Interview

Präsident der Roten Funken in Sorge
„Der Kölner Karneval ist nicht gesund“

Lesezeit 7 Minuten
Da geht es weiter: Heinz-Günther Hunold hat noch einiges vor.

Da geht es weiter: Heinz-Günther Hunold hat noch einiges vor.

Der scheidende Präsident der Roten Funken, Heinz-Günther Hunold, sorgt sich um das Brauchtum. Thorsten Moeck hat mit ihm gesprochen.

Nach 23 Jahren an der Spitze der Roten Funken gibt Heinz-Günther Hunold sein Amt nach dieser Session ab. Am Samstag bittet er zum letzten Funken-Biwak (ab 9.30 Uhr) auf den Neumarkt. Thorsten Moeck sprach mit ihm.

Sie haben schon ein Dutzend Karnevalssitzungen geleitet. Können Sie einzelne Büttenreden schon mitsprechen?

Ja, natürlich lernt man die Künstler und ihre Reden kennen, aber je nach Tagesform ändert sich die Rede. Und: In manchen Sälen ist die Akustik so ausgerichtet, dass wir im Elferrat tatsächlich nicht alles mitbekommen. Die Gäste sollen nicht merken, dass wir alle die Reden schon gehört haben, dafür sorgt eine professionelle Einstellung.

Haben Sie einen Lieblingswitz?

Wer mir gut gefällt, weil er vom Typ her sehr besonders ist, ist der Sitzungspräsident Volker Weininger. Aber auch Guido Cantz und Bernd Stelter mag ich. Einen bestimmten Witz kann ich aber nicht erzählen.

Gibt es noch besondere Sitzungen für Sie?

Die Draumnaach hat einen besonderen Charakter, das bleibt in Erinnerung. Das Funkenbiwak kommt noch am Samstag, aber offiziell ist dann erst im September Schluss als Präsident. Emotionale Momente nehmen zu, das ging mir auch beim Regimentsexzerzieren so, weil atypischer Weise meine Frau dabei war. Sie hat das jahrelang mitgetragen, das war für mich ein sehr emotionaler Moment am Anfang.

Wie groß ist die Vorfreude auf Ihren letzten Rosenmontagszug in der Funktion des Präsidenten?

Sehr groß.Denn auch hier haben die Funken meine Frau eingeladen, wir werden also gemeinsam auf dem Wagen stehen und den Zug erleben. Es gibt Rituale wie das Wecken des Präsidenten um 6.45 Uhr durch den Tambourzug. Das wird ein ziemlicher Auflauf werden. Die Nachbarschaft ist schon gewarnt. Das wird ein ganz besonderer Tag.

Sie haben drei Kinder. Haben die sich nicht irgendwann mal beschwert über den Krach am frühen Morgen?

Überhaupt nicht. Meine Tochter ist bis heute sehr gerne dabei, sie ist jetzt 22 Jahre alt und steht teilweise mit mir auf der Bühne. Dann rocken wir gemeinsam ab. Meine Jungs sind auch stark involviert. Aber die wollen frühestens Roter Funk werden, wenn ich hier weg bin. Mich würde es freuen. Sie sind alle karnevalsverrückt. Aber ich habe es nie übertrieben oder irgendeinen Druck ausgeübt. Denn das ist durchaus eine Belastung für die Familie. Das Präsidentenamt ist wie ein zweiter Job.

Heinz-Günther Hunold

Heinz-Günther Hunold

Nun steht ein Dreier-Team bereit mit Ex-Prinz Boris Müller, Dirk Wissmann und Ulrich Schlüter. Eine gute Lösung?

Boris Müller ist ein guter Kommunikator, er kennt die Bühne, die anderen können das auch. Alle drei erfüllen die Anforderungen. Ich wünsche sie mir als Team mit einem Präsidenten und zwei Vize-Präsidenten, um die Aufgaben, die sich bei mir gebündelt haben, besser zu verteilen. Aber gewählt wird durch die Mitgliederversammlung.

Eine einfache Rechnung: Wenn 550 Rote Funken jedes Jahr Geburtstag haben, reichen 10 bis 15 Rekruten im Jahr nicht aus, um den Altersdurchschnitt zu senken. Ein Problem?

Wir wollen alle Menschen von 18 bis 98 bedienen, wenn ich an Ludwig Sebus denke. Je mehr Mitglieder wir haben, die jünger als 30 Jahre alt sind, desto weniger Gedanken müssen wird uns um die Zukunft machen. Neue Mitglieder zu finden, ist eine aktive Arbeit. Derzeit läuft eine Umfrage, die wir durch die Rheinische Fachhochschule genau in dieser Zielgruppe durchführen lassen. Die Fragen: Was verbindet ihr mit Karneval. Was ist Euch in Zukunft wichtig? Wir haben einen Arbeitskreis gegründet, der sich „Quo vadis“ nennt und sich genau mit diesen Themen beschäftigt. Wir haben eine Kooperation mit der Rheinischen Musikschule und bauen in der Ulrepforte gerade eine Klangwerkstatt auf für Eltern und Kleininder. Ansonsten haben Sie Recht: Neue Männer braucht das Land.

Die Roten Funken hatten im Jubiläumsjahr einen Etat von mehreren Millionen Euro. Sie haben übers Jahr 60 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Muss der Karneval so professionell sein?

