Nach dem Elften Elften in KölnGastronominnen aus dem Univiertel ziehen Bilanz - „Meckern bringt uns nicht weiter“

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Die Kölner Gastronominnen Anna Heller (links) und Maureen Wolf am Sonntag auf der Entlastungsfläche an der Zülpicher Straße.

Die Kölner Gastronominnen Anna Heller (links) und Maureen Wolf am Sonntag auf der Entlastungsfläche an der Zülpicher Straße.

Für eine Veränderung der Situation rund um die Zülpicher Straße sei vor allem ein klarer politischer Wille nötig, sind sich Anna Heller und Maureen Wolf einig.

Für Maureen Wolf verlief die Anreise zur eigenen Party am Samstag ungewohnt. Ungewohnt ruhig. „Das kennen wir so nicht“, sagt die Wirtin der Kneipe „Bei Oma Kleinmann“. Nach dem Elften Elften 2022 hatte das Team des Kultlokals auf der Zülpicher Straße beschlossen, vorerst auf Karnevalspartys zu verzichten. Den treuen Stammgästen wollte man den Weg durchs Chaos, „eingekesselt von Menschenmassen, Dosenbier und Wahnsinn“, einfach nicht mehr zumuten. Und so feierte „die Oma“ in diesem Jahr nicht auf der Zülpicher, sondern verlegte die Party aufs Achterdeck, einem Hausboot in Rodenkirchen. „Die Stammgäste waren alle da, es war sehr schön“, freut sich Wolf. „Aber es ist auch viel Wehmut dabei, weil wir natürlich am liebsten bei uns in der Kneipe feiern würden.“

Die Kultkneipe „Bei Oma Kleinmann“ feierte im Achterdeck in Rodenkirchen statt auf der Zülpicher Straße.

Die Kultkneipe „Bei Oma Kleinmann“ feierte im Achterdeck in Rodenkirchen statt auf der Zülpicher Straße.

Anna Heller hielt in ihrem Hellers Brauhaus auf der Roonstraße die Stellung im Chaos. „Urkölsch“ lief die Feier drinnen im Brauhaus ab. Draußen beobachtete die Gastronomin die Entwicklung im Epizentrum der Feiermeile, wo das Urkölsche eher eine untergeordnete Rolle spielt. „Dass es so früh so voll war, das war schon extrem“, sagt sie. Aber: „Im Veedel hat das Sperrkonzept funktioniert.“ Schon gegen halb zehn ließ die Stadt alle Eingänge zur Straße abriegeln. Als es wieder leerer wurde, durften weitere Menschen auf die Straße. „Wenn man nur auf den Aspekt der Sicherheit blickt, dann hat die Stadt ihren Job gemacht“, findet auch Wolf, die aber auch feststellte, dass die Außenränder der Sperrstellen deutlich mehr belastet wurden als im vorigen Jahr. Der Hiroshima-Nagasaki-Park am Aachener Weiher ist am Sonntagmorgen voller Müll, anders als auf der Uniwiese liegen hier keine Bodenplatten zum Schutz der Wiese. Auch die Luxemburger Straße verwandelte sich ab Samstagnachmittag in eine zusätzliche Feierzone.

Mit dem Ende eines Elften Elften, der mehr Menschen als je zuvor auf die Straßen lockte, beginnt die Diskussion nun von vorne: Wie soll in Köln und insbesondere im Univiertel Karneval gefeiert werden? „Der Aspekt der Gefahrenabwehr ist wichtig“, meint Wolf. „Aber es sollte doch noch zwei, drei andere Wege geben, die da mit reingreifen.“ Ideen gab es genug, auch die von der Verwaltung gebildeten Arbeitsgruppen hatten kleinere und größere Möglichkeiten aufgezeigt, umgesetzt wurde mit Ausnahme einer neu ausgerichteten Respekt-Kampagne nichts.

