Ein 50-jähriger Nigerianer muss sich in Bonn vor Gericht wegen der Einfuhr von Drogen verantworten. Bei der Aktion brachte er sich in akute Lebensgefahr.
Prozess in BonnKurier schluckte 1,5 Kilogramm Drogen und schwebte in akuter Lebensgefahr

Paragrafen-Symbole an den Türgriffen am Eingang zum Bonner Landgericht.
Copyright: dpa (Symbolfoto)
Am Dienstag, 28. Januar, setzten sich zwei Beamte des Zollfahndungsamts Köln auf der A 3 mit ihrem Dienstfahrzeug vor den FlixBus N 28, der auf dem Weg von Amsterdam über Düsseldorf ins oberitalienische Verona war, und lotsten ihn auf den Rastplatz Logebachtal. Bei der Kontrolle der Passagiere fiel ihnen ein Nigerianer auf, der überaus nervös schien und stark schwitzte.
Die erfahrenen Zollfahnder machten bei ihm einen Drogenschnelltest und stellten dabei Rauschgiftspuren an den Händen fest. Da weder in seiner Kleidung noch in der kleinen Tasche, die er mit sich führte, verdächtige Substanzen gefunden wurden, nahmen sie ihn vorläufig fest und brachten ihn zur Röntgenuntersuchung ins Krankenhaus Köln-Kalk.
Die Ärzte dort entdeckten auf dem Bildschirm Dutzende von Verpackungen in seinem Magen, jede 4,5 mal 1,5 Zentimeter groß. „Es bestand akute Lebensgefahr“, sagte einer der Zollfahnder am Freitag als Zeuge vor der 1. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts, wo sich der 50-jährige Afrikaner wegen der Einfuhr von Drogen und des Handels mit Betäubungsmitteln verantworten muss.
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„Rekordverdächtige Menge“ Drogen im Körper des Angeklagten
Die Ärzte legten den Verdächtigen sofort auf die Intensivstation, verabreichten ihm ein Abführmittel und danach schied er auf einem Toilettenstuhl über Stunden 111 kugelförmige Verpackungseinheiten aus. In jeder dieser sogenannten Bubbles waren zehn bis zwölf Gramm Heroin oder Kokain in Cellophanfolie eingedreht worden, insgesamt über 1,1 Kilogramm Drogen, sodass sich mit dem Verpackungsmaterial über 1,5 Kilogramm an Fremdkörpern im Magen- und Darmtrakt des Angeklagten befanden.
„Die Menge ist rekordverdächtig“, sagte eine Sprecherin des zuständigen Zollfahndungsamtes Essen auf Anfrage dieser Zeitung. Staatsanwalt Martin Kriebisch, der die Anklage in dem Prozess vertritt, bestätigte: „Das ist kein 08/15-Fall“, in dem ein Drogenverkäufer mal ein paar Bubbles geschluckt habe, um sie vor der Polizei zu verstecken.
Der Angeklagte gab in einer Erklärung seines Verteidigers Attila Yilmaz zu, die Beutelchen eingenommen, aber nicht gewusst zu haben, was darin gewesen sei. „Es war unrecht“, erklärte er, aber er habe „aus Verzweiflung“ und um seine Familie zu ernähren, das Angebot eines Unbekannten akzeptiert, für 2000 Euro den Transport durchzuführen. Dessen Namen verschwieg er.
Der Mann auf der Anklagebank wurde 1975 in Nigeria geboren, verlor nach eigenen Angaben im Alter von zwei Jahren am gleichen Tag seine Eltern und schlug sich danach ohne Schulbildung als Gelegenheitsarbeiter durch. 2012 reiste er nach Libyen, blieb dort anderthalb Jahre und floh 2013 mithilfe von Schleusern mit einem Schlauchboot über das Mittelmeer nach Europa, wo er auf der italienischen Insel Lampedusa landete.
Nach Einschätzung des Zolls nicht zum ersten Mal Drogen geschmuggelt
Zuletzt hat er angeblich mit Tochter und Enkelkind in Rom gelebt und 900 Euro als Packer verdient. Am 27. Januar zahlte ihm nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einer der Hintermänner des Drogengeschäfts einen Flug von Rom nach Eindhoven (Niederlande); von dort ging es nach Amsterdam, wo er vor der Abfahrt mit dem Fernbus die lebensgefährlichen Kugeln geschluckt haben will.
„Ich hatte extreme Todesangst“, erinnerte er sich. Nach Einschätzung des Zeugen von der Zollfahndung hat der Angeklagte diese Prozedur nicht zum ersten Mal gemacht; er sei geübt darin gewesen, die Päckchen auszuscheiden. Ihm drohen wegen der Einfuhr der Drogen zwei bis 15 Jahre Haft.