Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Aktion gegen MissbrauchWarum der Kölner Dom in Strick-Schals eingewickelt wird

3 min
Der Verein „Space Lama“ organisiert eine bundesweite Aktion. Stolz darauf sind auch der Vorstandsvorsitzende Fahramars Engelhardt (l.) und Gründungsmitlied David Hartung.

Der Verein „Space Lama“ organisiert eine bundesweite Aktion. Stolz darauf sind auch der Vorstandsvorsitzende Fahramars Engelhardt (l.) und Gründungsmitglied David Hartung.

Die Aktion am 2. November hat einen ernsten Hintergrund: Sie soll dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt dienen. 

„Man geht davon aus, dass pro Klassenzimmer ein bis zwei Kinder in Deutschland von sexualisierter Gewalt betroffen sind“, sagt Fahramars Engelhardt vom gemeinnützigen Verein „Space Lama“, der sich bundesweit gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen einsetzt. Allein im vergangenen Jahr registrierte das Bundeskriminalamt 16.354 Fällen des sexuellen Missbrauchs bei Kindern – 1191 Fällen bei Jugendlichen.

Der 18. November ist der „Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“. An diesem Tag wird „Space Lama“ in Berlin eine Menschenkette bilden, um einen eigens für diese Aktion gestrickten riesigen Schal um den Bundestag zu halten. In ganz Deutschland hat der Verein kostenlose Stricksets und über Spenden gesammelte Wolle ausgegeben.

„In Köln ist der größte Anteil entstanden, deswegen wollten wir den Kölnerinnen und Kölnern die Möglichkeit geben, ihren Schal hier zu präsentieren“, sagt Engelhardt, der Vorstandsvorsitzende von „Space Lama“. Deshalb wird der aktuell 500 Meter lange Schal bereits am kommenden 2. November um 12 Uhr um den Kölner Dom „gewickelt“. „Wir rechnen mit insgesamt 600 Metern allein aus Köln und in Berlin insgesamt mit bis zu 2000 Metern“, freut sich Engelhardt.

Hohe Dunkelziffer an Betroffenen vermutet

Laut Engelhardt sei das Thema sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Deutschland immer noch ein Tabu und zu wenig sichtbar: „Ein Teil der Lösung ist, dass mehr Menschen hinschauen und dann auch einschreiten.“ Es gebe Anzeichen, denn oftmals gehe Missbrauch mit Verhaltensänderungen der Kinder einher. Lehrkräfte, Bekannte und Familienmitglieder bemerken diese zwar oft, aber können den Grund nicht erkennen: „Das kann aggressives Verhalten sein, aber auch, dass Kinder sich zurückziehen und apathisch zeigen.“

Engelhardt vermutet, dass insbesondere die Dunkelziffer von betroffenen Jungen sehr hoch sein könnte. Scham spiele dabei eine große Rolle: „Ängste, wie ‚Wenn das einer mitkriegt, werde ich nicht mehr als Mann gesehen‘ und das ansozialisierte Fehlen von emotionaler Intelligenz bei Jungs können dazu führen, dass diese den Missbrauch eher verschweigen. Wo nicht über ein Problem geredet wird, entstehen Räume für Täter.“

Um Sichtbarkeit für den Missbrauch an Kindern zu schaffen, hat sich der Verein „Space Lama“ gegründet, in dem Engelhardt seit Ende seines juristischen Referendariats im Vorstand tätig ist. Doch auch die Geburtsstunde des Vereins hat er miterlebt – ein Schulfreund von ihm habe auf den Philippinen damals in einem gemeinnützigen Verein gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen gearbeitet und wollte auch in Deutschland weiter dagegen ankämpfen. „Ich war damals noch in meinem Jura-Studium, und er hat mich um Rat gebeten“, erzählt Engelhardt. Das war vor fünf Jahren, heute arbeitet er als Anwalt in Vollzeit und engagiert sich ehrenamtlich bei „Space Lama“. 

Entstanden sei die Idee der Strick-Aktion nach italienischem Vorbild. Als die Heimatstadt des Vereins, Homburg, von ihrer Partnerstadt im Süden anlässlich des „Tags gegen Gewalt an Frauen“ einen roten Schal zugeschickt bekam, revanchierte sich eine Strickgruppe von „Space Lama“ mit einem Wollexemplar. Man habe sich die Aktion aus Italien zum Vorbild genommen, weil sie „das Thema zugänglich gestaltet und trotzdem ein positives Setting schaffen wollten, ohne zu verharmlosen.“


Wer noch mitmachen möchte, kann bis einschließlich Donnerstag, 30. Oktober, ein kostenloses Strickset im Allerweltshaus, Geisselstraße 3-5, in Ehrenfeld abholen. Bis zu diesem Tag können dort auch noch Schals abgegeben werden, die für die Kölner Menschenkette am 2. November genutzt werden. Bis zum 7. November können noch Schals eingereicht werden, die dann mit nach Berlin reisen. Die Schals müssen 15 cm breit und kraus rechts gestrickt sein. Alle Infos online.