Nach zehn Jahren Zusammenarbeit verlässt die Synagogen-Gemeinde Köln den „Runden Tisch Frieden" in Chorweiler. Auslöser sind israelfeindliche Mails im Zusammenhang mit einem geplanten Besuch von Wüst.
Nach Eklat um Wüst-Besuch in KölnKein Ehrenamtspreis für „Runden Tisch Frieden“?

Die Friedensglocke erklingt beim Abendfrieden, eine Veranstaltung des „Runden Tisches Frieden“.
Copyright: Johannes Spätling
Über zehn Jahre hinweg war es gelungen, ein freundschaftliches Miteinander aufzubauen – doch es brauchte nur wenige Tage, es zu zerstören. Die Synagogen-Gemeinde Köln hat den „Runden Tisch Frieden“ in Chorweiler verlassen. Zudem fordert nun Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde und Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker dazu auf, die für kommenden Sonntag vorgesehene Verleihung des Ehrenamtspreises an den „Runden Tisch Frieden“ auszusetzen.
Zu dieser Eskalation kam es durch eine vielschichtige Entwicklung. Seinen Anfang nahm sie mit einem geplanten Besuch des Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, Hendrik Wüst. Wüst wollte am vergangenen Montag, dem 1. September, an einem Abendfrieden des „Runden Tisches Frieden“ teilnehmen: um des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges vor 92 Jahren zu gedenken und um das zehnjährige Bestehen der interkulturellen Initiative in Chorweiler zu würdigen. Doch schon darüber, ob Wüst aus dem Kreis der Initiative eingeladen wurde, oder ob er seinen Besuch antrug, herrscht Unklarheit. Die Synagogengemeinde schreibt dazu in einer Erklärung: „Womöglich war sie (die Einladung; Anm.d.Red.) sogar durch die Initiative angeregt worden.“
Die weiteren Mitglieder des „Runden Tisches“, – das Bürgerzentrum Chorweiler der Stadt Köln, die griechisch-orthodoxe Kirchengemeinde St. Dimitrios, die katholische Kirchengemeinde Heiliger Johannes XXIII., die ehemalige Bezirksbürgermeisterin Cornelie Wittsack Junge, die Neuapostolische Gemeinde Köln Nord, die Alevitische Gemeinde Köln, die Moscheegemeinde Ditib und die evangelische Hoffnungsgemeinde – äußern sich bisher nicht zu den Ereignissen. Wie Anfragen der Rundschau an Mitglieder zeigen, geht das auch auf die Organisationsstruktur zurück. Der „Runde Tisch Frieden“ ist eine lose Zusammenkunft von Ehrenamtlern. Es gibt keinen Vorsitzenden und keinen Sprecher. Keiner sieht sich dafür aus, die Stimme für die anderen zu ergreifen. Ziel ist allein, das friedliche Zusammenleben in dem multikulturell geprägten Stadtbezirk Chorweiler.
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Anfängliche Sorge vor Wahlkampf
Inoffiziell und vereinzelt ist aus dem Kreis zu hören, der Besuchswunsch Wüsts sei an die Initiative herangetragen worden. Woraufhin eine Diskussion darüber aufkam, ob ein solcher Termin des CDU-Politikers in Zeiten des Kölner Kommunalwahlkampfes angenommen werden sollte – zumal im Anschluss wohl auch ein Wahlkampftermin mit Wüst und dem CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Markus Greitemann zur Rede stand. Die Besuchsbitte habe im Laufe des Augusts die Initiative erreicht. Dadurch, dass sich die Mitglieder aber nur in einem Turnus von mehreren Wochen zusammensetzen, sei die Diskussion darüber nicht weit vorangekommen. Abgemacht war eine finale Beratung am Freitag, 29. August.
