Immer wieder gibt es Warnungen, dass Putins Ambitionen über die Ukraine hinaus gehen könnten. Moskau macht aus seinen Plänen derweil kein Geheimnis.
Putins Plan mit AfD und „MAGA“„Russland wird Europa die wahre Demokratie lehren“

Kremlchef Wladimir Putin bleibt auf Kriegskurs. Aus Moskau kommen warme Worte für die AfD – und anti-ukrainische „MAGA“-Politiker in den USA. (Archivbild)
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Gerade erst hatte Kirill Dmitrijew seine USA-Reise nach einem Treffen mit der republikanischen Kongressabgeordneten Anna Paulina Luna beendet. Da legte der Moskauer Sondergesandte für Gespräche mit der US-Regierung zusammen mit der US-Politikerin auch schon den Fokus auf die AfD. Luna, die zuletzt von amerikanischen Medien als „aufstrebender Star der MAGA-Bewegung“ betitelt wurde, wandte sich nach dem Treffen mit Putins Gesandtem auf der Plattform X an Alice Weidel – und lud die AfD-Chefin öffentlich zu einem Besuch in den Kongress ein.
„Bitte ziehen Sie in Erwägung, mit einer Delegation Ihrer AfD-Mitglieder nach Washington D.C. zu kommen“, schrieb Luna an Weidel gerichtet. Die AfD-Chefin antwortete wenig später: „Vielen Dank für die freundliche Einladung. Ich werde Sie kontaktieren, um zu besprechen, wie wir das möglich machen können.“
Putin-Gesandter feiert AfD-Erfolg: „Erwachen“ in Deutschland
Auch dem Putin-Gesandten blieben die Planungen nicht verborgen – und Dmitrijew nutzte die Gelegenheit prompt, um ein Narrativ zu platzieren, das Moskau zuletzt immer intensiver zu bedienen versucht. „Die AfD ist jetzt die beliebteste Partei in Deutschland – sie steht auf gegen unkontrollierte Einwanderung, Lügen und Zensur“, schrieb Dmitrijew zu der X-Unterhaltung von Luna und Weidel. In Deutschland gebe es ein „Erwachen“, fügte er an.
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Passend dazu veröffentlichte der Kreml-Diplomat eine Grafik mit Umfrageergebnissen aus Deutschland vom 18. Oktober. Bei einer Insa-Befragung waren mit 27 Prozent damals die meisten Stimmen auf die AfD entfallen. Die öffentliche Unterstützung Russlands für die in Teilen rechtsextreme Partei in Deutschland ist derweil nicht neu. Auch gegenüber republikanischen US-Politikern, die sich ähnlich wie Luna und die AfD gegen die westliche Unterstützung der Ukraine ausgesprochen haben, gibt sich Moskau stets betont freundschaftlich.
Experte warnt: Kreml folgt einem Plan
Der Kreml folgt damit einem Plan, hatte der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski bereits im letzten Jahr im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gewarnt. Ziel sei es, demokratische Regierungschefs im Westen zu Fall zu bringen und „durch Leute wie Viktor Orbán zu ersetzen, die sich relativ leicht durch Geld korrumpieren und kontrollieren lassen“, erklärte der Experte.
Dass Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD, die sich gegen Sanktionen gegen Russland aussprechen, von Moskau mit warmen Worten bedacht werden, komme nicht von ungefähr, erklärte der Historiker. „Wenn Putin sagt, Russland habe ja noch Freunde in Deutschland, dann meint er genau diese politischen Bewegungen, die Demokratie, liberale Ordnung, Westbindung und Co. abschaffen wollen.“

Kreml-Unterhändler Kirill Dmitrijew (l.) und der Sondergesandte von US-Präsident Trump, Steve Witkoff in St. Petersburg. (Archivbild)
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Dmitrijews jüngste Anbiederung an anti-ukrainische „MAGA“-Vertreter wie Luna in den USA und die AfD in Deutschland passt dabei ins Bild. Gleichzeitig lässt Moskau keinen Zweifel daran aufkommen, dass es den derzeitigen europäischen Regierungschefs feindlich gegenüber steht. Nahezu täglich debattieren die Propagandisten im russischen Staats-TV in diesen Tagen über Angriffe auf Europa. Im letzten Jahr forderte die russische Duma in einer Erklärung sogar das deutsche Parlament auf, den damaligen Kanzler Olaf Scholz abzusetzen. Und auch gegenüber Nachfolger Friedrich Merz wählt Moskau immer wieder drastische Worte.
