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„Wir tun den Kerlen gut“Claudia Drolshagen gehörte 2019 zu den ersten Domschweizerinnen

5 min
Der Dienst am Dom ist für Claudia Drolshagen ein Traumjob.

Der Dienst am Dom ist für Claudia Drolshagen ein Traumjob.

2019 gab es eine kleine Revolution am Dom: erstmals Frauen als Domschweizer – Claudia Drolshagen ist Pionierin.

Claudia Drolshagen hat es weit gebracht. Viel weiter, als sie es für möglich gehalten hätte. 2019 gehörte sie zu den ersten vier Frauen, die am Kölner Dom als Domschweizerinnen eingestellt wurden. Das war schon eine kleine Revolution damals, vor sechs Jahren. Eine Männerdomäne wurde damit aufgebrochen. Und für Claudia Drolshagen erfüllte sich ein Traum. Arbeiten am Dom, am Weltkulturerbe, am Kölner Wahrzeichen. Und für die gläubige Katholikin auch wichtig: „Ganz nah dran an der Liturgie.“

Sie war damit Pionierin, eine Wegbereiterin. Domschweizerinnen sind heute ein gewohnter Anblick am Dom. Viel ist passiert, seit dem Claudia Drolshagen damals unter großem Medieninteresse ihren ersten Dienst antrat. Der Dom mag der alte geblieben sein, aber die Welt drumherum hat sich verändert. Auf manches Erlebnis hätte Claudia Drolshagen gut verzichten können. An andere denkt sie mit einem Schmunzeln gerne zurück. Wie an den Tag, an dem sie als Domschweizerin einen unerwarteten „Karrieresprung“ machte: als sie in den Status einer „roten Göttin“ erhoben wurde.

Claudia Drolshagen macht nicht viele Worte darüber, aber leicht war es sicherlich nicht, als eine der ersten Frauen im Gewandt der Domschweizer. Die „Wächter“ des Doms gelten traditionell als etwas ruppig – diplomatisch ausgedrückt: als durchsetzungsstark. Was sie wohl auch sein müssen in ihrem Job. Da mussten die Frauen erst einmal ihre Position behaupten. Doch das war gestern. Heute sagt Drolshagen im schönsten rheinischen Singsang: „Wir tun den Kerlen gut. Ich glaube nicht, dass die uns wieder weghaben wollen.“ Sicherlich auch deshalb nicht, weil die Männer erkannt haben, dass es bei Zwischenfällen mit Frauen von Vorteil sein kann, das Domschweizerinnen eingreifen können.

Manches ist kaum zu glauben

Was beileibe nicht heißen soll, dass Drolshagen und ihre zurzeit fünf Kolleginnen in dem aktuell 26-köpfigen Team Sonderaufgaben hätten. Wie die Männer so bekommen auch sie die ganze Breitseite dessen ab, was sich im Dom so tagtäglich abspielt – im Guten wie im Schlechten. Um mit dem Schlechten anzufangen: Drolshagen ist – wie gesagt – gläubige Katholikin. Dennoch sei einiges von dem, was sie bei den Besucherströmen zu Gesicht bekommt für sie „kaum zu glauben“. Da gebe es Menschen, die ihr Hündchen aus dem Weiwasserbecken trinken lassen. „Wenn Weihnachtsmarkt ist, will auch schon mal jemand mit einem Glas Rotwein in den Dom rein“, berichtet sie weiter. Die Geschichten mit den Exkrementen will sie gar nicht erst ausführen. Ihre Verantwortung und die ihrer Kollegen geht sogar über den Dom hinaus. „An den Eingängen haben wir auch immer einen Eimer mit Löschwasser griffbereit stehen – wenn draußen wieder ein Mülleimer brennt.“ Doch bei all diesen Herausforderungen ist ihr vor allem eins wichtig: „Bei der Vielzahl der Besucher sind die allermeisten echt nett.“ Das Positive überwiegt im Dom deutlich. Deshalb ist Drolshagen ja auch vom ersten Tag ihres Dienstes an dabeigeblieben.

