Ford-Chef im Rundschau-Interview„Wir haben einen klaren Plan“

Lesezeit 7 Minuten
21.03.2022
Köln, NRW
Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH

Anpacken: Martin Sander will Ford in Europa zu einem führenden Anbieter im E-Segment machen.

Mitte Juni letzten Jahres wurde Martin Sander zum General Manager des Geschäftsbereiches „Model e“ berufen. Im Gespräch mit der Rundschau spricht er über die Herausforderungen im Automotive-Bereich.

Sie sind seit zehn Monaten bei Ford. Wie fällt ein erster Rückblick aus?

Es war spannend in ein neues Unternehmen zu kommen und eine neue Unternehmenskultur kennen zu lernen. Das Team hier ist sehr dynamisch und super-motiviert, Ford ist ein Familienunternehmen, mit sehr ehrgeizigen Plänen, das sich weltweit neu erfindet hin zu Elektromobilität und autonomen Fahren.

Was beansprucht Sie mehr: Die Arbeit an der Spitze von Ford Model e in Europa oder die bei den Ford-Werken?

Es ist gut, dass wir hier nicht mehr trennen. Die Ford-Werke sind ein deutscher Hersteller, der Fahrzeuge für Deutschland und Europa entwickelt, baut und vertreibt. Dazu brauchen wir eine Strategie, die in die Gesamtstrategie des Unternehmens passt. Ohne eine Vernetzung mit Ford in Europa, vor allem aber mit Ford in Nordamerika, können die Ford-Werke nicht erfolgreich sein.

Zu Beginn Ihrer Tätigkeit mussten Sie die Vergabe eines weiteren E-Autos nach Valencia statt nach Saarlouis erklären.

Es war ein schwieriger Schritt, aber ein notwendiger. Die Autobranche verändert sich drastisch. Die Komplexität in der Entwicklung und der Fertigung eines Elektroautos ist weitaus geringer als die eines Fahrzeugs mit einem Verbrennungsmotor. Diese reduzierte Komplexität müssen wir in unsere Geschäftsstruktur und unsere Organisation überführen.

Ford war immer im Segment der kleineren und der mittelgroßen Fahrzeuge stark. Überlassen Sie dieses Feld anderen wie Stellantis oder Herstellern aus China?


Zur Person

Martin Sander (54) verantwortet die Entwicklung von Elektrofahrzeugen sowie von Software und Dienstleistungen für vernetzte Fahrzeuge für Ford in Europa. Zuletzt war er als Senior Vice President of Sales für Europa bei der Audi AG tätig. Sander hat Maschinenbau studiert und sein Studium an der TU Braunschweig als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. (two)


Wir werden auch künftig in den Segmenten, in denen es für uns Sinn macht, stark sein. Ein Beispiel ist der kürzlich vorgestellte Explorer, ein Kompakt-SUV. Er ist damit von der Positioniereng im Herzen eines der größten Fahrzeugsegmente in Europa. Ein Fahrzeug also für eine breite Klientel. Im Einstieg haben wir heute den Puma. Auch den werden wir elektrifizieren. Wir werden also auch hier ein Einstiegsangebot haben.

Sie haben einmal eine Preisspanne von 30.000 bis 80.000 Euro genannt, in der Ford in Europa Fahrzeuge anbieten will. Generell wollen Sie Ford als Marke höher positionieren. Sind 30.000 Euro noch Preiseinstiegssegment?

Es gibt natürlich deutlich günstigere Autos. Wir müssen aber für uns definieren, wo wir spielen können und in welchen Segmenten wir profitabel sein können. Beim Einstieg in die Elektromobilität mit hohen Kosten sind wir der Meinung, dass wir in dem Bereich vom Puma bis in die höheren Segmente gut aufgestellt sind. Wie sich das in fünf bis acht Jahren weiter entwickelt, müssen wir sehen.

In Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern rund um den anstehenden Stellenabbau haben Sie vereinbart, dass es eine Machbarkeitsstudie geben soll für ein kleineres Auto. Ist das eine Zukunftsidee?

Wir haben einen klaren Plan für den Einstieg in die Elektromobilität: Puma, Explorer und ein weiteres Modell, das wir in Köln bauen und im nächsten Jahr vorstellen werden. Den Mach-E haben wir schon im Angebot und führen ihn in den nächsten Jahren weiter. Wir beschäftigen wir uns natürlich damit, wie es weitergehen. Die Machbarkeitsstudie ist ein Bestandteil dieser Überlegungen.

Die Gewinnschwelle beim operativen Ergebnis soll im kommenden Jahr dann erreicht werden. Welchen Beitrag liefert Europa?

Model e ist bei der Ford Motor Company quasi das Startup, das sich mit Elektroautos, autonom fahrenden Fahrzeugen und Software beschäftigt. Hier sind große Investitionen zu tätigen. In Europa investieren wir zwei Milliarden Dollar, um das neue Werk in Köln für E-Autos zu bauen. Das ist eines der modernsten Werke für den E-Auto-Bau weltweit, auf das die Kölner stolz sein können. Also Riesen-Anfangsinvestitionen, aber der Ertrag aus den Fahrzeugen kommt erst im kommenden Jahr.

