Gesundheitsdezernent Harald Rau hatte sich in der Kölnische Rundschau für Zentren auch am Neumarkt ausgesprochen.
Drogenszene NeumarktDebatte um drei Suchthilfezentren - „Es geht um Ersthilfe“

Drogenabhängige an der Lungengasse.
Copyright: Meike Böschemeyer
Der Vorstoß von Gesundheitsdezernent Harald Rau, drei neue Suchtzentren einzurichten, hat teils scharfe Kritik ausgelöst, aber auch Zustimmung gefunden. Der Beigeordnete hatte im Rundschau-Gespräch dafür plädiert, auch am Neumarkt eine solche Hilfsmöglichkeit einzurichten. Dafür müsse auch eine schnelle Interimslösung in Betracht gezogen werden. Regelrecht entsetzt reagierte Walter Schuch, Sprecher der Bürgerinitiative Neumarkt. „Herr Rau hat 2016 den Auftrag bekommen, dezentrale Hilfszentren zu organisieren.“ Mit dem Drogenkonsumraum am Neumarkt habe er das Gegenteil getan. „Alle Warnungen von uns wurden ignoriert.“ Schuch betreibt ein Sanitätsfachgeschäft nahe dem Neumarkt und dem Josef-Haubrich-Hof. Sein Geschäft liege im „Epizentrum“, sagt er. Es sei Alltag, dass Konsumierende und Obdachlose vor oder in dem Eingang des Geschäfts liegen. „Offenbar müssen wir das so hinnehmen.“
Das sind Menschen, die völlig verwahrlost sind. Die lässt schon heute der Sicherheitsdienst nicht in den Drogenkonsumraum.“
Doch Schuch will es nicht weiter akzeptieren. „Die Menschen liegen hier auf den Bürgersteigen, da geht es um Ersthilfe.“ Er spricht von einem „ideologiegetriebenen Konzept“, das eins völlig ausblende: dass die meisten Süchtigen gar nicht im Zustand wären, einen Konsumraum zu betreten. Es gehe um schwerst zerstörte Persönlichkeiten, die klinisch behandelt werden müssten. „Das sind Menschen, die völlig verwahrlost sind. Die lässt schon heute der Sicherheitsdienst nicht in den Drogenkonsumraum.“

Die Tiefgarage Cäcilienstraße
Copyright: Meike Böschemeyer
Deutlich Position bezieht auch Polizeipräsident Johannes Hermanns: Ein Drogenkonsumraum müsse es der Polizei auch ermöglichen, die potenziellen Konsumenten zur Ruhe kommen zu lassen. „Der Neumarkt und sein Umfeld bieten aber genau diese Möglichkeiten nicht“, sagte Hermanns. „Straftaten, Ordnungsstörungen, Belästigungen, Verwahrlosung und vieles mehr lösen in erheblichem Umfang und ganztägig polizeilichen Interventionsbedarf aus.“ Tatsächlich bestehe dringender Handlungsbedarf zum Wohl der Menschen, die im Umfeld des Neumarkts leben und arbeiten, so der Behördenleiter. „Auch aus polizeilicher Perspektive benötigen wir dringend Suchthilfeangebote und Konsummöglichkeiten für Schwerstabhängige in sauberer Umgebung. “ Dazu gebe es gute Gespräche mit der Stadtverwaltung, auch über Alternativen zum Neumarkt und seinem Umfeld. Neben dem Betrieb von Drogenkonsumräumen sollen diese auch dazu beitragen, „die Belastungen der Öffentlichkeit durch konsumbezogene Verhaltensweisen“ zu reduzieren, sagte Hermanns auf Anfrage der Kölnischen Rundschau.
Alles zum Thema Polizei Köln
- Drogenszene in Köln Das sagen die OB-Kandidaten zu den Plänen für den Neumarkt
- „Es ist nicht mehr zu ertragen“ IG Neumarkt beklagt massive Zunahme der Drogenkriminalität
- Spritzen, Urin, Kot „Ekel-Parkhaus“ am Neumarkt sorgt für Beschwerden – Stadt warnt vor Nutzung
- Prozess in Köln Verwirrter Mann legt Feuerspur in Dünnwald – Einweisung droht
- Aus heißem Auto Kölner Polizistinnen retten kleine Katze vor Hitzetod
- Neue Prozesstermine Mutmaßlicher Drahtzieher des Kölner Drogenkriegs weiterhin nicht angeklagt
- Kölner Ex-AfD-Politiker Roger Beckamp prüft Schritte gegen Verfassungsschutz-Gutachten
Den Neumarkt sieht er dafür nicht als richtigen Ort: „Ich gehe daher davon aus, dass wir wie vereinbart gemeinsam weiter nach alternativen und aus polizeilicher Sicht besser geeigneten Standorten suchen.“ Es sei Aufgabe der Polizei, für Sicherheit zu sorgen und Straftaten zu unterbinden. „Diesen Auftrag nehmen wir sehr ernst. Wegsehen beim Drogenhandel und der Beschaffungskriminalität ist keine Option.“ Die CDU stellte sich klar gegen Rau: „Schön, dass auch der grüne Gesundheitsdezernent Harald Rau endlich aufwacht und bereit ist, seine gescheiterte Drogenpolitik am Neumarkt zu korrigieren“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz. Das Konzept komme aber viel zu spät, springe viel zu kurz.
Fraktionschef Bernd Petelkau ergänzte: „Eine Containerlösung am Josef-Haubrich-Hof – direkt gegenüber von Museen, Stadtbibliothek und VHS – ist mit uns nicht zu machen. Das wäre ein vollkommen falsches Signal an Anwohner, Kulturbesucher und Familien.“ Die Polizei müsse vielmehr konsequent gegen den offenen Drogenhandel rund um den Neumarkt vorgehen. Das Beispiel Düsseldorf zeige, „dass die Polizei die vollständige Zerschlagung des Drogenhandels durchaus konsequent verfolgen kann“.
SPD will City-Wache
Die FDP begrüßte, „dass Rau nun drei neue Drogenhilfeeinrichtungen rund um den Neumarkt plant“, Das Konzept greife aber nicht weit genug (siehe auch Infotext). Für die SPD erklärte Fraktionschef Christian Joisten: „Es braucht eine Politik, die Sicherheit und Sauberkeit in allen Veedeln durchsetzt. Deshalb fordern wir eine City-Wache in der Innenstadt und neue Drogenkonsumräume nach dem Zürcher Modell.“ Die SPD will im kommenden Hauptausschuss einen Antrag vorlegen, um einen besseren Standort für den jetzigen Drogenkonsumraum am Neumarkt zu finden und weitere Standorte in Mülheim, Kalk und im Linksrheinischen schnell zu eröffnen. Seit Wochen wird über eine angemessene Vorgehensweise am Brennpunkt Neumarkt diskutiert. Vor allem die extreme Zunahme des Crack-Konsums unter Abhängigen hat zu sehr starken Belastungen für die Anwohner und Händler geführt. Das Zürcher Modell sieht mehr Angebote in Schutzräumen vor, aber auch Repression gegen Kriminalität auf der offenen Straße. Die Politik soll nach der Sommerpause über die Initative beraten.