Tierschützerin Anita Cierzniak„Viele Kinder bekommen zu früh ein Haustier geschenkt“

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Vermittelt seit 25 Jahren Hunden, Katzen und Vögeln ein neues Zuhause: Anita Cierzniak führt den Porzer Tierschutzverein.

  • Anita Cierzniak ist 1. Vorsitzende des Porzer Tierschutzvereins. Der Verein vermittelt Tieren ein neues Zuhause und betreut rund 130 unvermittelbare Tiere.
  • Warum so viele Menschen ihre Tiere weggeben, ist für Anita Cierzniak unbegreiflich. Besonders alte Tiere hätten ein Zuhause nötig.
  • Ob sie die vermittelten Tiere auch selbst aufnimmt und ob sie als Tierschützerin auf Fleisch verzichtet, hat sie im Interview mit Bernd Imgrund verraten.

Köln – Im Büro des Porzer Tierschutzvereins in Grengel führte Anita Cierzniak 25 Jahre lang ihren Blumenladen. Heute dominieren hier nicht mehr Nelken und Tulpen das Bild, sondern Tierbilder und Futtermittel.

Welches Kuscheltier hatten Sie als Kind?

Einen Bären namens Teddy. Und ich darf Ihnen verraten: Den habe ich immer noch, er schläft an meiner Seite.

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Inwiefern sind Kuscheltiere wichtig für Kinder?

Viele Eltern machen den Fehler, Kindern allzu früh ein lebendiges Tier zu schenken. Mit einem Kuscheltier lernen die Kinder Zärtlichkeit und einen liebevollen Umgang kennen. Mit ihrem Betthäschen können sie schmusen, als wenn es lebendig wäre.

Gab es bei Ihnen auch echte Tiere?

Wir hatten alles! Mein Vater war sehr tierlieb und hat alle möglichen Tiere angeschleppt: Hühner, Kaninchen, einmal sogar eine Ziege, die er vorm Schlachter gerettet hatte. In der Poststraße gen Zündorf hatten wir einen großen Garten, aber heute ist dort alles bebaut.

Wen mochten Sie am liebsten?

Vor allem die Hunde. Wir hatten mal einen sehr knuffigen Schäferhund, dessen Öhrchen waren so süß und weich, dass ich da reingebissen habe. Ich wollte ihm nicht wehtun, aber er hat furchtbar gefiepst. Mein Vater hat dann dasselbe bei mir gemacht und gesagt, so, jetzt weißt du Bescheid. Und natürlich habe ich so etwas nie mehr gemacht!

Laufen Sie manchmal Gefahr, die hier vermittelten Tiere selbst aufzunehmen?

Das ist mehr als einmal geschehen. Manchmal hatte ich bis zu fünf Tiere zuhause. Mein Mann ist zum Glück auch sehr tierlieb, aber er meinte irgendwann: zwei darfst du, mehr läuft nicht.

Ich nehme an, Sie haben sich nicht immer an die Absprache gehalten.

Einmal bekamen wir eine kleine Hündin aus Griechenland, ein Chihuahua-Mix. Sie war unglaublich scheu und verkroch sich in die äußerste Ecke. Also nahm ich sie für ein halbes Jahr mit nach Hause, sie war nicht vermittelbar. Ganz allmählich wurde sie zutraulicher, und letztlich haben wir sie dann tatsächlich als dritten Hund behalten. Mein Mann meinte, das sei okay, irgendwie sei der kleine Wuschel ja kein richtiger Hund. (lacht)

Mit Hunden kann man kommunizieren. Sind Hamster nicht vergleichsweise langweilig?

So ein Hamster schläft natürlich viel. Aber wenn die abends aktiv werden, ist das schon ganz niedlich. Klar sollte sein, dass Hamster nichts für Kinder sind.

Finden Sie auch, dass die Namen für Haustiere zuweilen ziemlich albern sind?

(lacht) Ja, denke ich manchmal auch. Neuerdings gibt es viele Pauls und Hugos. Einmal bin ich durch den Wald, da rief einer nach seinem „Rex“. Ich dachte, jetzt kommt ein stolzer Schäferhund angerannt, aber was war es: ein kleiner Rauhaardackel.

Sie hatten lange einen Blumenladen. Blumen sind auch Lebewesen.

Stimmt, und die müssen auch gepflegt werden. Hier in unserem Büro steht eine 25 Jahre alte Wasserlilie, die gedeiht noch immer ganz prächtig. Alle unsere Mitarbeiter kümmern sich um die.

Der Porzer Tierschutzverein arbeitet hier ausschließlich mit Ehrenamtlern.

Wir machen das alle umsonst, und ich freue mich wirklich, dass immer wieder Menschen ihre Hilfe anbieten.

Fast ausschließlich Frauen?

Tja, zu 90 Prozent schon. Aber unser Schriftführer ist ein Mann. Vielleicht müssen Männer noch immer eher das Geld verdienen und haben deshalb weniger Zeit. Aber unsere Männer hier gehen auch sehr liebevoll mit Tieren um.

Zur Person

Anita Cierzniak wurde 1944 in Bayern geboren und kam mit zwei Jahren nach Porz. Sie absolvierte eine Ausbildung als Verkäuferin für Oberbekleidung, schulte jedoch auf Floristin um. 25 Jahre führte sie ihren Blumenladen in Porz-Grengel – Einheimische sagen: „auf dem Grengel“.

