Kölner Bläck Fööss„Es ist wie in einer Ehe“

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Bömmel Lückerath und Erry Stoklosa von den Bläck Fööss.

Bömmel Lückerath (l.) und Erry Stoklosa hören nach 52 Jahren bei den Bläck Fööss auf.

Das Silvesterkonzert in der Arena wird der Schlusspunkt in der Laufbahn der Bläck Fööss-Mitbegründer Bömmel Lückerath (73) und Erry Stoklosa (75). Im Interview erzählen sie von den schönsten Erlebnissen, schwierigen Phasen und Zukunftswünschen.

Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist, heißt es. Mit dem Silvesterkonzert auszusteigen, war eine bewusste Entscheidung?

Bömmel Lückerath: Ja, das ist der Jahresabschluss. Der Höhepunkt.

Erry Stoklosa: Wir wollten das Jahr beenden und nicht einfach mittendrin aufhören.

Ist es denn auch der perfekte Zeitpunkt?

Lückerath: Erry wollte immer mit 75 aufhören, ich ebenfalls. Bedingt durch meinen Schlaganfall vor drei Jahren bin ich gehandicapt. Von daher ist es der richtige Zeitpunkt und wir hören gemeinsam auf. Tatsächlich fühle ich mich gesundheitlich ziemlich beeinträchtigt.

Stoklosa: Mein Plan war immer, zum 50. Bandjubiläum aufzuhören. Die Konzerte auf dem Roncalliplatz genießen, das Jahr zu Ende bringen. Und fertig. Aber dann kam Corona und ich hatte mir vorgenommen, bis zu meinem 75. Geburtstag weiterzumachen. Vorab hatte ich der Band schon mitgeteilt, dass ich die Karnevalssession nicht mehr mitspielen wollte, weil mir 170 Auftritte in sechs Wochen zu anstrengend sind, zu stressig. Nach dem dritten Konzert auf dem Roncalliplatz habe ich abends im Bett gelegen und gedacht: Was soll jetzt noch kommen? Das war nicht mehr zu toppen. Ich dachte: Hör auf, mach Dir noch eine schöne Zeit.

Sie müssen sich seit 1999 keine Gedanken mehr über die Silvesterplanung machen. Ist das Fluch oder Segen?

Lückerath: Das war anfangs nicht unproblematisch gewesen. Ich war zum Jahreswechsel immer im Skiurlaub. Dann musste ich meine Skigruppe 20 Jahre lang allein lassen.

Stoklosa: Und das hat einmal böse geendet. Du hast Dir die Schulter gebrochen.

Lückerath: Ach ja. Einmal in 20 Jahren.

Stoklosa: Ich wollte in der Band ja immer ein Skiverbot aussprechen, weil anschließend die Session losging.

Welchen Anteil hatten Sie eigentlich daran, dass Tommy Engel beim Jubiläumskonzert auf der Bühne stand.Sie haben immer noch guten Kontakt.

Stoklosa: Wir haben das in der Band besprochen und haben ihn gefragt. Das war dann sehr schnell entschieden, überreden musste ich ihn nicht. Am Ende ging es nur darum, wer unserer Gäste welche Lieder singt. Das war nicht so einfach.

52 Jahre lang für die gleiche Firma zu arbeiten, ist eine beachtliche Leistung. Was war das Erfolgsgeheimnis?

Stoklosa: Das ist wie in einer Ehe. Es gab Gruppierungen innerhalb der Band, aber vielleicht waren die Reiberein das Salz in der Suppe. Letztendlich hat es glaube ich eine große Rolle gespielt, dass niemand finanziell bevorteilt wurde, es gab immer eine Gleichbehandlung für alle. Es gab viele Auf und Abs. Nach dem Ausstieg von Tommy Engel hatte keiner mehr einen Cent auf uns gesetzt.

Hatten Sie selbst Zweifel?

Lückerath: Wir hätten uns nicht getrennt, wenn wir ein Weitermachen nicht für möglich gehalten hätten. Das war ein harter Einschnitt, aber die guten Lieder, die dann kamen, haben uns natürlich geholfen: Et Bickendorfer Büdche, Ruut un wieß, der Stammbaum, Kölner Lichter. Und so weiter. Wir waren mental stark genug, um das zu bewältigen.

Stoklosa: Das war die kritischste Phase. Auch für mich persönlich. Wenn der Frontmann und Hauptsänger weg ist, was dann? Die Lieder haben wir verteilt. Als ich in der Session zum ersten mal ans Mikrofon musste, um vorne den Engel-Clown zu spielen, habe ich mir fast in die Hose gemacht.

