Rundschau-Debatte des TagesSind Steuergelder für Kirchen gerechtfertigt?

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Kirche

Symbolbild

  • Jedes Jahr zahlt der Staat aus Steuergeldern mehr als eine halbe Milliarde Euro an Katholiken, Protestanten und weitere Glaubensgemeinschaften in Deutschland.
  • Warum ist das so? Und sollte die Politik diese Praxis ändern?

Köln – Die Finanzierung der Kirchen ist eine jahrhundertealte Frage und sie scheint kein Ablaufdatum zu kennen. Dabei hört die Diskussion nicht bei der Kirchensteuer auf, denn die Gesetze sehen für die Kirchen noch andere Staatsleistungen vor.

Was zahlt der Staat an die Kirchen?

Die Bundesländer zahlen jedes Jahr Millionen an unterschiedliche Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland. Ganz vorne dabei sind Katholiken und Protestanten. Den Gemeinden ist nicht vorgegeben, wie sie das Geld ausgeben sollen. Finanziert wird es aus Steuergeldern. Diese Zahlungen werden als „Staatskirchenleistungen“ bezeichnet.

Warum zahlt der Staat diese Leistungen?

So ganz exakt weiß das heute keiner mehr. Denn die Verträge und Vereinbarungen, auf die die Zahlungen zurückgehen, sind teils jahrhundertealt. Wie viele es genau sind, ist unklar. Es gibt aber einige große Erzählstränge, wenn es um die Herkunft dieser staatlichen Verpflichtungen geht. Im Zentrum steht die Säkularisation: Im Laufe der Jahrhunderte wurden Staat und Kirche zunehmend getrennt. Weltliche Fürsten verpflichteten sich dafür zum Beispiel, Pfarrern eine auskömmliche Besoldung zu sichern. Auch Enteignungen spielten eine Rolle – so wurden Kirchenländereien und Gebäude genutzt, um weltliche Fürsten für Gebietsverluste zu entschädigen, die sie ihrerseits erlitten hatten. Für diese Enteignungen wurden Entschädigungszahlungen vereinbart. Laut Experten erübrigt sich die juristische Aufschlüsselung heutzutage weitgehend, denn all diese Zahlungen sind in Pauschalen umgewandelt worden.

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Zahle ich die Kirchen-Gehälter mit, wenn ich nicht in der Kirche bin?

Ja und nein. Nein, denn das Geld wird in der Regel nicht einzeln aufgeschlüsselt. Ob eine Religionsgemeinschaft damit eine Pfarrerin bezahlt, Flyer druckt oder eine Party feiert, ist ihr überlassen. Es ist allerdings richtig, dass dafür Steuergelder verwendet werden. Ob ein Steuerzahler Kirchenmitglied ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Es gibt auch noch andere Staatsleistungen – zum Beispiel sind die Kirchen von der Grundsteuer befreit. Übrigens: Die Hansestädte Hamburg und Bremen zahlen als einzige Bundesländer keine Staatsleistungen.

Müssen die Leistungen an die Kirche ewig weitergezahlt werden?

Im Grundgesetz steht, dass die Staatsleistungen abgelöst werden müssen. Viele Experten gehen davon aus, dass es dazu ein Bundesgesetz braucht, das den Rahmen dafür setzt, ein sogenanntes „Grundsätzegesetz“. Das Grundgesetz hat diesen Anspruch aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen. Seit 100 Jahren ist er aber nicht in die Tat umgesetzt worden, wobei in der Verfassung auch kein „Ablaufdatum“ steht, bis zu dem alles geregelt sein soll. Unabhängig von der Bundesregelung könnten die Bundesländer mit den Religionsgemeinschaften auch selbst aushandeln, wie das Ganze abgewickelt werden soll. Allerdings warten die meisten darauf, dass der Bund den Rahmen dafür absteckt.

Gab es bereits eine Initiative für eine Neuregelung?

In der vergangenen Legislatur haben sich FDP, Linke und Grüne zusammengeschlossen und einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Staatsleistungen innerhalb von 20 Jahren von den Bundesländern abgelöst werden sollten. Das Gesetz fand jedoch keine Mehrheit. Das könnte sich mit dem neuen Bundestag ändern.

Was sagen die Kirchen in Deutschland dazu?

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sagt, sie würde eine Ablösung begrüßen – gegen eine „angemessene Abschlusszahlung“. Sie argumentiert, die Staatsleistungen machten sowieso nur einen kleinen Anteil im Haushalt aus – 2014 seien es 2,2 Prozent gewesen. Auch in der katholischen Kirche heißt es, man werde sich mit Blick auf die Ablösung „einer weiter gehenden Lösung nicht verschließen, wenn und soweit diese ausgewogen ist“. Wie viel genau die katholischen Bistümer bekommen, kann die Deutsche Bischofskonferenz nicht sagen. Dafür fehle eine Datengrundlage, heißt es auf Anfrage.

Wie hoch wären die Ablösungssummen?

Das ist strittig. Während die AfD die Leistungen ersatzlos abschaffen will, hatten die drei Oppositionsfraktionen einen Weg vorgeschlagen, der nach Auffassung mehrerer Experten rechtssicherer sein soll. Im Raum stand das 18,6-fache der jährlichen Zahlungen.

Bekommen die Kirchen nur Staatsleistungen?

Wer als Religionsgemeinschaft anerkannt ist – wie christliche Kirchen, aber auch Juden und Muslime oder Methodisten – kann auch zweckgebunden Geld vom Staat bekommen. Zum Beispiel für die Gefängnisseelsorge oder für Religionsunterricht. Diese Zahlungen sind unabhängig von den Staatsleistungen, die nicht zweckgebunden sind.

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