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Interview

Kölner Baarkeeper
„Ein Drink muss ein Ziel haben und einem Zweck dienen“

8 min
„Ich wollte nur kurz bleiben“: Der Berliner Stephan Hinz ist in Köln heimisch geworden.

„Ich wollte nur kurz bleiben“: Der Berliner Stephan Hinz ist in Köln heimisch geworden.

Barkeeper Stephan Hinz ist der Erfolgsgastronom des vergangenen Jahres. Mit Bernd Imgrund sprach er darüber, was einen guten Drink ausmacht, wie ein Eiswürfel beschaffen sein sollte und welchen Cocktail er für den Herbst empfiehlt

Mein erstes Mischgetränk war Mezzo Mix. Wie sah es bei Ihnen aus?

Ich erinnere mich an diesen Streuseltee, den man mit Wasser gemischt und aufgerührt hat.

Welche Geschmacksrichtung?

Zitrone.

Waren Sie gut in Chemie?

Sehr gut. In Bio und Mathe auch. Mir gefällt die Logik, die dahinter steckt. Wenn man sie versteht, kann man für sich selbst sehr viel ableiten.

Was hat Chemie mit dem Mixen von Cocktails zu tun?

Das Grundgerüst konnte ich schon brauchen. Aber wenn es um Drinks geht, glaube ich mehr an Harmonielehre, an Cocktail-DNA. Die Geschichte des Drinks geht zurück ins 16., 17. Jahrhundert.

Grundgerüst meint, dass man nie A mit B mischt, während D und C prima zusammenpassen?

Du musst jeden einzelnen Baustein deines Drinks kennen, um das Ganze sauber zusammenzufügen. Bei uns in der Bar geht es nicht um Wissenschaft, sondern um Entertainment. Ein Drink muss ein Ziel haben und einem Zweck dienen.

Was kann dabei schiefgehen?

Einiges! Wenn man sich verquatscht und zu lange rührt, hat der Drink nicht mehr seine Spitze, weil er zu viel Schmelzwasser abbekommen hat. Und wenn du einen simplen Whisky Sour mit drei Tage alten Zitronen machst, hat die Oxidation die erledigt. Dann hat dein Drink kein „Wow“ mehr.

Welchen Whisky nehmen Sie für einen Sour?

Wir benutzen einen Buffalo Trace Bourbon mit 45 Volumenprozent. Hoher Maisanteil, wenig Roggen und Gerste.

„Drink“ geht für alles. Was ist der Unterschied zwischen Cocktail und Longdrink?

Im Cocktail sind viele unterschiedliche Zutaten, die mit einer bestimmten Technik gemischt werden: Shaken oder Rühren zum Beispiel. Ein Longdrink hat demgegenüber eher nur zwei maßgebliche Zutaten. Gin und Tonic etwa. Das ist allerdings sehr vereinfacht. Im 19. Jahrhundert kannte man Dutzende verschiedener Kategorien von Mischgetränken. So würde ein Bartender zum Beispiel auch eher von einem „Highball“ sprechen statt von einem Longdrink.

Sie übertragen „Techniken aus Sterneküche und Parfümerie auf die Bar“, hat jemand geschrieben.

Man hat heutzutage die Möglichkeit, Geschmäcker, Aromen, Tinkturen zu komprimieren und einzubinden. Nehmen wir allein mal die Perkolation, also die Aromatisierung über Alkoholdämpfe. Ich bin gelernter Restaurantfachmann und habe auch in Küchen gearbeitet. Ich weiß, wie man aus der Küche heraus Texturen, Farben, Formen und Intensitäten auf den Teller bringt. Und das hilft mir auch in der Bar.

Sie waren schon 2010, mit 23 Jahren, Deutscher Cocktail-Meister. Wissen Sie noch, mit welcher Kreation?