„Europa wird von innen heraus übernommen“
Einen Hehl macht Moskau aus seinen Motiven dabei nicht. Im Gegenteil. „Während Europa die Einsätze erhöht, weil Trump und Putin keine Einigung erzielen können, wird es von innen heraus von einer vereinten Trump-Putin-Macht übernommen“, schrieb jüngst der Autor Petr Akopow in einem Kommentar für die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti freimütig – und legte den Fokus dabei besonders auf die AfD.
In Deutschland gebe es „perfekte Verraussetzungen“, schrieb Akopow. „Dort gilt die beliebteste Partei als pro-russisch“, erklärte der Kolumnist mit Blick auf die AfD. Merz habe die „Verteufelung der AfD“ kürzlich auf die Spitze getrieben, indem er mit Blick auf die Rechtspopulisten von „Putins Partei“ gesprochen habe.
In Moskau könne man sich darüber freuen, befand Akopow, angeblich scherzhaft. „Der russische Präsident hat in Deutschland seine eigene Partei, die zudem noch die beliebteste des Landes ist“, frotzelte er und sprang der AfD dann zur Seite: „Aber im Ernst: Die AfD ist eine pro-deutsche und keine pro-russische Partei.“ Merz werde mit seinen Attacken die Beliebtheit der Oppositionspartei nur weiter steigern, prophezeite der Kolumnist.
„Beliebteste Partei ist Putins Geheimagent“
Auch die jüngsten Spionagevorwürfe des thüringischen Innenministers Georg Maier (SPD) gegen die AfD kommentierte der Kolumnist süffisant: „Jetzt ist es so weit. Die beliebteste Partei Deutschlands ist nicht mehr nur Putins ‚nützlicher Idiot‘, sondern sein Geheimagent“, schrieb Akopow.
Maier hatte zuvor gewarnt, dass die AfD mit Kleinen Anfragen im Parlament Deutschland für Wladimir Putin ausspähen könnte. Sein Innenministerium hat 58 Kleine Anfragen der AfD zu kritischer Infrastruktur zusammengetragen, die den Verdacht untermauern sollen.
AfD-Chef Tino Chrupalla argumentiert ähnlich wie Moskau
AfD-Chef Tino Chrupalla nannte diese Vorwürfe im Gespräch mit dem ZDF daraufhin eine „bodenlose Frechheit“. Chrupallas Argumentation fiel dabei ähnlich der in Moskau aus. „Die Nazi-Keule funktioniert nicht mehr, jetzt versucht man, uns als Agenten Russlands darzustellen“, beklagte der AfD-Chef, der auch mit seinen weiteren Aussagen für Freude im Kreml gesorgt haben dürfte.
Dass US-Präsident Donald Trump erstmals Sanktionen gegen Russland verhängt habe, sei „falsch“, erklärte Chrupalla. „Es schadet am Ende Europa, es schadet Deutschland“, fügte er an. Der EU attestierte Chrupalla derweil, „die Friedensverhandlungen vor allem auch torpediert“ zu haben und warf Europa „Kriegstreiberei“ vor.
Auch diese Darstellung ist in Moskau derzeit sehr populär. So warf der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz am Rande der UN-Generalversammlung Ende September Europa ebenfalls „Kriegstreiberei“ vor – und unterstellte explizit Deutschland eine Militarisierung „mit dem gleichen Ziel, das Hitler hatte: ganz Europa zu unterjochen“.
