Jessie Maduka ist seit zehn Jahren im Leistungssport und dort vor allem im Weit- und Dreisprung aktiv. Bernd Imgrund sprach mit ihr über die Bedeutung des Sports, mentale Stärke und das Verhältnis zu Düsseldorf.
Kölner Sportlerin Maduka„Ich habe meinen Weg gefunden“

Tempoläufe mag sie, Krafttraining so gar nicht: Jessie Maduka.
Copyright: Nabil Hanano
Was für ein Verhältnis haben Sie zu Sandkästen?
In meinem Kindergarten gab es einen Sandkasten, in dem irgendwer immer Überraschungseier versteckte. Vielleicht die Kindergärtnerinnen. Und heute, in unserer Sandgrube in der Trainingshalle, findet man Unmengen an Kleingeld. Das heißt, bei jedem Sprungtraining habe ich diesen Flashback zum Kindergarten.
Was passiert mit den Münzen?
Irgendwann habe ich angefangen, die mitzunehmen. Einen Euro inEin- und Zwei-Centstücken habe ich sicher schon zusammen. (lacht)
Konnten Sie den Inhalt der Ü-Eier gut zusammenbasteln?
Ich liebe es zu basteln. Neben meinem Schreibtisch stand ein Basteltisch. Ich würde nicht sagen, dass ich super talentiert war oder schöne Sachen gemacht habe, aber es hat mir Spaß gemacht.
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Ich fand auf dem Spielplatz und auch beim Weitsprung in der Schule immer nervig, dass man dann den Sand in den Turnschuhen und Socken hat.
Er landet nicht nur in den Schuhen, sondern überall. Wenn man nach Hause kommt, muss man sich in der Dusche ausziehen, damit der Sand sich nicht in der Wohnung verteilt.
Wurden Sie regelrecht entdeckt?
Ja, mit Neun, bei der Talentiade in Düsseldorf. Da durfte man alle Sportarten ausprobieren. Und da im Publikum saß Wolfgang Vander, der mein erster Trainer wurde. Er hat damals meine Oma und mich angesprochen, ob ich nicht Leichtathletik machen möchte.
Von der Größe her hätten Sie auch Basketballerin werden können.
Meine Hand-Auge-Koordination ist nicht die beste. Ich glaube, ich hätte den Ball nicht immer sauber gefangen und gepasst.
Wie steht es um Ihre Auge-Fuß-Koordination, treffen Sie den Absprungbalken?
Mal besser, mal schlechter. Mittlerweile gibt es einige Wettkämpfe, die statt dem Balken eine Absprungzone einrichten. Da hat man dann 30 bis 50 Zentimeter Platz, und gemessen wird ab dem Fuß.
Was halten Sie davon?
Es macht das Ganze ein bisschen leichter. Die Weiten werden sich nach oben verbessern.
Aber?
Den Balken richtig zu treffen, ist eben auch eine Kunst. Und aus der Zone springen eigentlich für Kinder. Ich denke, dass diese Zone eher dazu dient, Spannung zu erzeugen, weitere und mehr gültige Sprünge zu generieren. Problematisch finde ich auch, dass nicht alle Wettkämpfe über die entsprechende Lasermesstechnik verfügen, das wäre für viele Veranstalter zu teuer.
Sie haben als Sprinterin angefangen, waren mit der Vier-mal-100-Meter-Staffel 2012 Jugend-Vizeweltmeisterin und 2014 Deutsche Jugendmeisterin. Warum haben Sie sich später auf den Dreisprung fokussiert?
Ich hatte beim Springen Knieprobleme und bin 2014 in die USA als Sprinterin gegangen. Dann wurde das Knie besser und ich konnte wieder springen. Dieses Gefühl, durch die Luft zu fliegen, ist toll. Und möglichst schnell rennen tue ich ja auch beim Anlauf.
In die USA sind Sie mit einem Stipendium für die University of California (UCLA) gegangen.
Ich habe dort Psychologie studiert und das in Deutschland bis zum Master fortgesetzt. Für mich war immer klar, dass man von der Leichtathletik nicht leben kann. Deswegen wollte ich einen vernünftigen Studienabschluss.
Was kann man psychologisch betrachtet beim Dreisprung falschmachen?
Sehr viel. Man darf nicht mit zu viel Respekt beziehungsweise mit Angst in einen Wettkampf gehen. Fehlende Konzentration kann zu schlechten Ergebnissen und auch Verletzungen führen. Anlauf und Sprung müssen immer zusammenpassen.