Bei dem Jubiläumskonzert ist an viele Wegbegleiter erinnert worden. Nur nicht an Hans Knipp, der ja viele wichtige Lieder für die Fööss geschrieben hat. Ein Versehen?

Stoklosa: Das ist hinterher moniert worden, zu Recht. Uns ist es auch aufgefallen, es sind auch noch andere Dinge untergegangen.

Lückerath: Irgendwo muss man eine Grenze ziehen, alles bekommt man nicht unter. Aber ich spiele auch noch in einer Formation, die sich „Die Knippschaft“ nennt. Wir gedenken ihm gebührend mit seinen Liedern, vor allem mit den historischen Titeln wie „Fischers Köbes“ oder der „Schlacht von Worringen“.

Sie haben Ende der 1960er Jahr in den Beat-Gruppen mit der Musik begonnen, bei den Stowaways und Sandwich. Mit diesen Bands haben Sie Tanzmusik gespielt, unter anderem im legendären Rheinhotel in Porz. War diese stilistische Vielfalt von Polka bis Cha-Cha-Cha das Erfolgsgeheimnis der Fööss?

Lückerath: Die Vielseitigkeit haben wir uns bewahrt. Wir musten alles spielen, Pop und Schlager, wir waren uns für nichts zu schade und hatten keine spezielle Ausrichtung. Wir haben alles gespielt. Das war richtig, wir konnten viele Stilrichtungen umsetzen.

Stoklosa: Unser Bassist Hartmut Priess hat auf diese Frage mal geantwortet, dass wir keinen festgelegten Stil haben. Denn die Musik war für uns immer Transportmittel für schöne Geschichten. Die Nummer „Damenwahl im Stammlokal“ ist Tango, „Kaffeebud“ ist Cha-Cha-Cha.

Das Liedrepertoire der Band ist nach 52 Jahren gigantisch. Durften Sie selbst für ihr letztes Konzert Liedwünsche äußern?

Lückerath: Ja, das durften wir. Ich habe mir einige Lieder ausgesucht, nämlich „Roxy“, „Schäl Sick“, „Kölschglas“, „Moni hat geweint“ und , „He deit et wih un do deit et wih“. Letzteres war uns wichtig, weil es uns alle betrifft.

Herr Stoklosa, Sie haben oft erzählt, zu Zeiten der Beat-Gruppen Kauderwelsch gesungen zu haben, weil sie die englischen Texte nicht immer verstanden haben. Beispielsweise bei der Beatles-Nummer „I want to hold your hand“. Seit wann können Sie den richtigen Text?

Stoklosa: Eigentlich erst seit ein paar Jahren. Meine Partnerin spricht sehr gut Englisch und wir hören regelmäßig WDR 4. Wenn sie mitsingt, höre ich viel bewusster hin. Ich habe ja bei dem Beatles-Lied nie gesungen „I think you'll understand“, sondern „I see you London stand“. Ich dachte, dass heißt: Ich sehe dich in London stehen. Jetzt achte ich auf den Text.

Vielen Menschen geht das mit der kölschen Sprache ganz ähnlich.

Lückerath: Wir werden bei unseren Nachfolgern auch weiterhin auf ein ordentliches Kölsch achten. Bei den jüngeren Bands ist das ja anders, das ist antrainiertes Kölsch. Wir sind ja noch Muttersprachler.

Es heißt zuweilen, die Bläck Fööss haben die kölsche Sprache in den 1970er Jahren wiederbelebt. Stimmt, oder?

Lückerath: Ja, zumindest für die Jugend. Wir haben die Sprache für die jungen Leute wieder interessant gemacht. Kölsch galt damals als Deppen-Sprache. Wie haben es wieder salonfähig gemacht.

Stoklosa: Meine Mutter sprach ein gutes Kölsch. Mein Vater kam aus Schlesien und wollte mir zuliebe manchmal Kölsch sprechen. Das war nur grausam –eine Mischung aus Hochdeutsch, Oberschlesisch und Kölsch.

Kölscher Gesang bedeutet für die meisten Menschen: Karnevalsmusik. Ein schwer zu knackendes Vorurteil?

Stoklosa: Die Entscheidung für die kölsche Sprache war Fluch und Segen zugleich. Im Karneval gibt es jedes Jahr die Chance, sich neu zu präsentieren. Woanders hast Du einen Hit, ansonsten bist du nach ein paar Jahren wieder weg. Andererseits gibt es dieses Schubladendenken. Aber wo bitteschön sind Lieder wie der „Stammbaum“ oder „Do bes die Stadt“ Karnevalslieder?

