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Arbeit kann losgehenGrüne, CDU und Volt stimmen Bündnisvertrag zu

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Die Kölner Grünen haben dem Vertrag mit CDU und Volt für ein Bündnis im Stadtrat mit breiter Mehrheit zugestimmt.

  1. Die Kölner Grünen haben dem Vertrag mit CDU und Volt für ein Bündnis im Stadtrat mit breiter Mehrheit zugestimmt. Bei einer digitalen Mitgliederversammlung stimmten am Samstagmittag 141 Teilnehmer dafür, 23 dagegen und 21 enthielten sich.
  2. Schlechter fiel das Ergebnis bei der CDU aus. Die Zustimmung betrug 66,8 Prozent inklusive Enthaltungen und 71,7 Prozent ohne Enthaltungen, so rechnet die Partei selbst.
  3. Beim dritten Partner Volt war nach ausgiebiger Diskussion die Zustimmung zum Bündnisvertrag mit 85,3 Prozent am größten.

Köln – Grünen-Chefin Katja Trompeter zeigte sich zu Beginn der dreistündigen Veranstaltung zufrieden mit dem Bündnispapier, das „eine starke grüne Handschrift“ habe. Fraktionschefin Christiane Martin, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Hambacher Forst bleibt“ trug, sagte, auf vieles habe man sich mit den Partnern schnell einigen können, um andere Punkte aber hart gerungen. „Wir haben die meisten Kämpfe gewonnen“, betonte Martin. Natürlich gebe es auch Dissens, etwa beim Nachtflugverbot oder einer neuen Autobahnbrücke im Süden. Hier regele der Vertrag, dass die Partner im Rat unterschiedlich abstimmen können.

Die Lärmschutzgemeinschaft Flughafen hatte im Vorfeld kritisiert, dass die offenen Formulierungen des Vertrags „leider jegliche Verbindlichkeit vermissen lassen“ und die zügige Entwicklung eines Lärmminderungskonzepts gefordert. Die Grünen hätten im Wahlkampf mehr Nachtruhe versprochen, jetzt müssten sie Farbe bekennen und handeln.

In der Diskussion zeigten sich die meisten Teilnehmer mit dem ausgehandelten Vertrag einverstanden. Es gab viel Lob, die Kritik beschränkte sich in der Regel auf einzelne Punkte. Einzig Maximilian Ruta vom Arbeitskreis Soziales rief die Teilnehmer dazu auf, die Vereinbarung abzulehnen. Sie biete zur existenziellen Frage des Wohnens viel zu wenig. „Mit der Wohnungspolitik in diesem Bündnispapier werden wir die Probleme nicht lösen. Wir brauchen eine Abkehr vom profitorientierten Bauen hin zu Wohnungen in öffentlicher oder gemeinwohlorientierter Hand.“ Ruta betonte: „Es gibt in diesem Rat progressivere Mehrheiten mit uns, aber keine realistischen gegen uns.“

„Die Ideen kamen von uns und von Volt.“

Ratsmitglied Sandra Schneeloch, die die Wirtschaftsthemen mitverhandelt hatte, berichtete, „die Ideenlosigkeit der CDU“ sei zum Haareraufen gewesen. „Die Ideen kamen von uns und von Volt.“ Ex-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank kritisierte, die Schwäche des Papiers sei, dass vieles nicht zielgenau, sondern nur allgemein und unverbindlich formuliert sei, etwa beim Ausbau von Gesamtschulen. So blieben die alten Konflikte mit der CDU erhalten. Außerdem sei das Programm sehr teuer, und über seine Finanzierung werde wenig gesagt – trotz der wegen Corona bevorstehenden Haushaltskrise. Stefan Fischer aus Deutz kritisierte die Verteilung der Dezernate zwischen Grünen und CDU als „sagenhaft falsch“. Es sei ein „schweres Versäumnis“ der Verhandlungsführer, der CDU das Dezernat I (Ordnung, Sicherheit/Stadtdirektor) für acht Jahre zu überlassen.

Parteichefin Trompeter konterte die Kritik an Länge und Unverbindlichkeit des Vertrag mit der Aussage. „Es ist nur Papier. Es ist einerseits zu lang und es ist natürlich auch zu kurz. Es ist zu vage und stellenweise viel zu präzise.“ Das sei „die Quadratur des Kreises“, so Trompeter. „Papier ist geduldig. Wir müssen der Treiber der Veränderung sein.“ Der Co-Vorsitzende Frank Jablonski wies darauf hin, dass das Bündnis zwei „Jahrhundertprojekte“ angehe und im Rechtsrheinischen den Lückenschluss sowohl des Grüngürtels als auch der Linie 13 vorantreiben wolle.

