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20 Jahre FC-UrgesteinStadionsprecher Michael Trippel im Interview

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Zuletzt moderierte Trippel noch die Saisoneröffnung des Kölner Traditionvereins.

  1. Vor 20 Jahren, am 14. August 1999, war Michael Trippel erstmals als Stadionsprecher des 1. FC Köln im Dienst.
  2. Der 65-Jährige sprach mit Joachim Schmidt über die Anfänge und was ihn damals sowie heute antreibt.
  3. Und sein großer Traum? Natürlich der Kölner Champions-League-Sieg in Amsterdam.

Herr Trippel, Stadionsprecher ist noch kein Lehrberuf. Wie sind Sie das geworden?

Es hört sich verrückt an, aber ich wollte es schon in sehr jungen Jahren werden. Von 1994 bis 1999 durfte ich dann Assistent von Hans-Gerd König sein. Ich machte damals die Musik im alten Müngersdorfer Stadion. Dabei war es egal, ob man ACDC oder Heino spielte, es war wegen der schlechten Lautsprecheranlage immer gleich schrecklich. Hans-Gerd König wollte auch nicht die kölsche Musik. Das einzige, was er persönlich ganz gern mochte und deshalb zuließ, war „In unserm Veedel“.

Das hat sich dann unter Ihrer Regie grundlegend geändert.

Ja, ich konnte mich dann verwirklichen. Schon als jugendlicher Fan hatte ich die Vorstellung, aus dem Stadion-Event mit Hilfe kölscher Musik viel mehr machen zu können. Mit dieser Musik kann man das Herz der Kölner ansprechen. Zum Glück hat mir niemand reingeredet, als ich das schon bei meinem Debüt machte. Wenn der FC dafür eine Agentur beauftragt hätte, wäre ein sechsstelliger Betrag fällig gewesen. Von mir gab es das umsonst.

Die Hymne wurde damals aber noch nicht gespielt.

Das ist richtig. Das haben wir ein Jahr später ins Programm genommen. Mit Tobias Franzgrote, der von Beginn an DJ an meiner Seite ist, habe ich verschiedene Dinge ausprobiert. So hatten wir zunächst den Countdown von fünf auf eins, bevor von den Black Fööss „Jetzt geht’s los, wir sind nicht mehr aufzuhalten“ kam.

Mit Einführung der Hymne gab es sofort auch Ihre weithin bekannte Ansage.

Das stimmt. Bevor „Mer stonn zu Dir, FC Kölle“ von den Höhnern erstmals bei uns gespielt wurde, sagte ich zum Publikum: „Meine Damen und Herren, erheben Sie sich bitte von Ihren Plätzen für unsere Nationalhymne.“ Danach wurde mir gesagt, ich solle das National weglassen, damit es keinen Ärger gibt. So ist es bis heute geblieben.

Bis auf eine kleine Ausnahme.

Ja, unser zurückgetretener Präsident Werner Spinner wollte, dass ich nicht mehr sagte: Herzlich willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands. Dann habe ich drei Mal gesagt: Herzlich willkommen in der für uns schönsten Stadt Deutschlands. Dann habe ich es wieder weggelassen.

Manche, vor allem Gäste-Fans, nehmen Anstoß an diesem Satz.

Ich spreche ja nicht für die gegnerischen Fans, sondern für unsere. Ich will damit keinen Gast vor den Kopf stoßen. Er soll vielmehr die besondere Verbundenheit des Kölners zu seiner Stadt, zu den Liedern über diese Stadt und den Stolz ausdrücken, auch wenn sie nicht immer und überall schön ist. Mit diesem Satz wollte ich das untermauern. Außerdem soll der Heimspielcharakter dadurch unterstrichen werden, ohne dem Gegner den notwendigen Respekt zu schulden. Ich weiß noch genau, wie ich es damals gegen Rot-Weiß Oberhausen sagte. Danach herrschte einige Sekunden lange Ruhe, und dann kam der Applaus.

Wenn man Ihre Stadion-Moderation erlebt, ist das nicht so marktschreierisch wie in anderen Stadien. Sind Sie Traditionalist?

In der Form schon, dass ich respektiere, was vor meiner Zeit gemacht wurde. Den Leuten soll es gefallen. Ich mache es ja nicht um meinetwegen, sondern für die Zuschauer. Sie sollen Spaß daran haben und zufrieden sein. Ich glaube auch, dass das Kölner Publikum keinen Vorturner am Mikrophon haben möchte. Ich finde es auch wichtig, dass ein Stadionsprecher vom Verein kommt, der also auch die Sensibilität besitzt zu wissen, was angesagt ist.

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Gibt es Kontakte unter den Stadionsprecher-Kollegen?

Einige wenige unter uns langjährigen Sprechern. Es gibt aber kaum Treffen aller Kollegen. Ich habe in den 20 Jahren glaube ich drei davon erlebt, zu denen der DFB wegen Weiterbildung oder Sicherheitsfragen eingeladen hatte.

Wie lange wollen Sie den Job noch machen?

Das weiß ich nicht. Es hängt ja nicht nur von mir ab. Da sind zum Beispiel die Zuschauer. Wie lange ertragen die mich noch, wie lange wollen die mich noch? Mein Traum wäre es, es noch bis 2024 machen zu dürfen. Dann haben wir die Europameisterschaft mit Spielen in Köln. Nachdem ich bei der WM 2006 als Stadionsprecher fungieren durfte. Wäre es schön, wenn ich es auch bei der EM wäre und danach aufhören würde.

Dann hätten Sie auch das 25-jährige Jubiläum.

Stimmt, das würde doch passen (lacht).

Im März nächsten Jahres gehen Sie beruflich in Rente. Dann hätten Sie mehr Zeit für den FC.

Es gibt Überlegungen, neben meiner Tätigkeit als Stadionsprecher noch etwas mit und für den Verein zu machen.

Warum machen Sie das für die vergleichsweise niedrige Entlohnung von 450 Euro?

Hauptberuflich bin ich seit 38 Jahren in der Pharma-Industrie tätig. Wenn ich mehr Geld bekommen würde, müsste ich das versteuern. Um dann auf 450 Euro netto zu kommen, müsste mir der FC 900 Euro zahlen. Da hätten wir beide nichts davon. Deshalb diese Regelung. Wobei ich auch Sprecher bei der U21 und den Bundesliga-Frauen bin und bei der U19 und U17 aushelfe, wenn es nötig ist. Und letztlich macht es mir Spaß.

Was waren die schwersten Momente als Sprecher?

Sicherlich die Abstiege. Und schwer war die Situation nach dem Selbstmordversuch von Schiedsrichter Babak Rafati, als unser Heimspiel gegen Mainz abgesagt werden musste.

Was waren die schönsten Momente?

Natürlich die Aufstiege. Der Höhepunkt aber war das letzte Spiel der Saison 2016/2017 gegen Mainz, als nach unserem 2:0 kurz vor Schluss die Europapokalteilnahme perfekt war und ich sagte: Meine Damen und Herren, soeben klingelt in Kopenhagen das Telefon. Das war in Anspielung auf unseren Fan-Gesang „Erste Runde Bukarest, zweite Runde Rom, in Kopenhagen schellt das Telefon“.

Welchen Traum hegen Sie noch bezüglich des FC?

Dass wir im Champions-League-Endspiel in Amsterdam kurz vor Schluss mit 3:0 führen und die 30.000 Kölner, die sich Karten organisiert haben, singen: Wir sind nur ein Karnevalsverein. (lacht herzhaft)