Claudia Drolshagen

Claudia Drolshagen

Und dann gab es da dieses Weihnachten, das den Dienst der Domschweizerinnen und Domschweizer nachhaltig verändert hat. 23. Dezember 2023: Terrorwarnung für den Dom. Der Staatsschutz hatte ernst zu nehmende Hinweise, dass ein Anschlag auf die weltberühmte Kathedrale geplant sein könnte. „Das war schlimm“, sagt Drolshagen. So vollmundig sie sonst von ihrem Job am Dom berichtet, wenn ihr die Bilder von vor zweieinhalb Jahren wieder vor Augen stehen, wird sie einsilbig. Sie hatte am ersten Weihnachtstag Dienst: „Die Polizei, die Zelte, das hat mich erschüttert.“ Die Gottesdienstbesucher mussten damals durch Sicherheitsschleusen gehen. Taschenkontrollen und Leibesvisitationen. Vor dem Gotteshaus standen Polzisten mit Maschinengewehren im Anschlag. Danach änderte sich einiges in ihrem Job.

Vor 2023 riefen die „Domwächter“ nur Stopp, wenn jemand mit einem großen Koffer in den Kirchbau wollte. Heute sind auch Rucksäcke Tabu. Der Dienst am Hauptportal ist anstrengender geworden. In der Hochsaison kommen zwischen 20.000 und 40.000 Besucher an einem Tag. „Das geht dann wie an der Perlenschnur. Ich kann die Menschenmenge nur noch abscannen“, sagt Drolshagen. Am Ende eines solchen Tages brummt schon mal der Kopf.

Die Terrorwarnung machte es deutlich, die Welt befindet sich im Zeitenwandel. Die Menschen werden aggressiver. „Es sind schon Kollegen zu Schaden gekommen“, berichtet Drolshagen. Mittlerweile hat jede Domschweizerin, jeder Domschweizer ein Training in effektiver Selbstverteidigung durchlaufen. Anwenden musste Drolshagen diese Techniken noch nicht. „Ich finde aber gut, dass ich weiß, wie es im Notfall geht.“

Das Negative ist die Ausnahme

Das alles klingt nach keinem leichten Job. Warum macht die 61-Jährige dennoch an zwei bis drei Tagen diesen Schichtdienst? Weil das Negative eben die Ausnahme ist, das Schöne überwiegt deutlich. Und das Schöne geht bei Drolshagen oft mit Musik einher. „Ich liebe die 10-Uhr-Messen am Sonntag, wenn die Chöre singen“, schwärmt sie. Wenn sie nach vier Wochen Urlaub wieder zum Dienst antrete „und wenn dann die Orgel braust – das finde ich toll“.

Und dann sind da die vielen Besucher, die mit großen Augen in diese mächtige Kathedrale kommen und sich von der Wucht ihrer Schönheit überwältigen lassen. Und manche der Reisenden aus fernen Ländern wissen nicht immer die Frauen und Männer in den Roben der Domschweizer richtig einzuschätzen. „Da gibt es schon mal einige, die wollen, dass ich sie segne“, lacht Drolshagen. Und so kam es auch, dass sie auf einmal die Karriereleiter in schwindelerregende Höhen katapultiert wurde. „Mir war am Eingang ein kleines Mädchen mit einem Luftballon durchgegangen. Als sie damit einem meiner Kollegen in die Arme lief und er sie darauf aufmerksam machte, der Luftballon sei eigentlich nicht üblich in einer Kirche, zeigte sie mit dem Finger auf mich: ,Die rote Göttin hat es mir erlaubt.“

Was will man mehr? Obwohl, gäbe es tatsächlich etwas, was sich Drolshagen bei ihrem Dienst als Domschweizerin noch wünschen würde? Ja, einen Wunsch gibt es da tatsächlich: „Den Decke Pitter läuten, das würde ich mal gerne machen. Aber die lassen mich nicht“, lacht Drolshagen aus vollem Herzen.