Doch dazu sollte es nicht mehr kommen, denn am Mittwoch davor eskalierte die Lage. Ausgelöst durch Mails, die an mehrere Mitglieder gingen, unter anderem auch an das Bürgerbüro Chorweiler. Unisono waren die Mails israelfeindlichen Inhalts. Unter anderem wird Wüst eine Mitschuld an den Kriegsfolgen im Gazastreifen unterstellt. Keine Zeile dazu, dass dieser Krieg durch die Angriffe der Terrororganisation Hamas auf Israel ausgelöst wurde. Stattdessen die Forderung, das Treffen dürfe nicht stattfinden.
Eine dieser Mails, die der Rundschau vorliegt, ist von einer Frau gezeichnet, die sich als eine Kölnerin aus dem Stadtteil Seeberg bezeichnet. Sie gehört nach Aussage mehrerer Initiativmitglieder nicht zum Runden Tisch und ist dort auch nicht bekannt. So soll es sich auch bei rund weiteren sieben Mails mit nahezu gleichem Wortlaut verhalten.
Laut Dany Meyer, Mitglied der Synagogengemeinde und des „Runden Tisches Frieden“ habe daraufhin die Debatte über den Termin mit Wüst nur noch vor dem Hintergrund dieser Mails stattgefunden. Die Idee einer Solidaritätsnote zu den jüdischen Mitgliedern in der Runde sei nicht aufgekommen. „Unsere Situation, wurde nur mit spitzen Fingern angefasst“, so beschreibt es Meyer.
Meyer hatte daraufhin am Donnerstagabend eine Mail an die Mitglieder des „Runden Tisches Frieden“ geschrieben. Darin schreibt er: „Gerade in Zeiten, in denen Frieden, Demokratie und freie Meinungsäußerung unter Druck geraten, wollen wir mit unserer Teilnahme zeigen, dass Dialog, Respekt und Zusammenhalt die stärksten Antworten auf Spaltung und Radikalisierung sind. Lasst uns den Abendfrieden nicht von radikalen Kräften stören. Wir bleiben dem Friedenswunsch gegenüber allen Menschen verpflichtet.“
Im Laufe des Freitags sagte Ministerpräsident Wüst schließlich seinen Besuch ab. Laut Meyer habe das zu einer großen Erleichterung in der Initiative geführt. Man sei froh gewesen, das Thema so loszuwerden. Zu dem für Freitagabend geplanten Treffen der Initiativmitglieder kam es nicht mehr.
Abraham Lehrer fragt nun: „Was hat der Konflikt im Gazastreifen mit dem Abendfrieden in Chorweiler zu tun?“ Die Initiative habe sich Gruppierungen gebeugt, die durch eine deutlich propalästinensische Ausprägung geprägt seien. Nach den Mails aus dieser Richtung hätte er eine klare Position der anderen Initiativmitglieder für die Synagogengemeinde erwartet. „Enttäuscht sind wir auch von der Stadt Köln“, so Lehrer weiter. Auch von dort habe es keine Solidarität gegeben.
„Nur dröhnendes Schweigen“
Wie die Rundschau in ihrer Dienstagsausgabe exklusiv berichtete, erklärte die Synagogengemeinde ihren Austritt aus der Initiative. „Wir haben keine andere Möglichkeit gesehen“, so Lehrer. Noch am Dienstagvormittag wurde das Logo der Synagogengemeinde von der Internetseite des Runden Tisches Chorweiler entfernt. Synagogenvorstand Bettina Levy: „Alle gemeinsamen Initiativen wurden einfach weggewischt. Keiner weint uns eine Träne nach.“ Bis heute habe es keine Antwort auf das Schreiben von Dany Meyer gegeben. „Nur dröhnendes Schweigen“, so Levy. Lehrer appelliert an OB Reker: „Ich fordere sie auf, die Verleihung des Ehrenamtspreises an den ,Runden Tisch Frieden' zu überdenken, ihn auszusetzen.“ Reker wollte sich am Mittwoch nicht dazu äußern.