Serie „Spurensuche“„Sinnbild des Gestrigen“ – Heinrich Heine und sein zwiespältiges Verhältnis zu Köln

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Heinrich Heine, Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1831

Heinrich Heine auf einem Gemälde von Daniel Oppenheim 1831

In Düsseldorf geboren, konnte der Dichter Heinrich Heine mit der rheinischen Mundart so gar nichts anfangen. Auch Köln kommt bei ihm nicht gut weg. Anselm Weyer begibt sich erneut auf Spurensuche.

Heinrich Heine konnte dem Dialekt seiner Geburtsstadt Düsseldorf wenig abgewinnen. „In der Sprache der Düsseldorfer merkt man schon einen Übergang in das Froschgequäke der holländischen Sümpfe“, schimpfte der Dichter in seinen Memoiren. Düsseldorfer Platt hörte sich für Heine aber immer noch besser an als Kölsch. „Jenes fatale Kauderwelsch des Niederrheins“ sei nämlich „zu Düsseldorf noch einigermaßen erträglich“, findet der Schriftsteller. Es werde aber „in dem nachbarschaftlichen Köln wahrhaft ekelhaft“. Sein hartes Urteil: „Köln ist das Toskana einer klassisch schlechten Aussprache des Deutschen, und Kobes klüngelt mit Marizzebill in einer Mundart, die wie faule Eier klingt, fast riecht.“

Ansonsten ist Heines Verhältnis zur Domstadt gespalten. Für ihn war Köln als „Stadt, die viele hundert Kapellen und Kirchen hat“, einerseits Sinnbild des Gestrigen und somit Zielscheibe seines Spotts. Andererseits aber war die Stadt Projektionsfläche für romantische Nostalgie.

Köln als Sinnbild des Gestrigen

Heinrich Heine war in religiösen Fragen ein Wanderer zwischen den Welten. Am 13. Dezember 1797 als Harry Heine in eine jüdische Familie hineingeboren, ließ sich der studierte Jurist 1825 protestantisch taufen, um bessere Karrierechancen zu haben. In seinem Werk wiederum gefiel er sich in katholischer Mystik.

In Köln nun steht Stephan Lochners von Heine mehrfach erwähntes Altarbild, „worauf die schöne Gottesmutter und die Heiligen Drei Könige so erquicklich abkonterfeit sind“ und in das sich Heine regelrecht verliebt haben will: „Im Dom, da steht ein Bildnis/ Auf goldenem Leder gemalt;/ In meines Lebens Wildnis/ Hat's freundlich hineingestrahlt./ Es schweben Blumen und Englein/ Um Unsre liebe Frau;/ Die Augen, die Lippen, die Wänglein,/ Die gleichen der Liebsten genau.“

Kein Wunder, dass sich Heine für den Dombau interessierte. Am 13. April 1841 war der Kölner Zentral-Dombau-Verein gegründet worden, um die mittelalterliche Kathedrale nach einem seit etwa 1540 andauernden Baustopp nun endlich doch zu vollenden. Warum gerade jetzt? Die Gotik wurde damals als deutsche Baukunst schlechthin interpretiert. Die Fertigstellung des gotischen Torsos in Köln wurde als politisches Symbol dafür gedeutet, dass nun auch bald die unfertige, in 39 verschiedene Machtgebiete zerstückelte Deutsche Nation zu einem einigen Vaterland geeinigt würde.

Der Kölner Dom als politisches Symbol

So jedenfalls brachte der im Pariser Exil lebende deutsche Demokrat Jakob Venedey dem ebenfalls dort residierenden Heinrich Heine das Dombauprojekt näher. Heine schritt zur Tat. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des am 8. Mai 1842 in der deutsch-französischen Buchhandlung Brockhaus & Avenarius in der Rue de Richelieu Nr. 60 ins Leben gerufenen „Hülfs-Vereins der Deutschen in Paris", der sich das Ziel gesetzt hatte, den Kölner Zentral-Dombau-Verein bei der Vollendung der Kathedrale zu unterstützen. Heine wurde sogar zum Vizepräsidenten gewählt und demonstrierte mit der verhältnismäßig hohen Spende von zwanzig Franc auch finanziell guten Willen. Zur Grundsteinlegung des Domfortbaus im Jahr 1842 wurde der in Deutschland verbotene Dichter trotzdem nicht eingeladen.