Mit Atomlimo. Ich habe einen Horse's Neck als Basis genommen, einen Klassiker der Barkultur, der aus Whiskey, Ginger Ale und Bitters besteht. Dieses Grundgerüst habe ich mit PX-Sherry, Apfel und Ingwer weiterentwickelt. Das Ganze wurde dann serviert in einem Marmeladenglas. Der frische Ingwer hat in dem Gefäß natürlich nachgezogen und dem Drink im Verlauf noch etwas Schärfe gegeben.

2019 wurden Sie in Kuba zum Best Innovator der Havanna Club Bar gekrönt.

Toll, dass wir das aus dieser kleinen deutschen Bubble heraus geschafft haben. Ich will immer zeigen, dass eine Bar mehr ist als nur ein Wohnzimmer oder eine Trinkstätte. Wer ganzheitlich denkt, kann viel breiter und größer planen.

Was haben die Kubaner Ihnen gezeigt?

Lebensfreude und Genügsamkeit. Aber am faszinierendsten fand ich die alten US-Limousinen auf den Straßen in Havanna.

Sie haben Ihre erste Kölner Bar, das Little Link schon mit Mitte 20 eröffnet. Da habe ich noch studiert.

Ich hatte einen Gastronomie-Papa. Er hat mich einmal durch die Welt getragen, da kriegt man viel mit. Vor 13 Jahren steckte die hiesige Barkultur noch in den Kinderschuhen. Alle meinten: Das kannst du nicht machen. Kein Mensch trinkt einen Currywurst-Cocktail oder einen Coquetier – das war ein Drink, den wir in einem ausgehöhlten Ei im Eierbecher serviert haben.

Als Sie 2002 nach Köln kamen, haben Sie auch eine Weile hinter der berühmten Theke von Harry's New-York Bar im Dorint Hotel gearbeitet.

Ich war nur für einen Quickie dort. (lacht) Die Bar ist weltbekannt, da wollte ich natürlich hin. Aber da passierte dann viel Party und Karneval, da wurde viel Bier gezapft. Für einen Mixer war zu wenig zu tun.

Im Rahmen Ihrer Caterings bedienen Sie auch Stars. Was trinken die so?

Naomi Campbell hat einen Drink mit Kokosnusswasser und fermentierten Ananas geordert. Bei Jean-Claude van Damme hätte ich einen rauchigen Whisky erwartet. Aber der harte Fighter wollte einen Creme-Likör auf Eis. (lacht)

Meine Eiswürfel zuhause sind rund. Welche Form bevorzugen Sie?

Schön, Sie haben sich Gedanken gemacht. Sie wollen keine Fingerhüte in Ihrem Glas haben. Bei einem Eiswürfel kommt es darauf an, dass er saubere Kanten hat und voll ist. Wir verwenden drei Eiswürfelformen und in den meisten Fällen den großen Cube mit 5,1 mal 5,1 Zentimetern. Der gibt dir alles, was du brauchst: Transparenz, Temperaturbeständigkeit und wenig Schmelzwasser. Die Eis-Stange wiederum schafft eine gewisse Klarheit und lässt dir viel Platz. Ich sage immer, die Kohlensäure muss tanzen können.

Sie setzen auf selbstgemachte Zutaten. Was ist besonders aufwendig?

Wir haben schon alles Mögliche ausprobiert: von Steinpilz-Bourbon über Heu-Essenz bis zum Brombeer-Kaviar. Ein Drink, der uns schon ewig begleitet, ist der Raspberry Ginger Collins. Die Himbeeren kochen wir einmal auf und passieren sie. Das frische Himbeermus versetzen wir mit Vanille und Kardamon und kochen es nochmal auf. Nach dem Herunterkühlen wird mit Zitrone und Zucker abgerundet. Aufwendig, aber eben auch einmalig in Farbe, Geruch, Textur und Geschmack. Im fertigen Drink kommen dann noch Gin und Ginger Beer dazu.

Was kann die Limette gegenüber der Zitrone?

