Köln – Gibt es heute Spinat zum Mittagessen? Immerhin ist Gründonnerstag, und da steht für viele fest, dass etwas Grünes gegessen wird. Aber was hat Spinat eigentlich mit diesem Tag zu tun?
Brauchtumsexperte Professor Dr. Manfred Becker-Huberti gibt zu: „Als Kind mochte ich keinen Spinat.“ Aber bei seiner Mutter habe es da keine Ausreden gegeben. Erst als Erwachsener erfuhr er, dass diese kulinarische Qual auf einem doppelten Missverständnis beruhte. Zum einen soll ja ein Rechenfehler zu der Mär geführt haben, dass Spinat so reich an Eisen sei. „Zum anderen leitet sich das Wort ,Grün’ in Gründonnerstag vom althochdeutschen ,greinen’, also weinen, ab“, erklärt der 67-jährige frühere Sprecher des Erzbistums, der an der Universität der Pallottiner in Vallendar lehrt.
Orgel und Glocken schweigen ab heute
Mit dem Gründonnerstag beginnt die Passion, es ist der Tag des letzten Abendmahls Christi. Dieser aß mit seinen Jüngern ein fehlerfreies Lamm. Erst nach Christi Tod sei das Tier zum Symbol für Jesus selbst geworden. „Nur die Christen essen und trinken ihren Gott und verinnerlichen ihn so“, sagt Becker-Huberti. Weitere Rituale an Gründonnerstag sind die Fußwaschung und die Ölweihe. Gleichzeitig verstummen ab heute im Gloria die Triumph-Instrumente (Orgel, Glocken und Schellen). „Darüber freuen sich vor allem die Messdiener“, sagt Becker-Huberti, „die dann im Gottesdienst als Klapperjungen und -mädchen zum Gebet aufrufen“. Dazu werden Ratschen und Klappern genutzt, mit denen sonst die Vögel auf dem Feld vertrieben wurden.
Mit dem Abend vor dem Karfreitag beginne „das höchste Fest des Christentums“, das Triduum Sacrum, die österlichen drei Tage, erklärt der Experte.
Der Begriff „Kar“ leitet sich von „kara“, althochdeutsch für Klage, ab. Und diese steht dann auch im Mittelpunkt. „In vielen Kirchen wird noch das Grab Christi aufgebaut“, sagt Becker-Huberti. Auch das 40-stündige Gebet, das ins Ewige Gebet übergeht, das heute noch im Erzbistum Köln üblich sei, gehöre dazu.
Als Jesus zu Pontius Pilatus geführt wurde, soll er über die „Scala Santa“ gegangen sein, die heute in Rom Pilger anlockt. Kurfürst Clemens August ließ diese Mitte des 18. Jahrhunderts als „Heilige Stiege“ auf dem Bonner Kreuzberg nachbauen. „Jedes Jahr erklimmen auch hier Pilger die Stufen am Karfreitag auf Knien“, sagt Becker-Huberti.
Am Karsamstag herrscht Ruhe. Grabesstille. „Das ist der einzige Tag im Kirchenjahr, an dem es keine Eucharistiefeier gibt“, erklärt der Theologe. Stattdessen werde in der Nacht zum Ostersonntag mit der Morgensonne der Sieg des Lebens über den Tod gefeiert. So leitet sich das Wort Ostern auch von Eos, der griechischen Göttin der Morgenröte, ab. Mit der Feier der Auferstehung dürfen am Ostersonntag dann auch wieder die Triumphinstrumente erklingen.
Der Ostereierbrauch entstammt auch einer alten Tradition, erklärt Becker-Huberti: Noch heute verteile der Pope in der Ostkirche an jeden Besucher des Ostergottesdienstes ein rotes Ei. Die Härte und Kälte symbolisiere den Tod, die Farbe Rot das Leben. „Vor 1054 war dies auch in der Westkirche üblich“, sagt der Experte. Die Schalen der gesegneten Eier wurden und werden bis heute auf dem Feld verteilt, damit die Frucht gut gedeiht. „Die Protestanten wiederum beschafften sich ihre eigenen Ostereier und versteckten sie im Garten“, sagt Becker-Huberti und fügt lachend hinzu: „Aber in Sachen Geschmack sind sie sicher ökumenisch.“
Zu den österlichen Feiertagen gehört auch Ostermontag dazu. Wie schon im „Faust“ beschrieben, gehörte früher der Osterspaziergang oder Em
mausgang dazu – schweigend und meditierend zu einer Kapelle mit einem Wirtshaus in der Nähe, fröhlich lachend zurück. Und natürlich in neuen Kleidern. „Das war ein richtiges Schaulaufen“, sagt Becker-Huberti. Da sei es auch darum gegangen, zu sehen, was die Nachbarn sich leisten konnten.
„Insgesamt gehört Ostern zu den Feiertagen, die sich am wenigsten verändert haben im Laufe der Jahre“, bilanziert Becker-Huberti. Nur Spinat muss heute am Gründonnerstag keiner mehr essen, der ihn nicht mag. In diesem Sinne: „Jlöckselije Paschen“, wie es in Köln früher hieß.