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Vorbereitung für den ErnstfallKölner Brücken erfüllen künftige Panzer-Vorgaben nicht

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Die neu gebaute Leverkusener Brücke.

Fahrzeuge fahren auf der Autobahn A1 über die neu gebaute Leverkusener Brücke.

Die Bundesregierung plant neue Vorgaben zur Tragfähigkeit von Brücken, um sie für moderne Panzer tauglich zu machen. Derzeit erfüllt keine Kölner Straßenbrücke die künftig vorgesehenen Werte.

Es war ein Satz, der aufhorchen ließ. Als Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker vor einigen Wochen bei einer Veranstaltung auf die dramatische Finanzsituation der Stadt Köln zu sprechen kam und die Aufgabe, trotz leerer Kassen große Investitionen stemmen zu müssen, da sagte sie sinngemäß: Man müsse ja jetzt Brücken ertüchtigen, „damit Panzer darüberfahren können“. Ein Satz, der auch schon bei anderen Gelegenheiten aus dem Rathaus zu hören war.

Panzer auf Kölner Brücken? Das gab es seit dem Zweiten Weltkrieg höchstens mal zu sehen, wenn das Kriegsgerät auf Eisenbahnwaggons durch die Stadt rollte, etwa auf der Fahrt zum einstigen Panzerinstandsetzungswerk in Quadrath-Ichendorf. Doch seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 gewinnt das Thema wieder stark an Bedeutung. Nach Rundschau-Informationen hat die Stadt Köln bereits mehrfach Gespräche mit der Bundeswehr geführt, bei denen es um die Gefahr eines Krieges auf deutschem Boden, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und den Schutz der Bevölkerung ging. Dabei war auch die Ertüchtigung von Brücken ein Thema. Hintergrund der Gespräche ist der sogenannte „Operationsplan Deutschland“ (OPLAN DEU).

Operationsplan soll Aufmarsch an die Nato-Ostflanke sicherstellen

Nach Angaben der Bundeswehr handelt es sich dabei um ein geheimes Dokument, das stetig aktualisiert wird. Der Plan sei „eine Reaktion auf die sich verschärfende sicherheitspolitische Lage in Europa“. In ihm würden Verfahren, Abläufe und Zuständigkeiten festgelegt, um Deutschlands „territoriale Integrität und seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zu verteidigen sowie den Aufmarsch der alliierten Streitkräfte über und durch Deutschland an die Nato-Ostflanke sicherzustellen“.

Im Kalten Krieg waren an jeder Brücke in Deutschland gelbe Schilder montiert, mit Angaben zur sogenannten „militärischen Lastenklasse“ (MLC). Sie zeigen, welche Panzer gefahrlos über die Brücke fahren konnten. Seit 2009 sind solche Schilder nicht mehr vorgeschrieben und vielerorts verschwunden. Kommen sie nun zurück? Und was bedeutet der „Operationsplan Deutschland“ für laufende und künftige Brückensanierungen in Köln?

Leopard-Panzer auf Güterwagen.

Leopard-Panzer auf Güterwagen. Kölns Eisenbahnbrücken sind für Schwertransporte geeignet.

Die städtische Pressestelle will auf Nachfrage nur bestätigen, „dass die Stadt Köln im Austausch mit der Bundeswehr steht“. Der Operationsplan sei geheim, inhaltliche Fragen möge man an das Militär richten. Eine Sprecherin des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr teilt auf Anfrage mit, man arbeite „sehr eng mit den Bundesländern zusammen, denen auch in Bezug auf weitere Schritte in Richtung der Kommunen eine zentrale Rolle zukommt“. Die militärischen Anforderungen an Brückenbauwerke seien aber „unabhängig vom Operationsplan Deutschland, dieser hat daher keine Auswirkungen auf laufende oder geplante Brückensanierungen“.

Die neuen MLC werden bei der Planung von Neubauten und Ersatzneubauten sowie bei Verstärkungsmaßnahmen je nach technischen Möglichkeiten und Machbarkeit berücksichtigt, insofern diese Bauwerke militärisch relevant sind.
Sprecherin der Bundeswehr

Seit einigen Monaten erarbeite der Bund jedoch neue Vorgaben zu den Traglasten von Brücken, erläutert die Bundeswehr-Sprecherin. „Bisher wurde hier eine Tragfähigkeit der militärischen Lastenklasse (Military Load Classification, MLC) 100 bei Einbahnverkehr, beziehungsweise von MLC 50 im Begegnungsverkehr gefordert. Zukünftig werden diese Werte auf 150, beziehungsweise 70 erhöht werden. Diese Vorgaben gelten dann bei Neubauten und Sanierungen.“ Die Zahlenangaben beziehen sich im Wesentlichen auf eine US-Gewichtseinheit („short ton“), welche 0,9 Tonnen entspricht. Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums präzisierte auf Nachfrage: „Die neuen MLC werden bei der Planung von Neubauten und Ersatzneubauten sowie bei Verstärkungsmaßnahmen je nach technischen Möglichkeiten und Machbarkeit berücksichtigt, insofern diese Bauwerke militärisch relevant sind.“

Köln hofft auf Hilfe von Bund und Land bei Brückensanierungen

Für schwere Transporte auf der Straße kommen in Köln derzeit nur die neue Leverkusener Brücke, die Rodenkirchener Brücke und die Severinsbrücke in Frage. Die Mülheimer Brücke wäre nach Abschluss der Sanierung eine Option. Die Zoobrücke ist derzeit auf 30 Tonnen limitiert, langfristig soll sie so ertüchtigt werden, dass sie auch 40-Tonner-Lkw wieder nutzen können. Die Deutzer Brücke ist nach einer politischen Entscheidung für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt, damit auf ihr keine Lkw in die Stadt fahren. In welchem Umfang die Stadt Köln bei den Brückensanierungen jetzt auf zusätzliche Fördermittel aus den Infrastrukturprogrammen von Bund und Land hoffen kann, ist unklar.