Lückerath: Unsere Karnevalslieder lassen sich an einer Hand abzählen. Wir haben Volksmusik gemacht.

Stoklosa: BAP hatte sich vom Karneval losgesagt und war bundesweit erfolgreich. Die 1980er Jahre haben gezeigt, dass dies auch bei uns geklappt hätte. Mit „Frankreich, Frankreich“, „Bye bye my love“ und „Männer“ haben wir bewusst auf schlagereske Nummern gesetzt. Da ist kein kölsches Wort drin. Mit der Entscheidung für die kölsche Sprache war für uns eine regionale Grenze gesetzt.

Zu den musikalischen Ausflügen gehörten auch die Nummer „Homeless“ und die Auftritte mit der südafrikanischen Gruppe „Ladysmith black Mambazo“.

Lückerath: Diese musikalischen Ausflüge haben uns gut getan. Hartmut Priess hat sich früh für diese Musik interessiert, es gab einen Kontakt nach Pretoria in Südafrika. Das ist uns immer gut bekommen.

Bei einem Auftritt in Bonn durften Sie sogar Nelson Mandela die Hand schütteln. Der größte Moment der Karriere?

Lückerath: Ja, das gilt bis heute. Kurz nach seiner Freilassung empfing ihn Willy Brand im Bonner Maritim-Hotel, und wir gehörten neben BAP und Herbert Grönemeyer zum Bündnis „Künstler in Aktion“. Mandela hatte Verspätung und wir hatten gar nicht mehr damit gerechnet, noch auftreten zu können. Als wir dann „Homeless“ sangen, kamen die Mitglieder des Sarafina-Musicals auf die Bühne und sangen mit. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich an diesen Moment denke. Sehr bewegend.

Stoklosa: Das war nicht zu toppen. Wobei wir auch dem Dalai Lama auf der Museumsmeile in Bonn mal die Hand schütteln durften.

Sie hatten beim Sternmarsch am Karnevalsfreitag 2019 einen Schlaganfall erlitten. Wie sehr belasten Sie die Folgen heute noch?

Lückerath: Ich hatte anfangs noch die Hoffnung, dass sich einige motorische Abläufe meines Körpers noch verbessern könnten. Aber das war leider nicht so. Ich kann auf der Gitarre ein bisschen mitschrummen, aber die motorischen Fähigkeiten fehlen, das merke ich beim Picking und beim Greifen. Meine rechte Seite ist stärker betroffen, was ich zu kaschieren versuche. Aber ich muss oft aufpassen, dass ich beim Gehen nicht stolpere. Es wird nicht besser, weshalb ich jetzt aufhöre. Dennoch hatte ich immer noch Glück im Unglück gehabt.

Wie sehr beeinträchtigt das Ihren Traum vom Skifahren?

Lückerath: Voriges Jahr habe ich es nochmal versucht, weil ich absolut verrückt nach dem Skifahren bin. Ich habe es probiert, aber es war schwierig, weil die rechte Seite nicht mehr mitmacht. Dabei habe ich dann im linken Knie einen Meniskusschaden erlitten. Nach Silvester will ich es nochmal versuchen – auf einer ganz ganz flachen Piste. Das muss gehen.

Stoklosa: Ansonsten kann ich Ägypten empfehlen. Dort kann man wunderschön schnorcheln, es gibt nichts Schöneres.

Was muss passieren, damit Sie in zwei Jahren zufrieden den Ruhestand genießen können?

Stoklosa: Zunächst muss mal Ruhe und Frieden auf der Welt einkehren. Es gibt zurzeit sehr viele offene Baustellen . Vermutlich haben wir die schönsten 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erleben dürfen.

Lückerath: Ich denke vor allem an die Gesundheit.

Fühlen Sie sich von manchen Themen eingeholt – zum Beispiel Klimawandel und Umweltschutz?

Stoklosa: Ich glaube, wir müssen uns schon die Frage stellen, ob wir genug getan haben. Wir haben zwar gesungen: Einmol im Jahr kütt der Rhing us dem Bett. Aber mit Liedern lässt sich nicht viel verändern. Aber: Hätten wir mehr tun können. In „Dat Wasser vun Kölle“ singen wir: „Ming Filme entwickel ich ovends im Rhing, dat jeiht janz jot, do is alles drin“. Wir haben viele Protestaktionen unterstützt – mit unserer Musik. Und das war gut.