„Versuch, russische Dominanz in Europa wiederherzustellen“
Nach Ansicht westlicher Experten ist diese Darstellung eine Umkehrung der Realität. Russland gehe es „nicht nur um einen Regionalkrieg gegen die Ukraine, sondern um den Versuch, russische Dominanz in Europa wiederherzustellen“, erklärte kürzlich der Schweizer Historiker Oliver Jens Schmitt von der Universität Wien im Gespräch mit dem „Tagesanzeiger“.

Sergei Lawrow, Außenminister von Russland, spricht bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York. (Archivbild)
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Es sei „illusionär“, zu glauben, dass Moskau sich in Zukunft an „Grenzen und Verträge“ halten werde. Europa habe jedoch das Potenzial, die russischen Bestrebungen zu stoppen. Allerdings hapere es in Teilen Europas bereits an der Lage-Analyse, führte Schmitt aus. „Man hält den Krieg noch immer für einen begrenzten Regionalkonflikt – und unterschätzt die reale Gefahr.“
Deutliche Worte in Moskaus Propagandamedien
Eine weitere RIA-Kolumne aus den letzten Tagen stützt diese These. Die Zeiten eines „friedlichen, wohlhabendes oder paradiesischen“ Europas seien vorbei, schrieb dort die Autorin Elena Karaewa und unterstellte Kanzler Merz sowie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, undemokratisch zu handeln.
„Sie haben die demokratischen Institutionen in ihren eigenen Ländern abgeschafft. Und sie haben die Presse zerstört“, polterte die Kolumnistin, deren Heimatland im Demokratie-Index, der jährlich von der Economist Intelligence Unit veröffentlicht wird, derzeit auf Platz 146 von 167 Ländern rangiert.
„MAGA“ und Moskau: „Danke, dass Sie ein Friedensstifter sind“
Aus Moskaus Motiven machte die Staatsagentur derweil auch in diesem Text kein Geheimnis. „Russland wird Europa die wahre Demokratie lehren“, lautete der Titel der Kolumne. Die „Make America Great Again“-Bewegung und die AfD sollen dabei offenbar behilflich sein.
US-Politikerin Luna verkündete unterdessen am Mittwoch bei X: „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich morgen ein Mitglied der AfD treffen werde. Außerdem werde ich sie im Dezember in Washington empfangen.“
Von Putins Gesandtem, der zu dem Treffen mit der Republikanerin mit Putin-Pralinen und Blumen erschienen war, hatte Luna zuvor bereits ein weiteres Lob erhalten. „Danke, dass Sie ein Friedensstifter sind“, schrieb Dmitrijew am Dienstag in dem sozialen Netzwerk an Luna und fügte ein Emoji mit Heiligenschein an.
MAGA-Politikerin spricht von „Kriegstreiberei“ des Westens
Luna hatte zuvor verkündet, die Zeit der „Kriegstreiberei“ im Westen sei nun vorbei. Kritik aus dem Baltikum hatte sie zuvor ebenfalls zurückgewiesen. „Jahrelang weigerten sich die Nato und die EU, ihren gerechten Anteil zu zahlen – und jetzt wollen sie, dass wir endlose Kriege im Ausland finanzieren?“, antwortete die Republikanerin auf Kritik an dem Treffen mit Dmitrijew.
„Jeder Politiker, egal wo auf der Welt, der andere bluten lässt, während er selbst sicher hinter einem Podium sitzt, ist für das Amt ungeeignet“, schrieb sie in Richtung des estnischen Politikers Marko Mihkelson. Dass Dmitrijew, den sie kurz zuvor noch freundlich empfangen hatte, und der Rest des Kremls dieser Beschreibung deutlich besser entsprechen als Mihkelson, störte den „MAGA“-Shootingstar dabei offensichtlich nicht.
