Ein milliardenschwerer „Investitionsbooster“ soll der schwächelnden Wirtschaft Schwung geben. Den Ländern, Städten und Gemeinden drohen damit jedoch hohe Steuerausfälle. Die Ministerpräsidenten, unter ihnen Hendrik Wüst, wollen das nicht hinnehmen.
Rundschau-Debatte des TagesWas plant die Bundesregierung für die Wirtschaft?

Will die Wirtschaft spürbar entlasten: Kanzler Friedrich Merz
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Auf Vorschlag der Bundesregierung haben die Regierungsfraktionen Union und SPD Anfang Juni einen Gesetzentwurf „für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ in den Bundestag eingebracht. Ein Kernpunkt ist ein zeitlich begrenzter „Investitionsbooster“ für Unternehmensinvestitionen. In den Jahren 2025, 2026 und 2027 können Firmen demnach bewegliche Wirtschaftsgüter mit jeweils bis zu 30 Prozent von der Steuer absetzen. Danach soll ab 2028 schrittweise die Körperschaftssteuer von derzeit 15 auf zehn Prozent gesenkt werden. Sie soll dabei bis 2032 um jährlich einen Prozentpunkt verringert werden. Hinzu kommen noch eine erweiterte steuerliche Begünstigung von Elektro-Dienstwagen sowie die Erhöhung der steuerlichen Forschungsförderung.
Wie hoch fallen dadurch die Steuerausfälle aus?
Insgesamt ergeben sich laut Gesetzentwurf zwischen 2025 und 2029 für Bund, Länder und Gemeinden Steuerausfälle von mehr als 48 Milliarden Euro. Länder und Kommunen müssten davon zusammen gut 30 Milliarden Euro tragen, die Kommunen alleine 13,5 Milliarden Euro.
Wie sehen die Forderungen der Länder aus?
Sie begrüßen grundsätzlich die Pläne zur Wirtschaftsförderung. In einer Stellungnahme vom vergangenen Freitag warnen sie aber, „dass der Gesetzentwurf eine andauernde Beeinträchtigung bei der Finanzierung der notwendigen Aufgaben von Ländern und Kommunen bewirkt“. In vielen Kommunen drohten „Einschränkungen bei der kommunalen Daseinsvorsorge und notwendige öffentliche Investitionen werden erschwert“. Die Länderkammer verlangt nach dem Motto „Wer bestellt, bezahlt“ deshalb vom Bund „eine Verständigung über einen Ausgleich dieser Mindereinnahmen“.
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Wie hoch sind die Chancen auf eine Einigung?
Am Mittwoch wird kein Durchbruch erwartet. Die Positionen liegen noch zu weit auseinander. Während von Länderseite vielfach eine höhere Beteiligung an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer verlangt wird, zielen Vorschläge des Bundes eher darauf, Kommunen befristet und direkt mit Hilfen in bestimmten Bereichen unter die Arme zu greifen – etwa bei Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels oder bei der Sanierung von Sport- und Kultureinrichtungen. Diskutiert wird auch über eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Unterkunft bei Beziehern von Grundsicherung – also dem bisherigen Bürgergeld.
Bis wann muss die Einigung spätestens stehen?
Die Bundesregierung will das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft setzen. Zieldatum ist dabei die Bundesratssitzung am 11. Juli, wo das Vorhaben abschließend verabschiedet werden soll. Gibt es bis dahin keine Einigung, könnte die Länderkammer den Vermittlungsausschuss anrufen. Dann läge der von der Regierung versprochene Wachstumsbooster vorerst auf Eis. Das von Merz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) angekündigte Aufbruchssignal an die Wirtschaft würde damit auf sich warten lassen. Politisch wäre das für die schwarz-rote Regierung ein ganz schlechtes Zeichen.
Wie sieht es mit weiteren Maßnahmen der Bundesregierung aus?
Im Koalitionsvertrag sind weitere Maßnahmen geplant, die gleichfalls Auswirkungen auf die Finanzen von Ländern und Kommen haben würden. Dazu gehört etwa die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die höhere Pendlerpauschale und die Wiedereinführung der vollständigen Agrardiesel-Rückvergütung für Landwirte. Diese Maßnahmen sollen am 1. Januar 2026 greifen. Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) verlangte, dass solche Beschlüsse des Bundes künftig automatisch kompensiert werden. Der Grundsatz „Wer bestellt, zahlt“ müsse stärker gelten als bislang, sagte er der „Rheinischen Post“. „Dazu brauchen wir am nächsten Mittwoch erste konkrete Vorschläge.“ Ähnlich äußern sich die Länder in ihrer Stellungnahme. Der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ – im Fachjargon „Veranlassungskonnexität“ – müsse „bei allen Gesetzesvorhaben des Bundes konsequent angewendet“ werden. (afp)