Das anfängliche Wohlwollen Heines für den Dombau wich schnell Ernüchterung. Nationalchauvinisten kaperten den ursprünglich demokratisch geprägten Wunsch nach einer deutschen Nation – allen voran das preußische Königshaus. „Der Dom zu Köllen wird vollendet,/ Den Hohenzollern verdanken wir das“, spottet Heine schon bald. Mit deren Vorstellung eines restriktiven Deutschlands unter preußischer Führung konnte Heine nichts anfangen. So flehte er die „armen Schelme des Domvereins“ inbrünstig an, das Bauwerk doch bitte nicht weiterzubauen. Erst die Nichtvollendung mache es zu einem Symbol Deutschlands.

Eine Stadt von gestern blieb Köln für Heine auch, als er bei seiner Deutschlandreise 1843 gleich zwei Abstecher hierhin unternahm – erst auf der Hinfahrt nach Hamburg Ende Oktober, dann auf der Rückreise am 12. Dezember, als er Karl Theodor Andree in den Räumen der Kölnischen Zeitung, Schildergasse 60, besuchte. „Die steinernen Häuser schauten mich an,/ Als wollten sie mir berichten/ Legenden aus altverschollener Zeit,/ Der heil'gen Stadt Köllen Geschichten“, schreibt er in Deutschland – Ein Wintermärchen.

Köln als Stätte der religiösen Intoleranz

Von Marienverehrung und der Verheißung eines auf Liebe basierenden, überzeitlichen Christentums ist hier jedoch nichts mehr übrig. Stattdessen schildert Heine Köln als Stätte der religiösen Intoleranz, wo die „Klerisei ihr frommes Wesen getrieben“ hat: „Der Cancan des Mittelalters ward hier/ Getanzt von Nonnen und Mönchen;/ Hier schrieb Hochstraaten, der Menzel von Köln,/ Die gift'gen Denunziatiönchen.“

Jakob van Hochstraaten (richtig Hoogstraten) war ein Kölner Geistlicher zu Beginn des 16. Jahrhunderts, der einen ungemein negativen Eindruck auf Heine gemacht hat. Ausgangspunkt ist, dass Martin Luther für seine Bibelübersetzung zu den originalen Quellen zurück wollte. Dafür musste er Griechisch und Hebräisch können. „Aber die Kenntnis des Hebräischen war in der christlichen Welt erloschen“, erläutert Heine. „Nur die Juden, die sich, hie und da, in einem Winkel dieser Welt verborgen hielten, bewahrten noch die Traditionen dieser Sprache.“ Zumindest die humanistischen Christen mussten also, um ihr eigenes heiliges Buch zu verstehen, einen Austausch mit den verfemten Juden suchen. Das sei aber, schreibt Heine, insbesondere der katholischen Kirche nicht genehm gewesen, weil sie fürchtete, „dass das Volk auf diesem Seitenweg zum wirklichen Wort Gottes gelangen und die römischen Fälschungen entdecken konnte, da hätte man gern auch die jüdische Tradition unterdrückt, und man ging damit um, alle hebräischen Bücher zu vernichten, und am Rhein begann die Bücherverfolgung“.

Als Heine nun Jahrhunderte nach diesen Vorkommnissen durch Köln mit seinem mittelalterlichen Stadtbild geht, kann er nicht anders, als an das antisemitische Wirken Jakob van Hoogstraeten zu denken und eine Brücke bis in die Gegenwart zu schlagen: „Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier/ Bücher und Menschen verschlungen;/ Die Glocken wurden geläutet dabei/ Und Kyrie eleison gesungen.// Dummheit und Bosheit buhlten hier/ Gleich Hunden auf freier Gasse;/ Die Enkelbrut erkennt man noch heut/ An ihrem Glaubenshasse.“