Mit 76,2 Prozent fiel die Zustimmung zum Bündnis nach dem historischen Wahlsieg nicht gerade euphorisch aus. Vor fünf Jahren, im März 2016, stimmten auf einer Mitgliederversammlung noch 87 Prozent der Grünen für den Kooperationsvertrag mit der CDU. Hinzu kommt, dass von den derzeit rund 2200 Mitgliedern der Kölner Grünen am Samstag nur 185 an der Abstimmung teilnahmen – also gerade einmal 8,4 Prozent.

Ein guter Start sieht anders aus

Screenshot Ratsbündnis

Ratsmitglied Florian Weber bei einem Redebeitrag

Was die 245 teilnehmenden CDU-Mitglieder von der Kooperationsvereinbarung mit Grünen und Volt halten, offenbarten sie bei der Abstimmung am Ende der knapp dreistündigen digitalen Sitzung: Letztlich stimmten 220 Teilnehmer ab, davon votierten 147 Mitglieder für den Vertrag, 58 dagegen und 15 enthielten sich. Das macht eine Zustimmung von 66,8 Prozent – ein ziemlich schwacher Wert, zumal für die CDU, die traditionell eher auf eine gewisse Einigkeit achtet als andere Parteien und auf ihre Außenwirkung bedacht ist. CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau dankte den Mitgliedern zwar für die „breite Unterstützung“ – doch ein guter Start sieht anders aus.

Die Partei selbst rechnet Enthaltungen nicht mit und spricht von 71,7 Prozent Zustimmung. Zum Vergleich: Bei der Abstimmung über die Vereinbarung mit den Grünen im Jahr 2016 stimmten rund 98 Prozent der mehr als 400 anwesenden Mitglieder dafür.

Niedrige Zustimmung als Abstrafung?

Es waren damals also viel mehr der rund 4500 bis 5000 CDU-Mitglieder bei der Versammlung anwesend und deutlich mehr votierten für den Vertrag als am Samstag. Die niedrigen Zustimmungswerte sind möglicherweise ein Indiz dafür, dass die Basis den Kurs der Partei abstrafen wollte. Allerdings handelte es sich 2016 um keine Geheimabstimmung, das erschwert üblicherweise Nein-Stimmen. Bernd Petelkau sagte, er sei zufrieden mit dem Ergebnis.

Zuletzt hatte schon der Vorsitzende der Kölner Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Karl Alexander Mandl, zu dem Kooperationspapier mitgeteilt: „Aber die Risiken dürfen nicht übersehen werden. Deswegen ist eine starke CDU in Köln als Partei überlebenswichtig, genauso wie eine starke CDU Fraktion im Stadtrat. Letzteres hat uns der Wähler nicht augesprochen, weshalb es jetzt auf ersteres ankommt.“ Er fordert also eine starke Partei, weil die Fraktion nur noch 19 statt 25 Mitglieder hat.

De-Bellis-Ollinger: „Wir wollen das Auto nicht verteufeln“

Vor allem der Verkehr war ein Thema für einige der 245 Mitglieder, es gab mehrere Nachfragen dazu, unter anderem zum Anwohnerparken, zur Rolle des Autos und zu Quartiersgaragen. Bislang kostet der Ausweis in Köln nur 30 Euro jährlich, Wien ist nun das Vorbild des Bündnisses, dort kostet ein Jahres-Exemplar zwischen 90 und 120 Euro.

Die verkehrspolitische Sprecherin Teresa De Bellis-Olinger sagte: „Volt wollte, dass alle Parkausweise wegfallen und jeder Bürger, der ein Auto anmeldet, einen Parkplatz nachweisen muss.“ Das habe man verhindert, über Preise für das Bewohnerparken sei nicht gesprochen worden. „Wir wollen das Auto nicht verteufeln.

Der Kölner CDU beschert das neue Bündnis nun vor allem zunächst die Sicherheit, die viereinhalb Jahre bis zur nächsten Kommunalwahl 2025 Köln mitgestalten zu können –„obwohl wir einige große Kröten im Vertrag schlucken müssen“, wie ein Vorsitzender eines Ortsverein zuletzt sagte, er nannte beispielsweise das teurere Bewohnerparken. „Aber wir haben das Schlimmste noch verhindert.“ Teile der Partei scheinen das anders zu sehen und stimmten dagegen.

„Wir werden weiter Einfamilienhäuser bauen“

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz nannte ein Beispiel, was seine Fraktion verhindert habe, er wies auf die Diskussion zum Flächenverbrauch hin: „Ziel der Grünen war es, gar keine Flächen mehr zu versiegeln, es ist uns gelungen, das rauszuverhandeln.“ Kienitz ging auf die bundesweite Diskussion um Einfamilienhäuser ein, der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, hatte deren Bau zumindest mit einer gewissen Skepsis betrachtet, weil in Städten die Flächen begrenzt sind. Kienitz sagte: „Wir werden weiter Einfamilienhäuser bauen, vor allem an den Stadträndern.“

Das Motto im größeren Teil der CDU lautet: Lieber mitregieren als außen vor sein. Nach dem Debakel bei der Kommunalwahl am 13. September mit nur 21,49 Prozent hatte es durchaus Stimmen gegeben, die sich in der Opposition neu aufstellen wollten, unter anderem hatte der frühere Schatzmeister Artur Tybussek gesagt: „Mein Rat wäre, es darf kein Weiter-so geben und wir sollten eigene Belange wie Aufsichtsratsposten erstmal hinten anstellen. Wenn wir uns jetzt nicht neu aufstellen, möchte ich mir nicht vorstellen, wie unser Ergebnis in fünf Jahren ausfällt.“

Was bedeuten knapp fünf weitere Jahre mit den Grünen?