Ja und nein. Ich glaube, dass es immer Innovationsführer gibt, das sind aber nicht immer die Roten Funken. Früher waren es die Blauen Funken mit Fro Kuckelkorn als Präsident. Wenn wir eine gewisse Qualität erwarten, müssen wir uns immer wieder neu erfinden. Der Karneval läuft immer Gefahr zu veralten und an alten Dingen festzuhalten. Ich halte es beispielsweise für völligen Quatsch, das Geschehen rundum die Zülpicher Straße zu verteufeln. Auch das ist eine Facette des Karnevals. Wir müssen Konzepte finden, um die jungen Leute abzuholen. So wie es jetzt die Grosse von 1823 mit der Bühne auf den Ringen gemacht hat. Jetzt ist es wichtig, dass sich die Roten Funken weiterentwickeln. Auch wenn mir das Präsidentenamt viel Spaß macht.

Sie hatten die Idee einer karnevalistischen Loveparade, um die Zülpicher Straße zu entlasten.

Wir waren voriges Jahr sehr mit inserem Jubiläum beschäftigt, trotzdem waren wir auf der Zülpicher Straße. Wenn ich jetzt mehr Zeit habe, wird das ein Thema sein, wo ich mich einbringen werde. Übrigens sitze ich nun auch wieder im Aufsichtsrat des Festkomitees, auch dort habe ich mein Anliegen schon formuliert. Christoph Kuckelkorn sieht das ähnlich. Jetzt geht es an die Umsetzung, da müssen viele Vereine ran. Und dafür müssen auch die Uniwiesen mit eingesetzt werden.

Während der Pandemie hatten Sie prophezeit, für einige kleine Vereine könnte es bitter werden. Hatten Sie Recht?

Das finanzielle Überleben ist nur die eine Seite. Die Frage ist, ob die Leute alle wiederkommen und die Säle gefüllt sind. Hier stelle ich große Unterschiede fest. Teilweise sind die Säle nicht gut gefüllt, das macht mir Sorgen. Wir müssen schwer aufpassen, der Karneval ist nicht gesund. Und wir müssen sehr aufpassen, denn am Karneval hängt ein ganzer Kosmos, also die Bands und Künstlerinnen und Künstler, die von Saal zu Saal ziehen. Das ist gefährdet. Und wir müssen sehr klar mit der Stadt Köln über eine finanzielle Beteiligung an diesem Fest reden, auch das ist Thema beim Festkomitee. Da kommen ganz andere Zeiten auf uns zu.

Es heißt, Sie könnten sich gut vorstellen für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren. Wie ernsthaft sind Ihre Ambitionen?

Ich habe nicht nein gesagt. Die Ausgangslage ist derzeit meiner Ansicht nach so, dass sich Politik und Bürgerschaft eher voneinander entfernen. Das stelle ich bei Gesprächen mit Unternehmern immer wieder fest. Und es stellt sich die Frage: Wann kommen denn die erfolgreichen Unternehmer mal runter von ihren Zuschauerplätzen und übernehmen Verantwortung? Unternehmer würden in der Politik viele Dinge anders entscheiden. Ich denke, dass sich viele Dinge verändern könnten. Aber eine Person alleine wird das nicht ändern. Als jemand, der nie in der Politik war, sage ich nicht: das ist alles kein Problem. Im übrigen bin ich parteilos. Mal abwarten, ob jemand mit mir spricht. Ich stelle fest, dass der Wunsch in der Bürgerschaft nach einer solchen Person sehr groß ist. Das muss aber nicht unbedingt ich sein.

Sie sind 1977 Roter Funk geworden. Warum?

Mein Vater war auch Steuerberater, hatte aber nie Zeit für den Karneval. Durch einen Freund hatte er Kontakt zu den Roten Funken. Zur Kommunion bekam ich damals einen Fotoapparat geschenkt. Mein allererstes Bild habe ich beim Rosenmontagszug geschossen. Es war der Vorstandswagen der Roten Funken. Kurios. Ich war Kamellejung und alles andere ergab sich später.

Sie waren nie Prinz Karneval. Wollten Sie nicht?

Doch, ich hatte mich sogar mal beworben, bin aber nicht genommen worden. Das war im Jahr 2000. Ich glaube, wir wurden abgelehnt, weil die Roten Funken erst 1998 das Dreigestirn gestellt hatten. das war zu kurzer Abstand.

Sie sind seit 2001 Präsident, in diese Zeit fallen das Jubiläum und auch der Ausbau des Stammsitzes in der Ulrepforte. Waren das die Höhepunkte?

Schon in der ersten Sitzung 2001 war der Ausbau Thema, das war wichtig. Und wir waren Vorreiter für viele andere Korps. Wichtig waren mir immer unsere Auslandsaufenthalte. Wir waren bei der Europawahl in Paris, wir waren in Dubai, in Kuba, waren Teil des Jacques Offenbach-Jahres, wir haben das Bild des Deutschen über den Karneval transportiert. Wir waren in Japan, China und nach dem Tsunami auch in Bankok. Wir durften im Königspalast die Spendengelder überreichen, das waren bewegende Momente.

Ihr Funkenname ist Lachduv von der Ülepooz. Wie kam es dazu?

Das ist dem Präsident und dem Kommandant vorbehalten. Auch meine Aufgabe war das, es geht um die Besonderheiten und die Ausstrahlung. Bei mir ist offenbar die positive Lebenseinstellung und das Lachen aufgefallen. Beides ist wichtig.

Rundschau abonnieren