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Fünf MädchensitzungenMit Kasalla und Co. – So waren die ersten Termine in der Vettweißer „Hölle“

Lesezeit 6 Minuten
Eine Band steht auf der Bühne, die Fans in Karnevalskostümen feiern in einem Festzelt.

Mit 1900 jecken Damen feiern Kasalla und Co. in Vettweiß – und das fünf Mal.

Auch zwei Jahre Corona-Pause können der Hölle von Vettweiß nichts anhaben. Bei fünf Mädchensitzungen wird mit den Kölschen Spitzenbands ausgelassen gefeiert. 

Die Hölle ist wieder offen. Und sie brodelt wie eh und je. Nach zwei schier unendlich langen Corona-Ausfalljahren kommen wieder rund insgesamt 10.000 Jecke ins kleine Örtchen Vettweiß direkt hinter der Kreisgrenze. Fünfmal sind die Damen mit ihren Sitzungen dran – daher hat die Hölle von Vettweiß auch ihren Namen und den legendären Ruf. Dazu kommen   der Männerstammtisch und eine Kindersitzung. In diesem Jahr stehen nach interner Zählung der KG Rot-Weiss die Sitzungen 115 bis 120 an.

Man will sich wieder liebhaben können, bützen können.
Marita Köllner (Et fussisch Julche)

Die Dielen beben. Rund 1900 jecke Frauen schunkeln zu Marita Köllners „Flieg mit mir heute Nacht in den Himmel“. Man fragt sich, woher das 64-jährige „Fussich Julche“, wie ihr Künstlername ist, im 42. Jahr auf der Karnevalsbühne immer wieder diese Energie hernimmt. Mutmaßlich ist es das Publikum, das Köllner von Session zu Session trägt. Die Geschichte einer Liebe über Generationen. „Die Menschen sind total ausgelassen. Man will sich wieder liebhaben können, bützen können. Mit Corona-Abstand ging ja noch nicht mal das Schunkeln“, sagt Köllner wenige Minuten nach ihrem Auftritt.

Kasalla-Sänger Bastian Campmann: „Das ist intensiver als vor Corona“

Köllner ist vom Neustart der Hölle von Vettweiß begeistert. Man hat, was Köllners Eindruck bestätigt, das Gefühl, dass sich bei den 1900 zum allergrößten Teil kostümierten Frauen einiges angestaut hat. Sechs Stunden lang haben sie pro Sitzung Gelegenheit, das herauszulassen.

Alles zum Thema Cat Ballou

„Ja. Das ist intensiver als vor Corona“, urteilt wenig später Bastian Campmann, Sänger von Kasalla. Die Band ist wieder im Vor-Corona-typischen Sessionsstress. Einerseits ist das eine anstrengende Sache. „Aber wir sind froh, dass wir es noch können“, so Campmann. Aber jetzt mal etwas Realismus: Große Tourneen machen auch beispielsweise Rammstein, und deren Bandmitglieder sind zwischen 51 und 60 Jahre alt. Der Kasalla-Sänger grinst: „Till Lindemann von Rammstein möchte ich mal eine Session spielen sehen…“

Auf der Bühne der Hölle von Vettweiß ist jetzt noch mehr Platz

Und schon geht es für Kasalla wie für alle Höllen-Künstler durch den Tunnel zur Bühne. Den Bückgang durch die zum Halbkreis gereckten Arme des Publikums hat rund 30 Minuten zuvor schon Annette Eßer aus Kaldenkirchen, als Putzfrau „Achnes Kasulke“ in der Kittelschürze bekannt, hinter sich gebracht. „Das war wieder ein Gänsehauterlebnis“, sagt sie.

Angekommen auf der Bühne haben die Bands, ob Brings, Kasalla, Cat Ballou, Paveier oder Torben Klein & Band, die Showtanzgruppen und Garden jetzt erstaunlich viel Platz. Die KG Vettweiß hat das ohnehin   große Festzelt noch einmal um ein Element erweitert. Das gibt zusätzliche fünf Meter Breite und Länge. Die Nachfrage ist einfach riesig. Zudem ist die Bühne neu. Vor dem Elferrat mit den sich abwechselnden Sitzungspräsidenten Hans-Gerd Barkhoff, Udo Kreitz und Andreas Esser ist jetzt eine Fläche in der Dimension eines halben Fußballkleinfeldes. Die Band Höllenexpress, zuständig vor allem für den Tusch, verschwindet fast in der Ecke.

