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Kommunalwahl in NRWWird das einst rote Ruhrgebiet blau?

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Aufsteller mit dem Schriftzug „Alternative für Deutschland“ und dem Logo der AfD. Rund 13,7 Millionen Bürger dürfen am 14. September in Nordrhein-Westfalen darüber abstimmen, wer in den nächsten fünf Jahren die Geschicke vor Ort bestimmen darf.

Aufsteller mit dem Schriftzug „Alternative für Deutschland“ und dem Logo der AfD. Rund 13,7 Millionen Bürger dürfen am 14. September in Nordrhein-Westfalen darüber abstimmen, wer in den nächsten fünf Jahren die Geschicke vor Ort bestimmen darf.

Nach ihren Erfolgen bei der Bundestagswahl will die AfD die Rathäuser im Revier erobern. In Gelsenkirchen rechnen Beobachter sogar mit einer möglichen Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt.

Nach ihren Erfolgen bei der Bundestagswahl 2025 will die AfD nun die Rathäuser im Revier erobern. In Gelsenkirchen, wo die Partei bereits stärkste Kraft wurde, rechnen Beobachter sogar mit einer möglichen Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt.

Gelsenkirchen: AfD in den Startlöchern für Bürgermeisterwahl

Dass es beim ersten großen Stimmungstest nach der Bundestagswahl einen „Rechtsruck“ geben wird, steht praktisch schon fest, jedenfalls wenn das Kommunalwahlergebnis der AfD aus dem Jahr 2020 der Maßstab ist. 5,1 Prozent der Stimmen erhielt die AfD damals landesweit. Das dürfte weit übertroffen werden.

„Mit konkreten Prognosen und Prozentzahlen bin ich vorsichtig, aber in Bezug auf meine Kommune Gelsenkirchen rechne ich mit mindestens 20 Prozent der Stimmen“, sagt Enxhi Seli-Zacharias, Kreissprecherin der AfD in Gelsenkirchen und AfD-Landtagsfraktionsvize.

SPD und Union im Kampf gegen AfD in Gelsenkirchen

In Gelsenkirchen halten es Beobachter für möglich, dass es der Oberbürgermeisterkandidat der AfD, der 72-jährige Ex-Bankkaufmann Norbert Emmerich, in eine Stichwahl schaffen könnte. Die SPD schickt dort Sozialdezernentin Andrea Henze ins Rennen, die Union die Finanzverwaltungs-Expertin Laura Rosen.

Die Sozialdemokratie, einst die unangefochtene Nummer eins im Revier, ist angesichts der jüngsten AfD-Erfolge alarmiert und will die „blaue Welle“ mit einer Kümmerer-Offensive brechen: Seit der Bundestagswahl packt die SPD in Gelsenkirchen und in anderen Teilen des Ruhrgebiets einige heiße Eisen an, um die sie lange einen Bogen gemacht hat. Armutszuwanderung und EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit sind auf einmal Themen und der eng damit zusammenhängende Kampf gegen Schrottimmobilien.

„Die wichtigste Botschaft an die Menschen ist: Wir geben euch nicht auf“, sagte vor knapp zwei Wochen Bundesarbeitsministerin und SPD-Bundesvorsitzende Bärbel Bas bei einem Wahlkampfbesuch im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck. Die Duisburgerin weiß, dass viele Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in ihre Partei verloren haben, auch in ihrer Heimatstadt. Die AfD könnte von dieser Unzufriedenheit profitieren.

Duisburg: SPD-Amtsinhaber gegen AfD-Herausforderer

Carsten Groß (53), Energieelektroniker im Hüttenwerk Krupp Mannesmann, fordert für die AfD in Duisburg Amtsinhaber Sören Link (SPD) heraus. Link gehört allerdings zu den Wenigen in der SPD, die sich schon seit vielen Jahren nicht scheuen, über Probleme mit der Zuwanderung aus Südosteuropa und Sozialbetrug zu reden. Außerdem treten dort die beiden ehrenamtlichen Bürgermeister Sylvia Linn (CDU) und Sebastian Ritter (Grüne) an.

Gemessen am Bundestagswahlergebnis muss man die AfD In Duisburg und Gelsenkirchen also auf dem Schirm haben. Wird die Europawahl 2024 mit einbezogen, könnte die AfD in einer Reihe weiterer Kommunen mit guten Ergebnissen rechnen. Hagen gehört dazu, Hamm, der Märkische Kreis, Minden-Lübbecke und Herford. Innerhalb der Großstädte des Ruhrgebietes sind die Erfolgsaussichten unterschiedlich. Zum Beispiel hat bei der Bundestagswahl in Mülheim in vier von 27 Wahlbezirken mehr als jeder Fünfte AfD gewählt. „Wir glauben, dass wir bei der Kommunalwahl in Gelsenkirchen, Duisburg und in Iserlohn Stichwahlen erreichen können“, so die Landtagsabgeordnete Enxhi Seli-Zacharias.

AfD-Interna: Konflikte vor den Wahlen

Die 31-jährige ist seit wenigen Wochen kommissarische Pressesprecherin der AfD-Landtagsfraktion. Der „echte“ Sprecher wurde nach einer „Spionage-Affäre“ rausgeworfen. Er sowie eine Büro-Mitarbeiterin von AfD-Landeschef Martin Vincentz sollen versucht haben, eine studentische Hilfskraft aus dem Büro des Kölner Landtagsabgeordneten Sven Tritschler zu bestechen, um an kompromittierende Informationen über den Abgeordneten zu kommen. Der geschasste Pressesprecher gehörte zu den engen Vertrauten von Martin Vincentz, und die Affäre wirft ein Licht auf schwelende Konflikte und Intrigen innerhalb der Landespartei.

Völkisch-nationalistische Kräfte um den Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich, der gegen seinen Parteiausschluss ankämpft, arbeiten gegen den sich selbst als gemäßigt einordnenden Vincentz und Teile des aktuellen AfD-Landesvorstandes. In welche Richtung sich der Landesverband vor der Landtagswahl 2027 entwickeln wird, ist kaum vorauszusagen.

Die Erfolge der AfD bei vorangegangenen Wahlen im Bund und in anderen Bundesländern zeigen allerdings, dass Streit innerhalb der AfD viele Wählerinnen und Wähler nicht abschreckt. Und die Einstufung der Partei durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ stoppte den Höhenflug der AfD in den jüngsten Umfragen nicht.

Die Landtagsabgeordnete Enxhi Seli-Zacharias gibt sich betont optimistisch: „Bei der SPD haben wir in Gelsenkirchen unser Potenzial schon gut ausgeschöpft. Nun werben wir gezielt auch um CDU-Wähler“, sagt sie. In NRW ist der Widerstand der CDU gegen die AfD allerdings ausgeprägter als in vielen anderen Ländern. Der Unions-Landesvorsitzende und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat wiederholt gewarnt, die AfD sei eine „brandgefährliche Nazipartei“.