Das Kölnische Stadtmuseum beleuchtet die Jahre 1918-1926: eine Zeit zwischen britischer Besatzung und technologischem Fortschritt. Erste Rolltreppe, Hansahochhaus, skandalöse Kunst – und niemand ahnt, was kommen wird. Die Ausstellung zeigt Parallelen zur Gegenwart auf.
Schau im LVR-HausSpannender Blick auf Kölns Aufbruch in die Moderne

Spaßfaktor: In der Ausstellung kann man sich in ein zeitgenössisches Foto „hineinschmuggeln“.
Copyright: Meike Böschemeyer
Man sei ja gewohnt, die Weimarer Republik stets von ihrem Ende her zu sehen – mit der Wirtschaftskrise und dem Aufstieg der Nazis. „Doch 1926 ist noch nicht klar, wie es ausgehen wird“, betont Mario Kramp. Der Kurator des Kölnischen Stadtmuseums hat eine neue Ausstellung über die spannenden Jahre in Köln nach dem Ersten Weltkrieg konzipiert. Politische Umbrüche, gesellschaftlicher Wandel und technologischer Fortschritt verändern das Leben der Menschen in dieser Zeit rasant. Nach den Entbehrungen des Krieges macht sich Lebensfreude breit, die Wirtschaft wächst, und noch ahnt niemand, dass Deutschland auf dem Weg in eine finstere Diktatur ist.
„Gemütlichkeit und Moderne. Köln 1918-1926“ heißt die Tafelausstellung im Foyer des LVR-Hauses in Deutz, die eine der kreativsten Perioden der Stadtgeschichte beleuchtet. Entstanden ist sie in Kooperation mit dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte sowie der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv.
„Jahrtausendfeiern“ vor 100 Jahren
Anlass für die Schau ist ein Jubiläum: 1925, also vor genau 100 Jahren, erinnert man überall im besetzten Rheinland mit „Jahrtausendfeiern“ an die vermeintlich 1000-jährige Zugehörigkeit zum Deutschen Reich. In der Kölner Messe findet dazu eine große Ausstellung statt, die 1,4 Millionen Besucher anlockt.
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Für das Kölnische Stadtmuseum (KSM) sei dies ein bedeutendes Ereignis gewesen, erläutert dessen Direktor Matthias Hamann. Denn in der Folge wird das Rheinische Museum gegründet, eine der Vorgängerinstitutionen des KSM neben dem Historischen Museum. „Viele Objekte, die man damals gesammelt hat, befinden sich heute in unseren Sammlungen.“
Somit liege in der DNA des Stadtmuseums gleichsam die Verpflichtung begründet, sich mit der Jahrtausendausstellung von 1925 auseinanderzusetzen, so Hamann. Man habe versucht, den damals entwickelten Mythos zu dechiffrieren, und die Frage gestellt: „Wie bewegt sich Köln eigentlich durch diese Zeit?“ Den Titel „Gemütlichkeit und Moderne“ habe man gewählt, weil Köln oszilliere zwischen einerseits der Haltung, „dass wir eine Stadt der Gemütlichkeit sind, eine Kleinstadt“, und andererseits dem Selbstbewusstsein, eine moderne Metropole zu sein. Die Schau ist auch ein Beitrag zum Adenauerjahr 2026. Am 5. Januar wäre der frühere Kölner Oberbürgermeister 150 Jahre alt geworden.
Panzer vor dem Kölner Dom
Die Ausstellung beginnt mit einem Foto englischer Panzer vor dem Dom – Sinnbild für die Besatzungszeit. Diese fällt in Köln, wo seit Ende 1918 die Briten herrschen, weniger schlimm aus als in den anderen besetzten Gebieten. Zwar verbieten die „Tommys“ anfangs sogar den Karneval. Doch so streng wie die Franzosen, die im Krieg am meisten gelitten haben, sind sie nicht. Bald arrangieren sich die Kölner mit den neuen Machthabern. „Am Ende kommt man mit den Briten von Feindschaft zu Pragmatismus zu Freundschaft“, analysiert Kramp.
In Kunst und Kultur ist es eine aufregende Zeit. Im ehrwürdigen Wallraf-Richartz-Museum wird 1923 das drastische Antikriegsbild „Schützengraben“ von Otto Dix zum Publikumsmagneten. Nach massiver Kritik nationaler Kreise wird es hinter einem Vorhang versteckt, auf Nachfrage aber weiterhin gezeigt. Noch größer ist der Aufschrei 1926 bei Max Ernsts Gemälde „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind“: Nach Intervention des Erzbischofs muss das Bild Köln verlassen. Als sich die Wirren des Inflationsjahrs 1923 gelegt haben, geht es aufwärts. Im Warenhaus Tietz, später Kaufhof, wird 1925 Deutschlands erste Rolltreppe in Betrieb genommen, im selben Jahr wird mit dem Hansahochhaus das damals höchste Haus Europas eröffnet, erbaut in nur 15 Monaten. Ein Jahr später landen Wasserflugzeuge auf dem Rhein, und Oberbürgermeister Konrad Adenauer lässt sich auf dem Flughafen Butzweilerhof im Cockpit eines Flugzeugs der neu gegründeten „Luft-Hansa“ fotografieren – Symbol für den Aufbruch in eine neue Zeit.
Was man in der Ausstellung sehe, sei keine bloße historische Rekonstruktion, sondern „ein Spiegel unserer eigenen Situation“, unterstreicht Kölns Kulturdezernent Stefan Charles. „Wir erleben auch heute Verunsicherung, wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch. Wir erleben Polarisierung und Fragen nach Zugehörigkeit. Und gleichzeitig wird von den Kommunen heute erwartet, Antworten zu geben. Wie wollen wir leben? Wie gestalten wir Zusammenhalt, und welche Rolle kann Kunst und Kultur dabei spielen?“
„Gemütlichkeit und Moderne. Köln 1918-1926“. Tafelausstellung im Foyer des LVR-Hauses in Deutz, Kennedy-Ufer 2. Bis 15. März täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr. Eintritt frei.