Im selben Ladenlokal residiert inzwischen der Porzer Tierschutzverein, dessen 1. Vorsitzende sie seit der Gründung 1995 ist. Der Verein vermittelt Tieren ein neues Zuhause und betreut rund 130 unvermittelbare „Gnadenbrottiere“. Er lebt ausschließlich von Spenden und ehrenamtlicher Mitarbeit. Anita Cierzniak wohnt mit ihrem Mann in Porz-Wahn.

Sie verfügen über kein eigenes Gehege. Wie laufen da Aufnahme und Vermittlung?

Über Pflegestellen. Ein neu aufgenommenes Tier kommt zunächst in einen unserer Pflegehaushalte und wird von dort aus dann in ein neues Zuhause vermittelt. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel 379 Tiere vermittelt, davon 208 Hunde, 72 Katzen und 99 Kaninchen. Hinzu kamen noch 13 Vögel, die in die große Voliere meiner Freundin kamen. Die bleiben dort auch.

Nehmen Sie auch Kühe oder Alligatoren auf?

Dürften wir gar nicht. Bei Reptilien wird der Artenschutz relevant, da können wir nur beratend helfen. Hin und wieder vermitteln wir Papageien, aber normalerweise bleibt es bei den Klassikern: Hunde und Katzen.

Warum geben Menschen ihre Tiere weg?

Traurigerweise hört bei vielen die Tierliebe auf, sobald es um Geld geht. Die bringen ihr Tier zu uns, weil es alt ist, das ist das Allerschlimmste. Diese Tiere verlieren dann ihr Zuhause, wenn sie es am nötigsten hätten und leiden furchtbar darunter. Mir ist unbegreiflich, wie man so grausam sein kann. Aber ich habe den Eindruck, die Menschen werden immer kälter und gefühlloser.

Und alte Tiere sind vermutlich auch viel schwerer vermittelbar.

Die haben kaum eine Chance, die Leute wollen Jungtiere. Aber mein Herz gehört den älteren Tieren, gerade weil sie mir am meisten leidtun. Mich macht auch sauer, wenn Verwandte zwar das Erbe antreten, aber das dazugehörige Tier nicht übernehmen wollen. Wenn die sich mit irgendwelchen Allergien rausreden, höre ich schon gar nicht mehr hin.

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Und ganz am Ende stehen die sogenannten „Gnadenbrottiere“?

Das sind dann die völlig unvermittelbaren Tiere, etwa solche mit Behinderungen. Zur Zeit betreuen wir 130 Gnadenbrottiere, viele davon in unserem Pfötchenparadies in Nümbrecht. Durch eine großzügige Spende konnten wir vor einigen Jahren das Objekt übernehmen. Es wird geleitet von unserer 2. Vorsitzenden, Cornelia Buchholz.

Wie finanzieren Sie diese Unterbringung?

Wir suchen zum Beispiel Paten für diese Tiere. Von den Ämtern bekommen wir keinerlei Unterstützung, uns wird nicht einmal die Hundesteuer für die Gnadenbrottiere erlassen. Sehr traurig!

Wer entscheidet, ob ein Tier eingeschläfert wird?

Unser vierköpfiger Vorstand. Wir überlegen uns das immer sehr genau, und Frau Buchholz hat dafür natürlich einen geschulten Blick. Auch die Einschläferung gehört zum Tierschutz, wenn eine bestimmte Grenze überschritten ist. Trotzdem fließen in so einem Moment immer die Tränen.

Sind schwarze Tiere unbeliebter als weiße?

Schwarze Hunde sind tatsächlich schwerer zu vermitteln, wahrscheinlich aus Aberglaube. Schwarze Katzen wiederum werden zuweilen Opfer von Okkultisten. Auf dem Porzer Judenfriedhof haben wir mal eine getötete Katze gefunden, die wohl im Rahmen einer schwarzen Messe getötet wurde. Ähnliche Meldungen bekamen wir jahrelang, inzwischen ist es ruhiger geworden.

Tragen Sie Pelze?

Um Gottes Willen! Nie im Leben! Meine Mutter hat mal eine Pelzjacke geschenkt bekommen – Waschbär, wunderschönes Fell. Da habe ich gesagt, Mutti, wenn du das Teil wirklich anziehst, gehe ich nie wieder mit dir spazieren. Hat gewirkt, die Jacke war am selben Tag verschwunden.

Und wie halten Sie es als Tierschützerin mit dem Fleischessen?

(lacht) Es fällt mir ehrlich gesagt sehr schwer, ganz darauf zu verzichten. Ich bemühe mich, aber ab und zu gönne ich mir ein schönes Steak. Vom Biometzger natürlich.

Anfang letzten Jahres ging durch die Presse, dass Sie einen Obdachlosen betreuen, der mit seinem Hund im Wald lebt. Was wurde aus den beiden?

Der Willy konnte sich seine Wohnung nicht mehr leisten und bekam wegen der Maja keine neue. So ein Leben wie er da im winterlichen Wald, in einem Erdloch– das kann sich niemand vorstellen. Der Willy ist auf dem Grengel aufgewachsen, und irgendwann fiel mir ein: Da gibt es doch diese Frau, die bei uns Mitglied ist und eine freie Wohnung hat. Da ist er dann tatsächlich eingezogen und wohnt dort bis heute.

Und was wurde dann aus der Maja?

Die lebt tatsächlich auch noch, mit inzwischen 16 Jahren. Die hatte mehrere Schlaganfälle und watschelt halt ein bisschen, und der Willy muss sie die Treppen hoch in den ersten Stock hochtragen. Aber die beiden sind glücklich, einfach traumhaft, dass das geklappt hat!

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