Karneval im Kwartier Latäng: Langfristiger Plan muss her

Unter anderem im Gespräch waren kleine dezentrale Veranstaltungen, die den Druck auf die Zülpicher Straße reduzieren sollten. Die von Anna Heller geleitete Gruppe, in der auch Maureen Wolf mitwirkte, entwickelte die Idee einer App zur Steuerung des Partyvolks. Das Festkomitee hat das Projekt mittlerweile übernommen. „Die Frustration ist groß. Aber es ist ein Punkt erreicht, an dem man die Situation nicht mehr über das Ehrenamt regeln kann“, sagt Wolf. Die Stadt müsse mehr Mitarbeitende einstellen, die sich das ganze Jahr über mit dem Thema auseinandersetzen. Daraus müsse ein langfristiger Plan entstehen. Einige Gastronomen wünschen sich neben der bereits bestehenden Stabsstelle Events eine eigene Stabsstelle mit Experten für den Karneval. Der Runde Tisch Karneval, der seit Jahren Akteure unterschiedlicher Bereiche zusammenbringt, sei nicht das richtige Format, um Lösungen zu entwickeln.

Der Hiroshima-Nagasaki-Park am Aachener Weiher war am Sonntagmorgen voller Müll.

Der Hiroshima-Nagasaki-Park am Aachener Weiher war am Sonntagmorgen voller Müll.

Aus Sicht von Heller ist ein Bühnenprogramm noch nicht einmal zwingend notwendig. „In dem Moment, in dem die Ausweichfläche geöffnet wurde, sind viele Menschen explizit dort hingegangen. Dort läuft Musik aus den Boxen, das reicht dem Publikum.“ Würde man drei oder vier solcher Flächen einrichten, am besten asphaltiert, und mit Musik bespielen, bestehe die Chance, dass sich die Leute verteilen. „Ohne Angebot, wie auf der Zülpicher Straße, jubeln alle dem zu, der halbnackt am Laternenmast hängt, weil das das einzige Highlight ist“, ergänzt Wolf.

Wer sich bei den feiernden Jugendlichen umhört, erfährt schnell, dass viele von ihnen gar nicht mehr die Zülpicher Straße zum Ziel haben. Sondern den Inneren Grüngürtel. Dort wird Musik gespielt, der Eintritt ist frei und Getränke können vom Kiosk oder von zu Hause mitgebacht werden.

Für die beiden Gastronominnen ist ein Punkt erreicht, an dem ein Weiterso schwer zu akzeptieren sein dürfte. Bei der Entwicklung neuer Angebote mit Bühnenprogramm drehe man sich seit langer Zeit im Kreis, beobachtet Wolf. Die Stadt will nicht als Veranstalter auftreten, bei anderen Interessenten scheitere es an zu hohen Auflagen oder daran, dass sich mit einer solchen Veranstaltung kaum Geld verdienen lasse.

So feierten die meist jungen Menschen am Elften Elften auf der Zülpicher Straße.

So feierten die meist jungen Menschen am Elften Elften auf der Zülpicher Straße.

Heller und Wolf sind sich einig: Entscheidend für eine Veränderung ist ein klarer politischer Wille. In der Politik dürfe es nicht nur um die Frage gehen, ob etwas im Grüngürtel stattfindet oder nicht. Die Arbeit müsse konstruktiver werden. „Da muss man auch mal über die parteipolitischen Querelen hinausgehen und gemeinsam für Köln denken. Wenn ein Wille da ist, dann schaffen wir das auch“, sagt Heller.

Wenn dann mal eine Idee umgesetzt wird, wünschen sich die Gastronominnen auch das Wohlwollen aller Beteiligten. „Es wird vielleicht auch nicht alles funktionieren, dann muss man sich aber nicht jedes Mal gegenseitig zerfleischen. Nur meckern bringt uns nicht weiter. Und Heller ergänzt: „Niemand hat die perfekte Lösung. Aber wir müssen mal etwas ausprobieren.“

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