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„Requiem für eine marode Brücke“Kolumba und Schauspiel Köln bündeln ihre Kräfte

3 min
Szene aus „Requiem für eine marode Brücke“ in Köln

Szene aus "Requiem für eine marode Brücke" in Köln

Kölns Infrastruktur wird in „Requiem für eine marode Brücke“ thematisiert, Brahms' Musik und moderne O-Töne schaffen eindrucksvolle Klangcollagen.

Eintritt durch einen niedrigen Beton-Türsturz – Vorsicht, Stufe! – man ist gefühlt zu spät, dann steht da auch noch einer mit einem Bauchladen und Postkarten. Typisch Köln eben, immer etwas baufällig, immer etwas improvisiert, aber Hauptsache gute Laune. Die Vorstellung „Requiem für eine marode Brücke“ hat nur scheinbar noch nicht begonnen, das Publikum als Teil der Inszenierung ist schon mittendrin im Spiel.

Mit der spektakulären Musiktheater-Performance erschließt das Schauspiel Köln das Kolumba (Kunstmuseum des Erzbistums Köln) als Spielstätte und bezieht Architektur, Ausstellungsstücke und Publikum mit ein. Im Stück sind kurze Passagen aus Johannes Brahms’ „Ein deutsches Requiem“ (1869 uraufgeführt) mit vom Team dokumentarisch recherchierten Statements, Interviews und O-Tönen aus der Gegenwart als Collage zusammengestellt.

Verhandelt werden Zustand und Ideal der Kölner Infrastruktur und Stadtgestaltung. Brahms’ vertonte Bibeltexte sind als Wünsche an eine lebenswerte Stadt umgedeutet. Das ist verkopft, aber dann kommen Musik und Theater mit ihrem Zauber hinzu. Die Kölner Dommusik, auch mit Jugendensemble, und der Experimentalchor Alte Stimmen sind dabei, aber es gibt kein klassisches Chorkonzert.

Die Stimmen erklingen je nach Raum aus dem Off, tragen nur Bruchstücke vor, zischen, pfeifen und schnalzen. Etwa wenn das Publikum tatsächlich auf einer Brücke über Ruinen steht, in Peter Zumthors architektonischem Meisterwerk über den Grundmauern der ehemaligen Kirche St. Kolumba.

Drei Darsteller tragen die Texte, dramatische Schatten werfend, auf den Mauerresten vor, Soundcollagen urbaner Klänge wehen durchs Halbdunkel und den Theaternebel, Sänger und Sängerinnen sind unter die Gäste gemischt und ergänzen das Klangbild mit Mundgeräuschen.

Im Foyer folgen Gedanken über Kunst und ein großes Gedränge an der Garderobe – begrenzter öffentlicher Raum! – während draußen in der Kälte des Gartens Darsteller und Darstellerinnen stehen und traurig hereinblicken; denn „in“ ist, wer drin ist. Drei Zuschauer-Gruppen erleben jeweils einen Monolog mit Musik, etwa zum Vergaberecht, das die Stadtentwicklung bremst, bevor es zur Schlussszene als Prozession mit Kakteen anstatt Votivkerzen gemeinsam in einen Raum geht.

Glücklich über die gelungene Zusammenarbeit

Hier ist der Gesang ein 360-Grad-Erlebnis, ein Rabe haut auf die Pauke, bis sich alles mit Milchstraßenprojektion und einem Karneval der Pflanzen in überirdische Glücksgefühle auflöst, weil der Tod eben doch keinen Stachel hat und eine lebenswerte Stadt im Traum möglich scheint. Das ist so wild wie es klingt, funktioniert aber, weil Regisseurin Anna-Sophie Mahler und Dramaturgin Viola Köster großartige Arbeit geleistet haben und die Ausstattung von Annika Lu, Jan Isaak Voges und Michael Frank die richtigen Akzente setzt.

Mit Paula Carbonell Spörk, Benjamin Höppner und Hasti Molavian treten drei starke Spieler auf, die Chöre lassen sich ebenso auf das Experiment ein. Hier sind Theatermittel und Referenzen und aus vielen Jahrhunderten zusammengetragen und übereinandergelegt, wollen als Zitate, Relikte, Bruchstücke entdeckt und verstanden werden wie bei einer Ausgrabung. Das ist Dekonstruktion und Reorganisation, Entsiegelung nicht nur der Flächen, sondern auch der Genregrenzen.

Stefan Kraus, der scheidende Leiter des Kolumba, ist bei der Uraufführung im Publikum und zeigt sich glücklich über die gelungene Zusammenarbeit. Kay Voges, neuer Schauspiel-Intendant, weist noch darauf hin, wie besonders es sei, „so nah am Offenbachplatz“ Theater machen zu können. Zack, da sind dann alle wieder in der Gegenwart angekommen.

Es folgen angeregte Gespräche in Foyer und Ausstellungsräumen, und die Performance ist erst zu Ende, wenn beim Warten auf eine überfüllte KVB die gute Laune verfliegt.

105 Min ohne Pause, wieder am 2. und 3.12. (ausverkauft), weitere Termine für 2026 sind in Planung.