Bei den Jecken hat sich so einiges angestaut

„Mir han jenoch vun Vire, mir wolle widder fiere!“ Getreu dem   Sessionsmotto der KG lässt sich derweil im Saal auch eine Zwölfer-Gruppe aus Vussem, Mitglieder der Showtanzgruppe „Tanzchaoten“, nicht lange bitten. Auch, weil sie ihr Glück kaum fassen können. „Das ist unsere Premiere hier“, sagt Nadja, die wie die Freundinnen als „De Jacke Männ“ kostümiert ist.

Vier Jahre habe man sich vergeblich um Eintrittskarten bemüht, jetzt hat es endlich geklappt. „Wir sind froh, dass der Karneval endlich wieder stattfindet“, so Nadja. Mit-Tänzerin Lena, die wie Freundin Marion als Voodoo-Priesterin kostümiert ist, freut sich ganz besonders auf die   Riesensause: „Hier kann man einfach so sein, wie man möchte!“

Das hier... Einfach ohne Worte. Es gibt nichts Vergleichbares.
Peter Brings

Ein paar Tischreihen weiter ist eine Gruppe aus 16 Vogelscheuchen aus Wichterich ebenfalls feierselig. „Das macht hier einfach Spaß“, freut sich Maria. Das erste Mal nach Corona habe man alle großen Karnevalskräfte zum moderaten Preis in einer Sitzung. „Ganz ehrlich: Wir haben während Corona einfach privat gefeiert“, so ihr Bekenntnis. Sie und die Freundinnen nehmen die närrischen Wortbeiträge von Achnes Kasulke und Guido Cantz wohlwollend zur Kenntnis. „Und dann ist Party!“

Auch Brings müssen im Bückgang durch den Tunnel

Während Kasalla noch für euphorische Begeisterungsstürme sorgt – bei „Stadt mit K“ gerät der Zeltboden wieder in deutliche Schwingbewegungen – hat auch Peter Brings schon einen ersten Blick aufs Getümmel geworfen. Seit 20 Jahren sind die Kölschrocker   zuverlässiger Stimmungsgarant in der Hölle. „Das hier... Einfach ohne Worte. Es gibt nichts Vergleichbares“, ist Brings doch mal kurz fassungslos ob des Trubels: „Das Leben kommt zurück. Das hier ist ein Indiz, dass wir die Corona-Kacke endlich hinter uns haben!“

Zudem finde er es gut, dass die jecken Wiever im Gegensatz zu manchen Männern auf Herrensitzungen friedlich feiern können. Und dann macht sich die Band startklar. Der Bückgang durch den Tunnel gehe schon auf den Rücken, schwante Peter Brings zuvor. Sekunden später ist das vergessen und es beginnt die nächste superjeile Zick.


Auch für 2024 planen die Vettweißer wieder die Höllenwoche. Ab dem 4. Februar, 9 Uhr, sind online Kartenbestellungen möglich, die im Losverfahren zugeteilt   werden.


KG-Präsident Peter Eversheim über den Neustart und Einbußen

Im Interview berichtet Peter Eversheim, Präsident der KG Rot-Weiß Vettweiß, wie der Verein, der die Höllenwoche veranstaltet, durch die Corona-Jahre gekommen ist.

Wie ist die KG durch die Corona-Pause gekommen?

Peter Eversheim: Gut! Die Garden haben durchtrainiert, trotz aller Probleme. Wir haben keine Mitglieder verloren.

Wie steht es um die Finanzen nach zwei ausgefallenen „Höllen-Jahren“?

Wir haben zwei komplette Sitzungswochen völlig umsonst vorbereitet, Kartenvorverkauf und Rückerstattung inklusive. Es geht um 300.000 Euro   Eintrittsgelder pro normaler „Höllen-Woche“. 2021 haben wir noch die Platzzahl auf 1300, dann auf 1000 reduziert, bevor abgesagt werden musste. Für den Ausfall 2022 haben wir Mittel aus dem Solidarfonds bekommen, aber zehn Prozent der Kosten bleiben bei uns hängen.

Einige Vereine haben Probleme mit dem Neustart. Zelte und Energie sind deutlich teurer. Wie ‚sieht‘ es in Vettweiß aus?

Das trifft uns auch. Das Zelt ist doppelt so teuer wie 2020. Für unseren eigenen Karneval während der tollen Tage haben wir keinen Wirt gefunden. Jetzt machen wir es eben selbst. Auch das deutlich kleinere Zelt als wir es für die „Hölle“ brauchen, kostet schon 7000 Euro inklusive Ausstattung. Jetzt müssen wir sehen, was aus der „Hölle“ übrig bleibt, um das zu finanzieren.

Zweifel, dass die Hölle 2023 offen ist, gab es aber keine?

Nein, bei uns haben aber auch alle mitgezogen. Von Klein bis Groß haben wir als Verein lange darauf hingearbeitet. Diese Mühe machen sich wirklich nur Karnevalsverrückte. (sli)

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