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Karneval in Corona-ZeitenKöln hat sein Trifolium-Doppel

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Dreigestirn

Vorstellung am Rheinufer:  In Strandkörben sitzen Jungfrau Dr. Björn Braun (v.l.), Prinz Sven Oleff und Bauer Gereon Glasemacher.

Die Entscheidung, die Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn an diesem Montag verkündet, ist historisch. Erstmals wird ein Dreigestirn in dieser Stadt gleich zwei Jahre in Folge das Ornat von Prinz, Bauer und Jungfrau tragen. Weil wegen der Corona-Pandemie der Sitzungskarneval, der Rosenmontagszug und viele andere Veranstaltungen nicht stattfinden werden, darf das diesjährige Trifolium doppelt ran. „Es war früh klar, dass diese Session anders werden wird. Diese Andersartigkeit war fester Bestandteil des Auswahlverfahrens“, verrät Kuckelkorn.

Fündig geworden ist das Festkomitee beim Traditionskorps der Altstädter, dass übernächste Session sein 100-jähriges Bestehen feiert und nun auch noch ein Dreigestirn stellen wird. „Genau das wollten wir nicht, aber es kommt immer anders als man denkt“, meint Altstädter-Präsident Hans Kölschbach, der selbst vor 20 Jahren Jungfrau im Dreigestirn war. Die Rolle des Prinzen wird nun Sven Oleff (44) übernehmen, Bauer wird Gereon Glasemacher (31) und Jungfrau „Gerdemie“ ist Björn Braun (37).

Wohl noch nie war der Fokus des offiziellen Karnevals derart stark auf die Tollitäten gerichtet, noch nie war die Präsentation des Dreigestirns ein solch argumentativer Drahtseilakt. Wenn der Prinz erwähnt, die Session stehe „unter den drei Oberbegriffen Lebensmut, Zuversicht, und Achtsamkeit“, klingt er wie ein Therapeut beim Erstgespräch. Dem Karneval, ergänzt er, könne die „Entschleunigung“ dieser Corona-Session gut tun.

„Das Dreigestirn ist die Stimme des Karnevals“

Wenn der Festkomitee-Präsident von seinen Erwartungen ans Dreigestirn erzählt, schwingt eine stark seelsorgerische Anmutung mit. „Das Dreigestirn ist die Stimme des Karnevals. Es ist Hoffnungsträger in einer schwierigen Zeit“, sagt er. Normalerweise erleben die Kölner Dreigestirne ihren ersten öffentlichen Auftritt am 11. November auf dem proppevollen Heumarkt, stattdessen werden sie dieses Jahr in der Wagenbauhalle des Festkomitees vorbeifahren, die der WDR für eine Live-Sendung zum Fernsehstudio umbauen will.

Und ihre Insignien werden sie Anfang Januar von Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einem fürs Fernsehen zelebrierten Stationen-Lauf durch die Altstadt erhalten statt vor 1300 enthusiastischen Gästen im prunkvollen Gürzenich. Statt geknüppelt vollem Auftrittskalender mit rund 400 Terminen wird sich dieses Dreigestirn am Aschermittwoch wohl noch an jeden Auftritt persönlich erinnern können.

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Kleinere Städte und Regionen haben schon im Sommer den Verzicht auf Karneval verkündet, in Köln hatte das Festkomitee das Mantra ausgegeben, der Karneval lasse sich nicht absagen und ein Dreigestirn werde auf jeden Fall inthronisiert. „Es wird Kritiker geben, aber wir sehen uns als Botschafter des Brauchtums“, verkündet Bauer Gereon und lässt schon mal seine symbolbeladene Wehrhaftigkeit erahnen. Die sozialen Aspekte des Karnevals wollen sie in den Vordergrund rücken, das Ehrenamt. „Die Ursprünge des Karnevals sind uns wichtig“, ergänzt der designierte Bauer.

Freiluft-Auftritte als Alternative

Die Frage, welche Auftritte im sozialen Umfeld überhaupt denkbar sind, kann derzeit noch niemand beantworten. Krankenhäuser? Seniorenheime? Schwer vorstellbar, dass dort ein Trifolium mit Tross anrückt und gute Laune verbreitet, wo doch jeder Patient höchstens einen Besucher pro Tag gestattet bekommt. „Es gibt viele andere Wege, unsere Botschaft in die Welt zu tragen, die Kulturszene hat es vorgemacht“, lässt Bauer Gereon Glasemacher erkennen. Freiluft-Auftritte soll es geben, vielleicht auch Auftritte, die dann im Krankenhaus-Fernsehen übertragen werden. Dieses Mal grüßt das Dreigestirn aus der Distanz. „Wir werden höchste Flexibilität an den Tag legen müssen, das hat uns die Pandemie bislang gezeigt“, sagt die Jungfrau.

Das Doppelmandat für das Dreigestirn bezeichnet der Festkomitee-Präsident als „Bonbon“, als „eine Belohnung für das große Engagement“ der drei Herren. Denn die zahlen eine mittlere fünfstellige Summe für den Traum vom Dreigestirn– die emotionale Ernte in Form von Jubel, Kamelle und vollen Sälen soll auf die übernächste Session verschoben werden. Vorerst werden seelsorgerische Qualitäten gefragt sein. „Wir wollen den Jecken Freude bringen, eine Konstante sein und wenn nötig Trost spenden“, skizziert der Prinz das pandemie-spezifische Aufgabenspektrum des Dreigestirns.

Gewagte Entscheidung

Thorsten Moeck zum Dreigestirn der Corona-Session

In Zeiten der Pandemie ein Dreigestirn vorzustellen, ist ein Wagnis. Oberflächlich betrachtet könnte die Entscheidung des Festkomitees als ein realitätsfernes Weiterso fehlinterpretiert werden, von dem die Botschaft ausgeht: Seht her, wir feiern trotzdem. Es gehört zu den großen Herausforderungen dieses Trifoliums, andere Sichtweisen auf den Karneval aufzuzeigen.

Die historischen Figuren des Prinzen, ehemals „Held Carneval“, des wehrhaften Bauern und der lieblichen Jungfrau als Abbild der Stadtgründerin Agrippina taugen durchaus als symbolhafte Antwort auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie. Die Regenten der Narren-Welt müssen dieses Mal mehr denn je deutliche Botschaften aussenden, die als Abkehr von Feierlichkeiten und einem Hinwenden zum ruhigen Kern des Karnevals verstanden werden. Dafür bedarf es dreier gestandener Persönlichkeiten, die keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens lassen.

Das unbedingte Festhalten an einem Dreigestirn hat die Verantwortlichen nun zu einem Bruch mit der Tradition verleitet. Erstmals darf ein Dreigestirn zwei Jahre in Folge ins Ornat steigen. Das erspart dem Festkomitee immerhin die Not, im Frühjahr unter ungewissen Zukunftsaussichten erneut ein Dreigestirn suchen zu müssen. 

koeln@kr-redaktion.de