Wer eine robuste Säure haben möchte, bissig und klar und mit etwas mehr Bitterkeit, greift zur Limette. Zitronen werden unangenehm bitter, wenn man sie zu lange stehen lässt oder im Kühlschrank lagert. Generell gilt: Zitrusfrüchte brauchen Entspannung. Wenn sie warm sind, geht der Saft in die Frucht und das Bittere in das Weiße.

Was erwidern Sie auf auf die Behauptung, Cocktails ohne Alkohol seien Geldverschwendung?

Wir kennen diese ganzen Saftschorlen, aromatisiertes Wasser nenne ich die. Es gibt auch vorgemixte Spirituosen, die mit exorbitanten Preisen um die Ecke kommen, aber wenig bringen. Jeder ist sein eigener Richter, aber ich sage: Wenn alkoholfreie Drinks, dann müssen sie raffiniert gemacht sein.

Was trinken Sie zu Hause, Bier oder Wein?

Gestern war es auf jeden Fall Bier. Und vorgestern Wein. Da habe ich keine Regel. (lacht)

Darf man Cocktails durcheinander trinken?

Klar, warum nicht? Wenn ich bei uns zu Hause einlade, gibt es drei Typen von Drinks: einen herben und trockenen, einen leicht floralen, gefälligen und einen mediterranen und frischen. Mich persönlich kann man auch mit einem Manhattan oder einem Negroni als Starter verführen. Aber ich schätze auch eine gepflegte Gin Daisy oder einen Tom Collins.

So etwas Schnödes wie ein Caipi kommt Ihnen nicht auf den Tisch?

Wenn er gut gemacht ist, durchaus: schöne, gut geschnittene Limette, weißer Zucker, richtiger Cachaça, volle Eiswürfel!

2024 waren Sie Deutschlands „Erfolgsgastronomen des Jahres“. Was bedeutet Ihnen so ein Titel?

Das ist der Lohn für jahrelange Arbeit, auch für das ganze Team und für unsere Beständigkeit. Ich bin zum Beispiel stolz darauf, dass mein Mixer Lars vom Tag 1 an bis heute im Little Link arbeitet. Auch den dritten Laden, das Punky Panda in der Südstadt, haben wir als Team konzeptioniert. Ich war oft beruflich in Asien unterwegs, und jetzt präsentieren wir hier unsere eigene asiatische Küche.

Sie gehen stramm auf die 40 zu. Kennen Cocktail-Mixer Alterskrankheiten?

Abends dimmen wir hier das Licht runter. Je dunkler es wird, desto schlechter sehe ich. Und auch die Schnelligkeit lässt nach. Mit 25 konnte man schneller und fitter mixen. Aber ich habe ja junge Mitarbeiter. (lacht)

Sie sind in Berlin aufgewachsen. Warum bleiben Sie in Köln?

Ich bin damals gekommen, um kurz zu bleiben. Köln ist schuld, dass daraus viele Jahre wurden. Köln hat gute Menschen, man kommt schnell ins Gespräch. Die Frage, ob ich bleiben soll, habe ich mir nie gestellt. Ich bin hier einfach angekommen. Die Stadt könnte ein bisschen sauberer sein, okay. Aber inzwischen bin ich sogar FC-Fan und wohne in Müngersdorf.

Bald beginnt der Herbst. Haben Sie ein passendes Cocktail-Rezept für uns?

Nehmen wir etwas Einfaches, das sich gut zuhause nachmachen lässt. Den Negroni kennen sicher einige als Klassiker. Im Herbst reichere ich ihn gerne durch unseren orientalischen Amaro mit Noten von Bitterorange, Safran, Chili und Ingwer an. Für den Oriental Negroni nimmt man einfach 30 ml Gin, 30 ml Camela und 30 ml süßen Wermut und gibt das mit Eiswürfeln in ein Glas. Kurz verrühren und mit Orange garnieren. Ein wunderbar würziger Negroni Twist, der gleichzeitig weniger bitter ist als die klassische Variante!

Besten Dank!