Krimi-Autor Don Winslow„Donald Trump ist ein Lügner und Verräter“

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Dass die USA so herunterkommen wie dieses Strandhaus will Autor Don Winslow verhindern.

Dass die USA so herunterkommen wie dieses Strandhaus will Autor Don Winslow verhindern.

Der US-amerikanische Krimi-Autor Don Winslow über seine „City“-Trilogie und den Kampf gegen den umstrittenen Ex-Präsidenten

„City in Ruins“ heißt das aktuelle und erklärtermaßen letzte Buch des amerikanischen Schriftstellers Don Winslow. Der Roman beendet eine Krimi-Trilogie (zuvor „City on Fire“ und „City of Dreams“), die antike Mythologie in die Gegenwart projiziert. Mit dem 70-jährigen Autor sprach Hartmut Wilmes.

Wann kamen Sie auf die kühne Idee, Motive von Homer und Vergil für drei zeitgenössische Thriller zu benutzen?

In meinen 30ern, also später im Leben, als man erwarten könnte. Als ich die „Ilias“ las, traf es mich mit voller Wucht, wie nah die Ereignisse nicht nur an Thriller-Literatur, sondern auch an tatsächlicher Kriminalität in Amerika sind. Da fragte ich mich: Kann ich diese großartigen Erzählungen und ihre Helden in ein modernes Krimi-Epos überführen? Für lange Zeit hieß die Antwort Nein, ich bin immer wieder gescheitert, und es dauerte fast 30 Jahre, um die Trilogie zu vollenden.

Was war das größte Hindernis?

Die richtigen Entsprechungen für die Vorbilder zu finden. Zum Beispiel die Göttin Aphrodite, Aeneas' Mutter – wer könnte das im Rhode Island der 1980er Jahre sein? Oder Aeneas, der aus Troja flieht, in Karthago strandet und dort an einer Wand Bilder des Trojanischen Kriegs sieht, was könnte das bedeuten? Und schließlich gründet der Held Rom – wie lässt sich das übersetzen?

Aphrodite ist bei Ihnen die flamboyante Madeleine McKay, Rom wird von Las Vegas vertreten, wo Ihr Aeneas, der ziemlich moralische irische Gangster Danny Ryan, zum Casino-König wird. Und die Bilder an der Wand stehen für Hollywood, wo Sie sich bestens auskennen…

Als mir klar wurde, dass Danny einen Film über seine frühen Mobster-Jahre in Rhode Island finanzieren könnte, war plötzlich alles einfach. Ich konnte nicht widerstehen, ein paar Lacher über Hollywood zu provozieren, und fand Aeneas' tragische Geliebte Dido in einem schönen Filmstar. Solche Affären gab es ja tatsächlich – Jane Mansfield traf sich etwa mit dem Mafioso Johnny Stomponato, und weder Unterwelt noch Filmbusiness mochten diese Publicity.

Wie ist Danny Ryan zu Ihrem Protagonisten geworden?

Der erste Schritt war die Entscheidung für Aeneas, der ja keine Hauptrolle im Trojanischen Krieg spielt. Er ist eher ein Außenseiter, der einerseits im Zentrum der Action steht und andererseits distanziert genug ist, um sie zu kommentieren. Außerdem bin ich wie er in Rhode Island aufgewachsen – ich kenne dort etliche Danny Ryans.

Ich habe gelesen, dass Austin Butler diesen Mann in der Verfilmung von „City on Fire“ spielen soll…

…und ich bin sehr glücklich damit. Ich habe den „Elvis“-Film geliebt, obwohl ich nicht einmal Elvis-Fan bin. Austin ist bodenständig und intelligent – er wird Danny packen.

Vor diesem Dreiteiler haben Sie eine Drogen-Trilogie geschrieben. Was ist der Reiz, was das Problem so großer Projekte?

Ich habe nie geglaubt, dass es die Drogen-Trilogie geben würde, weil ich nach „Tage der Toten“ nie mehr auf das Thema zurückkommen wollte. Der Reiz liegt sicher in der Tiefe, dem langen Atem, den man einer Story und den Charakteren über Jahre geben kann. Die Schwierigkeit besteht darin, alles zusammenzuhalten, sich immer wieder zu fragen, ob man sich nicht in Sackgassen geschrieben hat.

Welcher Figur fühlen Sie sich näher, dem Drogenkriegshelden Art Keller oder Danny Ryan?

Ich habe mit beiden Männern mehr Lebenszeit verbracht als mit realen Personen und bin immer noch nicht sicher, ob ich Art Keller mag. Aber mit Danny bin ich gewissermaßen aufgewachsen, ich habe eine Schwäche für solche Kerle.

Beide Männer erleiden furchtbare Verluste, aber was ist mit dem Autor, der so viele Jahre gedanklich auf den Gangster-Schlachtfeldern verbracht hat?

Es hinterlässt Spuren. Gerade nach dem zweiten Drogen-Buch „Das Kartell“ fühlte ich mich sehr traurig, auch nach „Jahre des Jägers“ über Heroinsucht. So viele Leute, die man interviewt hat, sterben an einer Überdosis, werden ermordet, kommen ins Gefängnis. Ja, so etwas hat Auswirkungen.

Sie haben gesagt, dass „City in Ruins“ Ihr letztes Buch ist.

Ja.

Also keine Memoiren?

Ich schreibe lieber über Themen, die mich mehr interessieren als mein eigenes Leben.

Sie widmen sich nun dem Kampf gegen die Wiederwahl von Donald Trump. Was ist Ihre Strategie?

Dieselbe wie seit seiner ersten Kandidatur. Also täglich klare, harte Sprache über Social Media. Mein Partner Shane Salerno und ich haben über die Jahre etliche Videos produziert, die mehr als 300 Millionen mal gesehen wurden. Das Ziel ist, die Leute zur Wahl zu bewegen, die Unentschiedenen zu überzeugen und die Trump-Unterstützer zu fragen, ob sie sicher sind, dass er der Richtige für sie ist.

Bei Trump ist vieles offensichtlich: dass er kein Intellektueller ist, zudem ein schlechter Verlierer, ein Mann, dem es an Respekt gegenüber Frauen sowie anderen Ländern mangelt und der Angeklagter in mehreren Prozessen ist. Wie wollen Sie Leute umstimmen, die ihn trotz all dieser Dinge bewundern?

Wir drücken uns da noch klarer aus: Der Mann ist ein Verräter, der die Regierung stürzen wollte, ein Lügner, ein Sexualstraftäter, ein Gauner. Trotzdem hat er Unterstützer. Erstens wählen viele reflexhaft immer die Republikaner. Zweitens besitzt er wie alle Demagogen das Talent, Leuten das Gefühl von Wichtigkeit zu geben, die das sonst nicht haben. Und meine Partei, die Demokraten, hat gegenüber diesen Menschen nicht den besten Job gemacht. Drittens sticht er in eine Vene des politischen Körpers von Amerika, die sehr alt ist. Wenn man seine Anti-Einwanderungs-Rhetorik hört, kann man die gleiche rassistische Sprache in Reden von 1830 bis 1910 finden.

Was tun Sie nach dem Wahltag, dem 5. November 2024?

Keine Ahnung, ich denke nicht über diesen Tag hinaus. Ich bin völlig fokussiert auf den 5. November, und dann schauen wir, wie die Welt aussieht.

Und was hält der Autor Don Winslow nach 21 Büchern vom James-Bond-Motto „Sag niemals nie“?

Ich bin zwar alt genug, um das erfahren zu haben – aber an diesem Punkt steht mein Entschluss fest.