Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

11. September 200115 Jahre nach dem Anschlag: New York floriert wie nie zuvor

Lesezeit 4 Minuten
New York Ground Zero

Der „Oculus“: Das imposante Gebäude erinnert an das Stahlgerippe, das von den Unglückstürmen 2001 stehenblieb.

New York – Jeff Teedy ist schon lange kein Fan mehr von Rudy Giuliani. Seit der Ex-Bürgermeister von New York dem republikanischen Präsidentschafts- kandidaten Donald Trump wie kein anderer willfährig den Steigbügel hält, "hat Rudy allen Kredit verspielt", sagte der 56-jährige Informatiker auf einer Parkbank an "Ground Zero" in Manhattan. "Nur in einem Punkt muss man Giuliani Respekt zollen", findet er und lässt den Blick über das von Selfies schießenden Touristen gefüllte Areal schweifen, das vor 15 Jahren Schauplatz einer der größten Katastrophen der US-Geschichte war. "Er hatte nach dem 11. September recht, als er sagte: New York wird stärker und mächtiger sein als zuvor."

Der Terroranschlag am 11. September 2001.

Der Anschlag auf die World Trade Center.

15 Jahre nach "9/11", dem Tag, als zwei von Al-Kaida-Terroristen gekaperte Flugzeuge in die "Twin Towers" des World Trade Centers einschlugen und fast 2800 Menschen den Tod brachten, ist man als regelmäßiger Besucher geneigt, Jeff Teedy zu folgen. Die Südspitze Manhattans, über Jahre Ort der Verzweiflung, feiert Wiederauferstehung. Der Boom in Zahlen: Vor den Anschlägen hatte die Gegend sechs Hotels - heute sind es fast 30. Vor der Katastrophe lebten in abends wie ausgestorben wirkenden Straßenschluchten 20 000 New Yorker - heute sind es dreimal so viele.

Viertel floriert seit dem Anschlag

Vor „9/11" war das Viertel nur Tummelplatz von Finanzakrobaten, die nach 17 Uhr schleunigst Zerstreuung in hippen Vierteln Sohos suchten - heute verzeichnet die Gegend um Ground Zero nach Zählung der Interessengemeinschaft "Downtown New York" im Jahr 14 Millionen Besucher, 60 Millionen kommen nach New York. Und geben viel Geld aus. Bei Eintrittspreisen von 24 Dollar für das 9/11-Museum, das seit der Eröffnung 2014 fast sieben Millionen Gäste zählt, und 34 Dollar für eine Fahrt auf die Panorama-Plattform des "One World Observatory" kommen gewaltige Einnahmen zusammen. "Niemand hat gedacht, dass wir so robust wieder zurückkommen werden", sagt die Lobbyistin Jessica Lappin.

Alles zum Thema Donald Trump

Eckpfeiler des demonstrativen Selbstbewusstseins ist das vor zwei Jahren eröffnete, 541 Meter hohe "One World Trade Center". Das Observatorium auf dem Dach, dessen Besuch allein schon lohnt, hat seit der Eröffnung im Mai 2015 bereits drei Millionen Besucher angelockt. Ihnen bietet sich eine 360-Grad-Panorama-Perspektive mit bis zu 100 Kilometer Sichtweite. Die Freiheitsstatue, das Empire State Building und der UN-Sitz wirken aus fast 400 Meter Höhe betrachtet wie Figuren aus dem Lego-Baukasten. Ebenso die beiden riesigen Bassins, die an die Grundrisse der ursprünglichen WTC-Türme erinnern und mit den in Stein gemeißelten Namen der Opfer unter fließendem Wasser das Herz der oberirdischen Gedenkstätte bilden.

50 Meter hohen Kuppel erinnert an Stahlgerippe

Wie weit die Verantwortlichen heute Sicherheitsvorkehrungen am "Ground Zero" treiben, zeigt sich nicht nur durch Heerscharen schwer bewaffneter Spezialeinheiten der Polizei. Wer als Besucher ins "One World Trade Center" möchte, muss sich Tage vorher registrieren und durchleuchten lassen. Erst dann gibt es einen Passierschein mit Foto und exaktem Zeitkorridor. Wer ihn überzieht, kriegt bei der Rückkehr in die imposante Eingangshalle, in der weißer Marmor und abstrakte Expressionisten dominieren, eine Standpauke, die man nicht so schnell vergisst.

Solch ein Sicherheitsstandard gilt auch für eine Visite in der neuen Hauptattraktion, dem "Oculus" (lat. Auge), den Stararchitekt Santiago Calatrava wie einen aus der Asche neu entstandenen Phönix für zwei Milliarden Dollar bauen ließ. Das imposante Gebäude mit der 50 Meter hohen Kuppel erinnert an das Stahlgerippe, das von den Unglückstürmen 2001 stehenblieb. Überirdisch ist das Objekt ein Hingucker, der einem Augenlid ähnlich an jedem 11. September die gläsernen Schwingen öffnet und Licht ins Innere lässt. Unter der Erde bietet es die Funktion eines zentralen Transitbahnhofs, in dem ein Dutzend U-Bahnlinien zusammentreffen. Inklusive eines hochmodernen Einkaufszentrums ("Westfield"), zu dem die Kunden durch helle, mit Carrara-Marmor ausstaffierte Wandelgänge gelangen.

„New York ist stärker als jeder Terror“

Jeff Teedy hat bereits vor Wochen einen Blick in die kathedralenähnliche Haupthalle werfen können, wo 150 Edelmarken ihre Shops haben werden. "Jedem Besucher werden hier die Augen übergehen. New York ist stärker als jeder Terror."