Sind Sie als Psychologin nicht vor Angst gefeit?
Wenn das so einfach wäre, hätte ich einen besseren Anlauf. Mental geht es vor allem darum, durch Routine Sicherheit zu schaffen.
Was haben die ganz Großen, das Sie und ich nicht haben? Also etwa Armand Duplantis, der Stabhochsprung-Champion.
Duplantis hat vor allem sehr früh, schon als Kind angefangen. Das ist auch ein wichtiger Faktor im Dreisprung. Mein Trainer sagt, man braucht sieben Jahre, um richtig springen zu können. Und Verletzungsjahre zählen nicht dazu.
Wie oft trainieren Sie?
Sechs Mal die Woche. Sonntags habe ich frei.
Was macht am wenigsten Spaß?
Viele würden da Tempoläufe nennen, weil die sehr anstrengend sind. Aber das ist tatsächlich eine meiner Lieblingseinheiten, weil man sich da so richtig reinhängen kann. Aber ich hasse das Krafttraining.
Sport dient dazu, uns selbst zu stärken, haben Sie mal gesagt.
Sport ist gesund für die Psyche. Man geht zum Training und merkt, dass die Arbeit Früchte trägt und man sich verbessert. Im Sport immer wieder kleine Ziele zu erreichen, stärkt unser Selbstwertgefühl.
Stichwort „Verbesserungen“: Hatten Sie mal mit Doping zu tun?
Nein.
Was halten Sie von den anstehenden „Enhanced Games“, bei denen die Teilnehmer einnehmen können, was sie wollen?
Nichts! Das setzt ein falsches Zeichen. Man sollte nicht seine Gesundheit aufs Spiel setzen, um das hundertprozentige Leistungsvermögen abzurufen. Sportlerinnen und Sportler sind auch Vorbilder, offenes Doping kann den Nachwuchs verleiten, das normal zu finden.
Und wenn ich Ihnen für die Enhanced Games 50.000 Dollar Antrittsgeld böte?
Dann fehlen mir nachher womöglich zehn Jahre Lebenszeit. Das ist es mir nicht wert.
Arbeiten Sie heutzutage im sportpsychologischen Bereich?
Ich habe ein halbes Jahr tatsächlich als Psychologin gearbeitet. Aber feste Bürozeiten vertragen sich nicht mit dem Leistungssport. Inzwischen habe ich einen Weg für mich gefunden.
Sie sind „Referentin für Betriebliches Gesundheitsmanagement“. Was immer das heißt.
Das bedeutet, dass ich mein Wissen aus dem Master einsetze, um in Unternehmen beziehungsweise über Versicherungen Arbeitnehmende zu beraten. Etwa zu den Themen Stressmanagement und Resilienz.
Empfehlen Sie Dreisprung als Teambuilding-Maßnahme?
(lacht) Das ist nicht mein Feld, ich arbeite mit Einzelpersonen. Und da geht es dann wirklich um Basics wie Atemtechniken oder Entspannungsmethoden.
Sie haben in Köln studiert, sind bei einem Kölner Verein, aber stammen aus Düsseldorf, wo Sie auch wohnen. Was halten Sie vom Gefrotzel zwischen den Städten?
Köln ist mir über die Jahre zu einem schönen Ort geworden. Gefrotzel kann Spaß machen, aber eben nur als Witz, finde ich. Vielleicht ist Düsseldorf ein bisschen spießiger und Köln ein bisschen lockerer. Mehr so typisch rheinisch.
Düsseldorf liegt ja auch namentlich eher an der Düssel als am Rhein.
Tatsächlich wohne ich direkt am Rhein. Es ist einfach schön, am Ufer zu spazieren, dort zu sitzen. Ich liebe Düsseldorf.
Wer ist das ältere Paar auf dem Profilbild Ihrer Facebookseite?
Das sind meine Großeltern. Meine Mutter war alleinerziehend, deshalb hatte ich ein ganz enges Verhältnis zu meinen Großeltern. Mein Opa hat mich immer vom Kindergarten abgeholt und für mich gekocht - typisch deutsche Küche.
Was war Ihr Lieblingsessen?
Eigentlich mochte ich alles. Ich liebe zum Beispiel Schlodderkappes. Das ist Wirsing mit Kartoffeln und Speck untereinander.
Meine Mutter hat mir zum Auszug ein handgeschriebenes Kochbuch ihrer Rezepten gegeben.
