Hätz und Haltung in KölnRückblick auf eine Session mit vielen Höhepunkten

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In den Veedeln herrschte gute Stimmung.

  • Die Session war bunt und voller Höhepunkte.
  • Das Festkomitee hat sich politisch klar positioniert.
  • Die Exzesse auf der Straße werden ein Thema für Polizei und Stadt.

Köln – Der Karneval 2020 in Köln: ein Rückblick auf den Rosenmontagszug, das Dreigestirn, die Bläck Fööss, starke Veedel und mehr.

Rosenmontagszug

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Der Kölner Rosenmontagszug

Dem neuen Zugleiter Holger Kirsch und seinem Kreativ-Team ist eine Mischung aus kölschen und internationalen Themen gelungen. Der Zug war politischer und aktueller als in den Jahren zuvor. Wenn es nun im Frühjahr gelingt, die Teilnahmekriterien so zu modifizieren, dass sich auch neue Gruppen präsentieren können, wird der Rosenmontagszug an Vielfalt gewinnen. 

Dreigestirn

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Das Kölner Dreigestirn

Selten hat ein Prinz die Jecken so sehr berührt wie Christian II., und wohl nie hat ein närrischer Regent so viele Tränen der Rührung vergossen. Dieser Prinz konnte auch mal zuhören, war immer ganz er selbst. Dass er mitten in der Session noch sein Liebesglück fand, ist fast zu schön, um wahr zu sein. Auch Bauer Frank und Jungfrau Griet präsentierten sich als bodenständige und beste Botschafter des Frohsinns. Das Reiterkorps Jan von Werth kann stolz sein auf sein Dreigestirn.

Die Bläck Fööss

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Die Bläck Fööss

In den Sälen und im Zoch gefeiert. Mit der Nummer „De nächste Rund“ ist den Bläck Fööss der Sessionshit gelungen – der Sieg bei „Loss mer singe“ und „Jeck Duell“ war folgerichtig. Das lässt auf eine Zukunft der Band auch in neuer Besetzung hoffen. Denn es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzten beiden Gründungsmitglieder in die musikalische Rente gehen. Starke Lieder sind aber nötig für die künftige Identität der Gruppe. So kann es weitergehen.

Starke Veedel

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In den Veedeln herrschte gute Stimmung.

Karneval muss nicht zwangsläufig in der Innenstadt gefeiert werden, auch die Veedel haben ihre Anziehungspunkte. Um diesen Trend fortzusetzen, bedarf es weiterer Unterstützung der Stadtteile – vielleicht durch Kooperationen zwischen kleinen und großen Vereinen, so wie dies bei den Schull- un Veedelszöch angestrebt wird. Dass die ausfallen mussten, ist bitter, aufgrund des Sturms ging es aber nicht anders.

Haltung

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Der weinende Kölner Dom

Der Anschlag von Hanau hat auch die Jecken schockiert. Das Festkomitee hat sich mehrfach klar positioniert: Mit einer Schweigeminute zu Beginn des Straßenkarnevals, mit dem Aufruf zur Demonstration am Dom am Folgetag und einem schnell gebauten Wagen im Zoch. Zugleiter Holger Kirsch verspricht: „Rechten Auswüchsen werden wir entschlossen entgegentreten.“ Er meint das sehr ernst, und die Session hat gezeigt, dass es auch dem Karneval gut tut, wenn sich die Narren bei den politischen Themen nicht wegducken.

Das Motto

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„Nur zesamme sin mer Fastelovend“

„Nur zesamme sin mer Fastelovend“ bietet eine Steilvorlage zur jecken Völkerverständigung. Kirsch und Festkomitee-Chef Christoph Kuckelkorn haben schon klar gemacht, dass sie es auch politisch füllen wollen. Auf integrative Aktionen und viele Vereine, die das Motto mit Leben füllen, darf man gespannt sein. Mit dem „Stammbaum“ von den Fööss ist die passende Hymne bereits geschrieben.

Kneipen

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Zülpicher Exzesse

Nach den Auswüchsen am 11.11.2017 ist einiges passiert: Es gibt deutlich mehr Toilettenhäuschen, und eine verbesserte Kommunikation mit dem Ordnungsdienst. Mit dem angedrohten Verbot der Drängelgitter hat die Stadt aber ein Eigentor geschossen. In vielen Straßen im Veedel sind die Gitter notwendig, um Gefahren abzuwenden. Das hat die Stadt auf den letzten Metern eingesehen, am Ende wurden sechs Gitter entfernt, 16 umgestellt.

Viel schlimmer: Die Exzesse auf den Straßen. Der Zülpicher Platz musste von der Polizei gleich zwei Mal geräumt werden, weil die Situation zu eskalieren drohte. Während in den vergangenen Jahren meist Streitigkeiten zwischen Einzelnen im Mittelpunkt standen, formierten sich laut Polizei dieses Mal Gruppen von 350 und 500 gewaltbereiten Jugendlichen.

Die Stadt wird sich mit der Polizei Gedanken darüber machen müssen. Insgesamt feiern immer mehr junge Leute mit Lautsprechern auf der Straße – und lassen den Alkohol fließen.

Kölsche Tön

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Kölsche Tön

Der Nachschub an kölschem Liedgut ist offenbar unerschöpflich. Der heimliche Kneipenhit: „Verlieb Dich nie“ von El Dorado. Der eingekölschte Coversong des „Versengold“-Stücks rät dringend ab von einer Romanze mit der Thekenfrau. Querbeat haben weniger Aufritte hingelegt, dafür drängen Miljö (Foto) oder Lupo immer weiter nach vorne. Es läuft. Zudem landete die AG Arsch huh mit dem Statementsong „Su läuft dat he“ weit vorn in der Gunst der Jecken .

Geisterzug

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Kölner Geisterzug

Statt im Trubel des Straßenkarnevals nur einer von vielen Umzügen zu sein und den Jecken als bloßes Vorgeplänkel zum Kneipenkarneval zu dienen, geht der Geisterzug nun eine Woche früher. Damit besinnen sich die Organisatoren auf die politischen Wurzeln und werden wohl auch im kommenden Jahr als angemeldete Demonstration durch die Straßen ziehen. Weniger Teilnehmer, mehr Inhalt: ein guter Ansatz.

Feiermarathon

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Inzwischen wird gefühlt den gesamten November hindurch die Sessionseröffnung gefeiert, außerdem beginnt schon am 2. Dezember die Stunksitzung - kurz nach der Öffnung der Weihnachtsmärkte. Wir freuen uns deshalb, dass schon am 15. Februar 2021 Rosenmontag ist.  

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