Will Ford seine Präsenz im SUV-Segment ausbauen?

Ford kann Pickup-Trucks besonders gut. Sehr gut können wir auch leichte Nutzfahrzeuge, wo wir in Europa seit acht Jahren mit einigem Abstand Marktführer sind, und wir können SUVs sehr gut – in Nordamerika und in Europa, wo Kuga und Puma sehr erfolgreich sind. In Zukunft werden wir uns darauf konzentrieren, was wir gut können und wo wir stark sind.

Bleibt Ford ein Komplettanbieter oder gehen Sie den Weg in die Nische?

Wir wollen mit dem Explorer in Köln ein komplettes Werk füllen. Das kann per Definition keine Nische sein. Es kann aber auch nicht mehr unser Ziel sein, allein ein Volumen oder einen Marktanteil zu erreichen. Wir schauen uns die Segmente genau an, die wachsen und in denen wir die Stärke unserer Marke glaubhaft ausspielen können. Daraus ergibt sich, dass wir nicht mehr in jedem Segment präsent sein werden.

Der Explorer ist kantiger als die Fahrzeuge, die sie zuletzt vorgestellt haben. Ist das die neue Design-Linie?

Generell lässt sich das nicht sagen. Aber unsere Strategie ist es, unsere Ford-Ikonen zu elektrifizieren. Erstes Beispiel ist der Ford Mustang. Wir haben auf dieser Basis Mustang Mach-E entwickelt, der auch in Europa sehr erfolgreich ist. Zweitens ist das der F-150, d weltweit wie kein anderes Fahrzeug für Ford steht. Daraus wurde der F-150 Lightning. Der Explorer ist die dritte Ikone. Den haben wir für Europa neu interpretiert, er ist kleiner, aber mit den Genen, die den Explorer seit Jahrzehnten erfolgreich machen.

Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH

Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH

Die Produkte sind amerikanischer als vorher. Hat das Einfluss auf die Firmenkultur?

Ford ist ein global aufgestelltes amerikanisches Unternehmen, hat eine amerikanische Kultur und eine amerikanische Herangehensweise. Wir haben in der Vergangenheit die Chance nicht ausreichend genutzt, unsere Stärken und die Differenzierungsmöglichkeiten als amerikanische Marke zu präsentieren. Die Marke hat einen hohen Wert und übt Faszination aus. Auf die positiven Werte, die Europäer mit Amerika verbinden, werden wir stärker bauen und uns entsprechend positionieren.

Das Thema Sparmaßnahmen haben wir bereits gestreift. Wie viele Stellen fallen in Europa insgesamt weg?

Insgesamt haben wir mit unseren Sozialpartnern den Abbau von 3800 Stellen in Europa bis Ende 2025 vereinbart, 2300 davon in Deutschland.

Ford streicht in Europa vor allem in den Entwicklungsabteilungen Stellen. Was kann die Fahrzeugentwicklung in Europa in Zukunft noch leisten?

Sie hat Tolles geleistet, nämlich den Explorer zu entwickeln. Weitere Entwicklungen folgen. Das Team in England ist führend bei der Entwicklung unserer leichten Nutzfahrzeuge. Letztlich bilden die Entwickler dort ein Team mit unseren Entwicklern in Merkenich. In Merkenich steht etwa einer der modernsten Windkanäle in Europa, und von Merkenich wird unser Testzentrum im belgischen Lommel betreut.

Sie haben eine Fläche im Werk ja bereits an Magneti Marelli vermietet. Planen Sie mehr in dieser Richtung?

Alles ist möglich. Das Vermieten von Flächen, das Ansiedeln von anderen Tätigkeiten. Wir können mit unseren Kompetenzen auch für andere Unternehmen tätig werden etwa als Komponentenhersteller. Wie das Werk in fünf Jahren aussieht, kann ich nicht sagen. Sicher ist aber, es wird deutlich anders aussehen als heute. Hoffentlich, sonst sind wir zu statisch.

Sie stellen auch auf ein Agenturmodell um.

Ja, mittelfristig. Das bedeutet, dass ein Kunde nicht mehr zum Vertragsabschluss zum Händler geht, sondern den Vertrag mit Ford abschließt. Der Händler bleibt das Gesicht von Ford vor Ort und der persönliche Kontaktpunkt für den Kunden. Und wir bezahlen den Handel für seine Serviceleistungen.

Hat das Auswirkungen auf das Händlernetz?

Viele Dinge werden heute digital gemacht, so dass sich die Frage stellt, wie groß die Zahl der Händler sein muss. Das ist es oft nicht. Wir werden also die Zahl der Standorte in Europa reduzieren. Das ist ein Prozess über viele, viele Jahre, den wir mit unseren Händlern besprochen haben.

Was ist ihr Lieblingsmodell?

Ich fahre gerade den Mustang Mach-E – ein tolles Auto.

Rundschau abonnieren