Polens Regierung verdächtigt Belarus, Kriminelle in die EU einzuschleusen. Verstärkter Grenzschutz und Maßnahmen gegen illegale Einreisen sind geplant.
Polen vermutet SystemLässt der Kreml Kriminelle in EU schleusen?

Stark gesichert: die Grenze Polens zu Belarus.
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Immer wieder kommt es an der Grenze zwischen Polen und Belarus zu Zusammenstößen zwischen Grenzbeamten und Migranten. Die Regierung in Warschau vermutet dahinter inzwischen den Plan des Minsker Regimes, gezielt Kriminelle nach Polen zu schleusen, um dort Straftaten zu begehen.
Ein Video zeigte unlängst, wie Menschen in zivil, möglicherweise Asylsuchende, möglicherweise aber auch belarussische Staatsbedienstete, Steine durch die Metallstäbe eines hohen Zauns auf einen Geländewagen des polnischen Grenzschutzes werfen. Szenen, die sich an der Grenze der beiden Nachbarstaaten in den vergangenen Wochen zunehmend häufen.
115 versuchte illegale Übertritte an einem Wochenende
„Unser Signal ist klar – hier kein Durchgang!“, kommentierte Polens Innenminister Tomas Siemoniak den Zwischenfall. Allein am Wochenende vor Ostern registrierte der polnische Grenzschutz 115 versuchte illegale Übertritte an der über 400 Kilometer langen Grenzlinie mit dem östlichen Nachbarn. Ein Konflikt-Schauplatz, der etwas ins Vergessen geraten ist.
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Internationale Schlagzeilen machten die Tausenden von Menschen, die im Herbst 2019 versuchten, die grüne Grenze nach Polen mit Gewalt zu überqueren. Der belarussische Präsident Aleksander Lukaschenko hatte in Afrika und im Nahen Osten damit geworben, einen Transfer in die EU zu organisieren. Im Auftrag des Kremls, wie allgemein vermutet wird.
Dieser „Hybridkrieg“, so die Bezeichnung der polnischen Regierung, soll nun wieder schlimmer werden. „Wir haben Informationen, dass nach Polen Kriminelle geschickt werden sollen, um dort Verbrechen zu begehen“, so Aleksandr Azarau, Chef von „Bypol“, einer Vereinigung von ehemaligen belarussischen Geheimdienstlern und Polizisten mit Sitz in Warschau.
Hintergrund sei ein Treffen zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und Lukaschenko am 14. März in Moskau gewesen. Dort wurden widersprüchliche Signale gesendet. Zum einen versprach Lukaschenko dem Kreml-Chef, dass Belarus an keinem Krieg interessiert sei. Einen Tag darauf drohte er dann aber, sollten Russland und die USA im Bezug auf die Ukraine ein Abkommen erzielen, wäre dies „das Ende von Europa“.
Belarus als Verbündeter Russlands
Die ehemalige Sowjetrepublik Belarus befindet sich im engen Verbund mit Russland und ist von dem großen Nachbarn wirtschaftlich abhängig. Auch Polens Verteidigungsminister Wladyslaw Kozimiak-Kamysz spricht inzwischen von „verstärkten Operationen russischer und belarussischer Dienste“ an der polnischen Grenze.
Gegen die aus Minsk und Moskau gesteuerten Aggressionen hat Warschau zu verschiedenen Gegenmitteln gegriffen – das aktuellste und rigoroseste ist die Aufhebung des Asylrechts. Seit dem 27. März kann man nur legal einreisen, wenn man einen Antrag stellt. Umgerechnet mehr als 2,3 Milliarden Euro will Polen außerdem unter dem Namen „Schild des Ostens“ bis 2028 in den Schutz der Grenze nach Belarus und Russland investieren. Dazu gehören nicht näher erklärte Befestigungen, Panzersperren, Drohnen, Drohnenabwehr-Systeme, Satellitenüberwachungen und Kameras, aber auch Cyber-Abwehr.
Das Projekt sowie die Grenz-Investitionen der baltischen Länder wurden jüngst im Europaparlament als EU-Projekte abgesegnet; die Brüsseler Kommission hat beschlossen, den vier Ländern insgesamt 170 Millionen Euro zukommen zu lassen. Zum Grenzschutz der polnischen Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk gehört aber auch eine Kampagne in sieben nicht näher genannten Ländern, welche die dortigen Bewohner abschrecken soll, über Polen in die EU illegal einreisen zu wollen.
Menschenrechtler kritisieren polnische „Pushbacks“
Das harte Durchgreifen polnischer Beamter an der Grenze, die sogenannten „Pushbacks“ – also das Zurückschicken von Migranten, die illegal einreisen wollen –, wird von der EU-Kommission mittlerweile nicht mehr kritisiert. Wohl aber von Menschenrechtsorganisationen. Jene fordern das Wiederherstellen des Asylrechts und beklagen Rechtsbrüche im Umgang mit den illegalen Einwanderern. Gerade erst berichtete die regionale Organisatkion „Podlasie Humanitäre Freiwilligenhilfe“ von Schlägen, Tritten und dem Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen, die von polnischen Uniformierten an der Ostgrenze des Landes aufgegriffen wurden.