Kommentar zum KohleausstiegWarum die Kritik von Greenpeace überzogen ist

Pulheim: Zahlreiche Strommasten stehen in der Nähe des Braunkohlekraftwerks Niederaußem. Bundestag und Bundesrat haben den schrittweisen Kohleausstieg in Deutschland bis spätestens 2038 beschlossen.
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- Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat die zentralen Gesetze zum schrittweisen Kohleausstieg in Deutschland bis spätestens 2038 gebilligt.
- Für die betroffenen Kohleregionen sind Bundeshilfen von 40 Milliarden Euro vorgesehen.
- Das als historischen Fehler zu bezeichnen, ist vollkommen überzogen, meint unsere Autorin
Das Kohleausstiegsgesetz als einen „historischen Fehler“ zu bezeichnen ist ein historischer Fehler. Gesagt hat das am Tag des historischen Bundestagsbeschlusses zum Kohleausstieg Greenpeace-Chef Martin Kaiser.
Diese Kritik ist völlig überzogen, denn Energie- und Klimapolitik kann nicht nur nach den Maßstäben der Umweltschutzverbände gemacht werden. Sie muss das Ergebnis des Austarierens unterschiedlicher gesellschaftlicher Ziele sein, darunter neben dem Klimaschutz, der sicher ganz oben stehen muss, auch die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie sowie der Erhalt des gesellschaftlichen Friedens. Um diese Ziele zu vereinbaren, hatte es die Kohlekommission gegeben, zusammengesetzt aus den unterschiedlichsten Interessengruppen. Ihr gelang vor eineinhalb Jahren ein historischer Kompromiss, dem das nun beschlossene Gesetz zwar nicht in allen Punkten, aber weitgehend entspricht. Deutschland steigt als erstes Industrieland gleichzeitig aus Atom- und Kohleenergie aus: Das ist mutig und für Nachahmer wegweisend.
Der Ausstieg ist zu teuer erkauft
Kritik im Detail ist allerdings angebracht. So wird dieser Kohleausstieg zu teuer erkauft. Die Entschädigungssummen für die Braunkohle-Kraftwerksbetreiber mit über vier Milliarden Euro und für die Steinkohle mit über zwei Milliarden Euro sind zu hoch, wenn man bedenkt, dass der Einsatz von Kohle wegen deutlich gestiegener CO2-Preise ohnehin immer unwirtschaftlicher wird. Hier rächt sich, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit den Konzernen unter Zeitdruck geraten ist. Die Konzerne sind froh, dass sie sich die ohnehin anstehende Energiewende vom Steuerzahler bezahlen lassen können. Auch die 40 Milliarden Euro Strukturförderung für die Kohleregionen sind enorm viel Geld angesichts von nur 20.000 Arbeitsplätzen, die direkt betroffen sein werden.
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Anders als von der Kommission empfohlen, wird in Garzweiler noch über Jahre Kohle gefördert, werden noch Dörfer umgesiedelt und ging das Steinkohlekraftwerk Datteln noch ans Netz. Dafür mögen gute wirtschaftliche Gründe sprechen. Doch diese Entscheidungen konterkarieren das über allem stehende Klimaschutzziel, weshalb sie von der Öffentlichkeit als falsche Signale verstanden werden können. Die Politik, der Umweltschützer vorwerfen, mit der Industrie gekungelt zu haben, hat sich hier angreifbar gemacht.
Doch unschöner noch ist, dass der von der Kommission vereinbarte Stilllegungspfad für die Braunkohle-Meiler zeitlich nach hinten verschoben wurde und der Pfad nun nicht schon 2023, sondern erstmals 2026 überprüft wird. So verschlechtert die Politik die eigentlich realistische Chance, den Kohleausstieg schneller zu vollziehen als bis 2038.