An Allerheiligen erlebte Köln ein Konzert der besonderen Art: Der britische Singer-Songwriter Tom Odell verwandelte die ausverkaufte Lanxess Arena in einen Ort zwischen Liebe und Trauer.
Konzert in KölnTom Odell verzaubert 16.000 Fans in der Lanxess Arena

Ein einzelner Spot lässt den Flügel und Tom Odell erstrahlen.
Copyright: Ciara McMullan
Das ist eine Geschichte, die alles hat, was eine gute Geschichte braucht. Sie hat einen Helden, genau genommen, sieben Helden. Sie handelt von Liebe und Tod. Von Verzauberung und Dämonen (aber keiner bösen Hexe, böse Hexen sind die Erfindung böser Männer). Von magischen Stunden (einer und drei Viertel, um genau zu sein), von absoluter Hingabe und von denen, die das leidenschaftlich teilen. Es ist die Geschichte von Tom Odell, seiner Band und seinem Konzert in der Lanxess Arena an Allerheiligen.
Der Aufstieg eines Musikhelden
Der Held: ein 34-jähriger britischer Sänger, Songschreiber und Pianist, dessen Karriere sich in Gegenrichtung seines 2013 erschienenen Debütalbums „Long Way Down“ (Langer Weg nach unten) entwickelte. Der lange Weg von Tom Odell führte kontinuierlich nach oben. „Das ist die größte Show, die ich jemals gespielt habe. Als ich mit 13 anfing, aufzutreten, hatte ich 200 Zuschauer, nun sind es 16.000“, sagt er mit vor Verwunderung bebender Stimme angesichts der vom Innenraum bis unters Dach ausverkauften Arena. Deren Luft er allerdings schon geschnuppert hat, im Mai, als Support von Billie Eilish.
Die Magie des Live-Erlebnisses
Odell singt nicht nur verdammt gut und spielt verdammt gut Klavier. Er sieht auch verdammt gut aus. Diejenige, die, wenn er später den Catwalk parallel zur Bühne entlang geht, sekundenlang seine Hand umklammern darf, wird die ihre vermutlich nie wieder waschen. Oder, wenn sie clever ist, Abgüsse davon auf einem globalen Online-Marktplatz versteigern.
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Die anderen Helden: die Mitglieder seiner Band. Die Gitarre, Schlagzeug, Bass, Violine, Saxofon und Trompete (und Percussion) spielen. Liebe und Tod: Tom Odell singt vom Wunsch, das Leben bis zum Schluss miteinander zu teilen („Grow Old with me“), vom Schmerz des Verlassenwerdens, das sich bereits abzeichnet („I Know“) oder von der Leere, die folgt und mit Angst einhergeht, sich jemand Neuem zuzuwenden („Somebody Else“). Vor „When I Close My Eyes“ verliest er einen Brief: „Meine Schwester Rachel ist im Januar 2024 gestorben. Sie war 45 Jahre alt. Sie hat deine Konzerte geliebt. Ich bin nach Köln gekommen, um dich zu sehen – in ihrer Erinnerung.“ Odell widmet das Lied Rachel und allen anderen, die tot, aber nicht vergessen sind. Bilder von ihnen, die Fans geschickt haben, werden dazu eingeblendet. Wie ein Flehen hört sich der Schluss von „Wonderful Life“ an: „I Don“t wanna die“ (Ich will nicht sterben), das entwickelt gespenstische Intensität.
Ein emotionales Spektakel
Die Verzauberung: Ein in der Mitte geraffter Vorhang. „Somewhere Over The Rainbow“. Ein einzelner Spot, ein schwarzer Flügel im Spalt der Stoffbahnen. An dem ein blonder Mann Platz nimmt. So beginnt sie. Mit „Strange House“ und „Prayer“ beschwört Tom Odell das, was ihn quält und heimsucht. „In meinen Songs steckt ein sehr empfindlicher und fragiler Teil meines Lebens“, gesteht der Künstler später, der sich durch das Schreiben befreit.
Die magischen Stunden, die folgen, verheißen Heilung. Nach der Devise „Don't Cry, Put Your Head on My Shoulder“ soll jeder und jede im Publikum jemand umarmen, den er oder sie liebt. Aber was machen die, die allein sind? Tom Odell inhalieren. Ihn in sich aufnehmen, mit jeder Faser. Mit jedem Ton, jedem Schrei und jedem Flüstern. Sich dem Wehmutsunterfutter hingeben, das sich zum wuchtigen Crescendo steigert, tief in den jazzigen Sog eintauchen, der mitunter klingt wie aus „Porgy und Bess“ entliehen, um in Tonal-Explosionen zu münden. Live klingt das viel rauer und wilder.
Während der, der anfangs so artig am Flügel saß, sein Instrument nun im Stehen spielt, es mit Faustschlägen traktiert, mit Füßen tritt. Darauf herumtanzend, so als sei es ein Sportgerät. Odell gibt alles, und das Publikum sich ihm zur Gänze hin. „Another Love“? Es kann nur eine Liebe geben. Tom.