So etwas habe ich auch von meinen Großeltern bekommen. Als ich damals in die USA bin, wurden alle Rezepte gesammelt.
Waren Ihnen die Großeltern auch beim Sport eine Hilfe?
Meine Oma hat mich zum Training gebracht und zu Wettkämpfen gefahren. Ich hatte bei meinen Großeltern sogar ein eigenes Zimmer, wo ich einmal in der Woche übernachtet habe.
Vor einigen Jahren habe ich in dieser Interviewreihe mit Charles Friedek gesprochen, dem Dreisprung-Weltmeister von 1999.
Heute ist er mein Bundestrainer. Ich verbinde mit Charles viele Trainingslager, und zwischendurch fällt einem manchmal ein: Der war ja mal Weltmeister! Das schon ganz schön krass.
Sie haben zuletzt an der Weltmeisterschaft in Tokio teilgenommen, sind aber mit 13,47 Metern nicht in den Endkampf gekommen.
Die Weite war furchtbar. Ich war jetzt erst mal zwei Wochen im Urlaub und fange nun mit meinem Trainer an, das zu analysieren.
War das Stadion voll bei den Vorkämpfen?
Ja, weil wir zum Glück eine Abendsession hatten. Die Atmosphäre war völlig anders als dieses Frühjahr bei der Hallen-WM in China. Die Chinesen hatten relativ wenige Vorkenntnisse von der Leichtathletik. Die wussten nicht, wie man anklatscht, und haben ausschließlich ihre chinesischen Athletinnen angefeuert. Das ist eigentlich untypisch in der Leichtathletik. In Tokio hingegen wurden alle unterstützt, das war ein gutes Publikum.
Sind Sie still und im Tunnel vorm Sprung, oder animieren Sie zum Anklatschen?
Kommt immer darauf an, ob ich das Gefühl habe, es würde mir gerade helfen. Wenn ich schon einen guten Sprung hatte, bin ich eher geneigt, die Leute zu animieren.
Wie viele Meter macht welches Bein bei einem 14-Meter-Sprung?
Ungefähr 5-4-5.
Sie landen also nach fünf Metern auf einem Bein und springen weiter. Was passiert da im Körper?
Wenn man alles richtig macht, setzt das Bein so auf, dass es direkt weiter in den nächsten Sprung überleitet. Wenn man es nicht richtig macht, dann merkt man das. Man wird nach unten gedrückt, die Hüfte geht runter, und das Knie knickt ein. Soweit ich weiß, haben Dreispringer eine sehr hohe Knochendichte.
Sie werden also mit jedem Sprung kleiner?
Ich hoffe nicht, aber ich kann mir schon vorstellen, dass die Gelenke auf Dauer angegriffen werden.
Sie starten für einen relativ jungen Zusammenschluss namens Cologne Athletics. Ist das ein richtiger Verein oder eher eine Leistungsgruppe für nationale Stars?
Nicht nur. Es gibt ganz normale Trainingsgruppen, und bei uns trainieren auch viele Jugend- und Kindergruppen. Eine Staffel hatten wir auch am Start dieses Jahr - wie ein richtiger Verein. Trotzdem sind die Cologne Athletics auch eine Art Experiment - ein Startup-Club, wenn man so will.
Inwiefern profitieren Sie davon?
Mein Trainer Ralf Jaros und ich sind als Doppelpack hierhin gewechselt. Der Verein bietet uns eine gewisse Absicherung und finanziert teilweise unseren Lebensunterhalt.
Fünf Mille netto im Monat?
(lacht) Schön wär´s. Aber für eine Leichtathletin ist mein Vertrag durchaus attraktiv.
Bekommen Sie ein festes Gehalt, wie eine Büroangestellte?
Neben den vertraglichen Vereinbarungen gibt es ja auch öffentlich einsehbare Prämien für Starts bei Landesmeisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Und je nach Platzierung bekommt man obendrauf noch eine Prämie.
Sie sind jetzt seit über zehn Jahren Leistungssportlerin. Wie lange kann man so etwas machen?
Ich plane bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles. Dann bin ich 32, ein gutes Alter, um Schluss zu machen.
Was ist Ihr Ziel?
Schön wäre, ins Finale zu kommen. Über 14 Meter zu springen, einfach alles zu zeigen, was ich kann.
Ihre Bestleistung sind 14,15 Meter, der Deutsche Rekord liegt bei 14,61. Wo wollen Sie 2028 landen?
Ich habe da etwas im Kopf. Aber das bleibt da auch, das teile ich nicht.
