergangenen Herbst sagte er der „Bild“-Zeitung: „Heilung wird es bei mir nicht mehr geben. Mein Krebs ist zu aggressiv.“ In der am späten Donnerstagabend verbreiteten Stellungnahme der Familie heißt es: „Die ehemalige Stabhochsprung-Legende ist im engen Kreise friedlich eingeschlafen, er hat den Kampf nicht verloren, sondern auf seine Weise gewonnen.“

Ich habe immer zu dir aufgesehen, weil du in allen Bereichen des Lebens eine Inspiration und ein Vorbild für mich bist.
Joshua Kimmich, Fußball-Profi Bayern München

Tim Lobinger hinterlässt drei Kinder; sein älterer Sohn Lex-Tyger ist Fußball-Profi beim Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern und wurde für die Partie am Freitagabend beim SC Paderborn erwartungsgemäß freigestellt. Ende vergangenen Jahres hatte seine Tochter Fee ein Mädchen zur Welt gebracht. „Jung Opa zu werden, habe ich mir immer gewünscht“, sagte Tim Lobinger erst kürzlich dem Magazin „Bunte“.

„Jetzt hast Du keine Schmerzen mehr“, schrieb die Langstreckenläuferin Sabrina Mockenhaupt. Der langjährige deutsche Leichtathletik-Verbandspräsident Clemens Prokop würdigte Lobinger als „Sonnyboy des Sports“. Lobinger habe „eine große Empathie für die Interessen anderer gezeigt. Aber wir hatten selbst bei schwierigen Verhandlungen unseren Spaß“, sagte Prokop über den Stabhochspringer, der zu seiner aktiven Zeit 1,93 Meter groß und 85 Kilogramm schwer war, ein Kraftpaket. „Er war unbequem, genoss aber bei allen sehr, sehr hohen Respekt.“

Seinem Triumph 1997 in Köln setzte Tim Lobinger ein Jahr später mit dem Sieg bei den Hallen-Europameisterschaften in Valencia noch einen oben drauf. 2003 wurde er in Birmingham Hallen-Weltmeister. Im Freien gewann er bei den Europameisterschaften 2002 in München Bronze und bei den Europameisterschaften 2006 in Göteborg Silber. Zudem war er 15-maliger Deutscher Meister (neun Mal im Freien, sechs Mal in der Halle). Eine Medaille bei Olympia blieb ihm bei seinen vier Teilnahmen dagegen verwehrt. „Er war alles andere als der glatt geschliffene Athlet“, sagte Prokop über den meinungsstarken Sportler, der auch die Show in seinem spektakulären Sport beherrschte.

Lobinger legte sich mit jedem an – wenn es sein musste. Beim Weltcup-Finale 2003 in Monaco stritt er mit dem Kampfgericht und zeigte später nach seinem Sieg gar seinen nackten Hintern. Dafür gab's natürlich eine Geldstrafe vom Weltverband IAAF. „R.I.P. Tim, du bist dir immer treu geblieben. Ich hätte mir gewünscht, du hättest dem scheiß Krebs den nackten Hintern gezeigt. Mach es gut alter Freund“, schrieb nun der frühere Sprinter Marc Blume. (mit dpa)

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