Dagegen steht: Hält das Bündnis, wäre die CDU von 2016 bis 2025 in der Verantwortung statt in der Opposition, für die Partei ist das ein Erfolg, zumal in einer Millionenstadt, dort tut sich die Partei traditionell schwerer als in ländlichen Regionen – die Frage ist eben, ob ihr das dauerhafte Bündnis mit den Grünen auf lange Sicht schadet und ihr Profil verwässert oder ob die Kölner CDU sich zukunftsfähiger aufstellt?

Tybussek hatte nach der Wahl gesagt: „Das ist unsere Gretchenfrage: Öffnen wir uns für neue Bewegungen oder verlieren wir dann unsere Kernkompetenz? Da den richtigen Grad zu finden, ist schwierig."

Die Wiederauflage des Bündnisses nimmt trotz des schlechten Ergebnisses zunächst etwas den Druck von CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau, denn die Wahlergebnisse der CDU bei den Europa- und Kommunalwahlen in den vergangenen beiden Jahren waren schlimm, die 21,49 Prozent waren der schlechteste Wert nach dem Krieg. Viele in der Partei waren damals verärgert, einige wenige stellten Petelkau vorsichtig in Frage, doch das war es dann auch.

Petelkau: „Sind nicht in der Rolle des Juniorpartners“

Zwei Tage nach der Wahl bestätigte ihn die neue Fraktion als ihren Chef, danach gewann die von der CDU unterstützten Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) die Stichwahl gegen Andreas Kossiski (SPD) und später schmiedete die CDU unter seiner Führung das neue Bündnis. So gewann er Zeit und die Kritik verebbte, zuletzt punktete er vor allem in Personalfragen bei den Verhandlungen.

Angesichts der nur noch 19 Mandate holte die CDU vor allem bei der Besetzung des Stadtvorstandes bemerkenswert viel für sich heraus. Petelkau sagte: „Wir sind nicht in der Rolle des Juniorpartners, sondern sind auf Augenhöhe, das drückt sich auch in den Positionen in der Verwaltungsspitze aus.“

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Parteichef Petelkau sagte am Samstag auch, dass die CDU ein Bündnis mit SPD und FDP sondierte, doch mit 43 Sitzen im 91-köpfigen Stadtrat hätte das Trio keine Mehrheit auf sich vereint. Und von der SPD sei die CDU noch weiter entfernt als von den Grünen.

Volt spricht von „riesiger Chance“

Die Mitglieder der jungen Partei „Volt“, die erstmals im Stadtrat vertreten ist und bei der Kommunalwahl mit vier Sitzen auf Anhieb Fraktionsstärke erreichte, nahmen sich bei ihrem digitalen Treffen am längsten Zeit für die Debatte über das Bündnispapier. Erst gegen 16.45 Uhr stand nach mehr als fünf Stunden Diskussion das Ergebnis der Abstimmung fest: 58 Ja-Stimmen bei acht Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Mit 85,3 Prozent fiel die Zustimmung deutlich höher als bei Grünen und CDU aus.

„Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das wird gleichzeitig eine riesige Chance und eine riesige Herausforderung. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.“, erklärte Fraktionschefin Jennifer Glashagen. Parteichefin Rebekka Müller betonte: „Wir sind kein Anhängsel der beiden Großen. Wir müssen lernen, uns durchzusetzen und nicht nachzulassen. Dafür haben wir das Potenzial. Und das werden wir ausschöpfen. Für Köln als Metropole im Herzen von Europa und für unsere Idee von Politik mit Spannung.“

Neben vielen inhaltlichen Themen diskutierten die Volt-Mitglieder auch drei Sorgen: Dass die frischen Ideen von Volt durch das Eingehen von Kompromissen verwässert werden könnten, dass man gezwungen sei, sich in zu viele Themen einzuarbeiten und sich daher nicht auf die für Volt wichtigsten Punkte fokussieren könne sowie dass Volt als Mehrheitsbeschafferin ohne eigenes Profil wahrgenommen werden könnte.

Alle drei Sorgen sehe man auch als Chancen, argumentierte der Vorstand. Nur über Kompromisse und die Vereinbarung könne man so viele Ideen umsetzen, durch die politischen Partner lerne man schneller und könne seine Ziele auch erreichen. Und schließlich leiste man Pionierarbeit für Volt und könne zeigen, dass Volt eine seriöse politische Akteurin sei.