Konzert in Kölns Lanxess-ArenaPlacebo setzt auf Diversität statt Krawall

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Sänger Brian Molko von der Band "Placebo" bei seinem Auftritt in der Lanxess Arena.

Sänger Brian Molko von der Rockband "Placebo" besuchte die Lanxess Arena auf der 'Never Let Me Go'-Tour.

Die Rockband „Placebo“ mit ihren Schöpfern Brian Molko und Stefan Olsdal macht auf ihrer Tour zum neuen Album „Never Let Me Go“ Station in der Lanxess Arena. Rockmusik, die auf Diversität statt Krawalligkeit setzt.

Siehste! Geht doch! Anstatt das Fotografieren und Filme zu verbieten oder die geeigneten Geräteschaften präventiv unter Verschluss zu nehmen, wählen Brian Molko und Stefan Olsdal auf ihrer Tour zum neuen Album „Never Let Me Go“ einen anderen Weg. Den der Achtsamkeit. So auch in der Kölner Arena, wo vor Konzertbeginn ein Brief verlesen wird, um anschließend minutenlang – und in flüssigen Lettern – auf der Leinwand abgebildet zu werden.

Formuliert als Bitte um Hilfe, Auszeichnung, der gegenseitigen Rücksichtnahme, der „emotionalen Kommunikation durch die Songs“, dem Sein im „Hier und Jetzt“, „der Verständigung“ und der „gewissen Erhabenheit des Moments“. Das alles bezeichnet Placebo als „Mission“. Und unterzeichnen: „Mit Hochachtung und Liebe. Frieden… Namaste… Frieden.“

Quecksilbrige Stimme

Über die 1994 in London gegründete Band und ihre beiden inzwischen Ende 40-jährigen Schöpfer verrät das viel. Und das, was 10 000 Placebo-Fans in den nächsten 110 Minuten über 21 Stücke hinweg erleben werden, manifestiert sich darin.

Statt auf Rock-Krawalligkeit, damit oft verbundene Gesten machohafter Rüpelei und eine brachiale Licht- und Bühnenshow mit vielen Kinkerlitzchen setzen Placebo auf Diversität. In jedweder Hinsicht.

Angefangen von Molkos klassischer, quecksilbriger Stimme. Fließend, metallisch, schillernd, wie eine Madonna des Expressionismus, die Moritaten von Zwillingsdämonen, zu vielen Freunden und Zeiten erzählt, in denen man sich denen, von denen es zu wenige gibt, verabschieden muss.

Über die Musik, die wahrscheinlich rockig ist, aber geprägt von einer Lust am Experiment, die weder Elektro-Einprengsel noch geisterhafte Pianopassagen, den flirrenden Einsatz einer Geige, Sprechgesang oder das Ausschürfen der tiefsten Tiefen der Melancholie scheut.

Und die Leinwände. Die von ihrer Anordnung her eher so wirken, als seien es einfach hängende Bilder einer Ausstellung. „Scene of the Crime“ wird mit Papillarleisten von Fingerkuppen illustriert, „Happy Birthday in the sky“, wo es um tote Freunde geht, mit nostalgischen Kleinbild-Kamera-Filmstreifenrändern gerahmt, bei „Fix yourself“ symbolisieren Augäpfel das In-den-Blick -Nehmen der eigenen Person in schwarzweißer Bedrohlichkeit.

Gewisse Erhabenheit

Bis hin zu den zwei Placebo-Protagonisten, die schon früh konservativen Geschlechterrollen die Gefolgschaft versagten. Mit Brian Molkos Vorliebe für Make-up, sein androgynes Erscheinungsbild, sein Bekenntnis zur Bisexualität. Und mit Olsdals späterem Outing als Mann, der Männer liebt.

Ob sich bei diesem Konzert tatsächlich eine „gewisse Erhabenheit“ einstellt? Eventuell. Das „Hier und Jetzt“, vom ganz frühen „Bionic“ über elf Stücke vom neuen Album bis hin zu den Cover-Zugaben „Shout“ und „Running up that hill (A deal with god)“, genossen zu haben, reicht allemal.

„Mission Placebo“ gelungen. Nicht nur weil bis auf die Begrüßung und ein „Dankeschön“ von Olsdal, kommunikationstechnisch alles im Emotionalen blieb. Sondern auch, weil man (so gut wie) keine Handys mehr sah. Siehste! Geht doch!

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