Fest steht hingegen, dass keine der Kölner Straßenbrücken über den Rhein die in Zukunft geplante höhere militärische Lastenklasse MLC 150 bei Einbahnverkehr und MLC 70 im Begegnungsverkehr erfüllt. Wie eine Sprecherin der Autobahn GmbH erläutert, entspricht die neue Rheinbrücke Leverkusen der aktuellen Norm „Lastmodell 1 des Eurocode“ und ist in die derzeit geltende militärische Lastenklasse MLC 100 im Einbahnverkehr und MLC 50/50 im Zweibahnverkehr eingestuft. Bei der älteren Rodenkirchener Brücke gelte ebenfalls MLC 100 im Einbahnverkehr. Laut der Sprecherin können beide Bauwerke grundsätzlich durch Schwertransporte befahren werden, wobei die in Brückenklasse 45 eingestufte Rodenkirchener Brücke nur kleinere Schwertransporte mit deutlich geringeren Gesamtgewichten zulasse.

Stillgelegte Zivilschutzräume in Köln sind nicht nutzbar

Im „Operationsplan Deutschland“ geht es außerdem um neue Schutzräume für die Bevölkerung im Kriegs- oder Katastrophenfall. Nach dem Fall der Mauer 1989 hatte man die Bunker aus dem Kalten Krieg aufgegeben, sie stehen nicht mehr zur Verfügung. „Die stillgelegten Schutzräume in Köln sind aktuell nicht nutzbar“, erklärt die Stadt auf Anfrage. Zur Frage, wann und wo neue Schutzräume in Köln eingerichtet werden sollen, will sich die Stadt nicht äußern und verweist auf das zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Dort ist zu erfahren, dass sich Bund und Länder im Juni 2024 auf Grundelemente eines nationalen Schutzraumkonzeptes verständigt haben. „Ziel ist es, geeignete öffentliche Gebäude wie U-Bahnhöfe, Tiefgaragen oder Kellerräume als sogenannte ‚öffentliche Zufluchtsorte‘ zu identifizieren, zu erfassen und für die Bevölkerung nutzbar zu machen. Ein digitales Verzeichnis soll künftig über Warn- und Kartendienste Auskunft darüber geben, wo sich der nächste Schutzort befindet“, erklärt eine Sprecherin.

Das BBK erarbeite derzeit Empfehlungen zur Ausstattung dieser Orte, etwa mit Feldbetten, Wasser und mobilen sanitären Anlagen. Für 2026 sei „eine Pilotförderung zur Ausstattung von zunächst eine Million Schutzplätzen vorgesehen. Eine bundesweite Skalierung ist für die Jahre 2027 bis 2029 geplant. Diese Maßnahmen zielen auf die Verbesserung der Resilienz im Bereich der zivilen Verteidigung und sind eng mit den Ländern abgestimmt“, so das BBK. Privatpersonen empfehle man weiterhin, eine persönliche Notfallvorsorge zu betreiben. Ein weiteres Thema seien die bauliche Ertüchtigung von Krankenhäusern und die Anlage medizinischer Vorräte. Hier seien die Länder zuständig. Tatsächlich gibt es in Köln bereits Pläne, beim Ausbau der städtischen Klinik Merheim zum neuen Gesundheitscampus die geplante Tiefgarage so auszurüsten, dass sie im Krisenfall schnell und mit wenig Aufwand zum Notlazarett umfunktioniert werden kann.

Städtetag fordert mehr Mittel vom Bund für die Kommunen

Offenbar stufen die deutschen Behörden seit dem Krieg in der Ukraine Angriffe auf deutsches Staatsgebiet mit Drohnen, Marschflugkörpern, Bombern und Panzern wieder als sehr ernstzunehmende Gefahr ein. Ein beängstigender Gedanke. Es heißt, die Vorwarnzeit könne sehr kurz sein. Deshalb müssten Schutzräume in unmittelbarer Nähe der Wohnungen liegen. Öffentliche Schutzräume alleine würden daher nicht ausreichen – auch private Räume wie Keller und Tiefgaragen würden gebraucht.

Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sagte der Rundschau, der Investitionsstau bei der Infrastruktur sei gewaltig und die Kommunen bräuchten endlich die notwendigen Mittel, um ihn aufzulösen. „Die Infrastruktur wieder fit zu machen, ist und bleibt ein Riesenthema für die Kommunen, allein schon für die zivile Nutzung. Durch den Operationsplan Deutschland hat das Thema jetzt eine zusätzliche Bedeutung bekommen. Wenn dadurch das Bewusstsein in der Bundespolitik wächst, dass mehr Mittel in die Infrastruktur vor Ort fließen müssen, kann uns das nur recht sein.“ Welche zusätzlichen Herausforderungen und Anforderungen auf die Kommunen durch den Operationsplan Deutschland zukommen werden, wisse man noch nicht genau, so Schuchardt. Das gelte auch für die Schutzräume. „Erst wenn Bund und Länder uns sagen, wie viele Schutzräume benötigt werden und welche Anforderungen sie erfüllen sollen, können wir aktiv werden.“