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Infografik

Wandel des Tagebaus
Garzweiler und Hambach auf dem Weg zur Seelandschaft

5 min
See-Garzweiler-Titz-Jackerath

Die Tagebaue Garzweiler und Hambach sollen über Jahrzehnte mit Wasser gefüllt werden. 

Mit einer Leitung vom Rhein bis hin zu den Tagebauen sollen zwei der größten Seen in Deutschland entstehen. Es gibt aber noch offene Fragen.

Aus Marslandschaften werden Seen: Der Rhein soll über 45 Kilometer lange Leitungen die beiden Tagebaue Hambach und Garzweiler nach dem Ende des Kohleabbaus ab 2030 mit Wasser füllen. So sollen dort zwei der größten Seen Deutschlands entstehen. Es gibt aber auch Kritik von Umweltverbänden und offene Fragen.

Was ist der aktuelle Stand?

Für die Rheinwassertransportleitung lagern bereits mehrere tausend Rohre auf Lagerplätzen am Kraftwerk Neurath und auf einer Fläche des ehemaligen Tagebaus Fortuna bei Bergheim, wie RWE mitteilt. Auch habe der Energiekonzern bereits Bauunternehmen für die ersten Verlegearbeiten unter Vertrag genommen. Umfangreiche Untersuchungen des Baugrundes für das geplante Pumpwerk in Dormagen seien bereits durchgeführt worden.

Wann kann der Bau tatsächlich starten?

Aktuell wartet das Unternehmen noch auf eine Planfeststellung der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg. Ein Pressesprecher von RWE erklärte, dass das entsprechende Verfahren weit fortgeschritten sei. „RWE ist darauf vorbereitet, mit den Arbeiten für die Rheinwassertransportleitung zeitnah nach Erhalt der Zulassung beginnen zu können.“ Es sei möglich, die Genehmigung für den Bau noch in diesem Jahr zu erteilen.

Das Bild zeigt die aufgereihten großen Rohre.

Die Rohre für die Rheinwassertransportleitung sind am Kraftwerk Neurath und auf einer Fläche des ehemaligen Tagebaus Fortuna zwischengelagert.

Die Bezirksregierung Arnsberg verweist dagegen auf eine ganze Liste an Genehmigungen und Erlaubnissen, die im ausstehenden Beschluss zusammengeführt werden: „Bei einem so komplexen Verfahren, an dessen Ende ein mehrere hundert Seiten umfassender Beschluss stehen wird, ist es kaum möglich eine Prognose zum Fertigstellungstermin zu stellen.“ Die Behörde peilt einen Abschluss im ersten Quartal des kommenden Jahres an.

Bevor das Wasser dann fließen kann, brauche es Verfahren für jeden einzelnen See. „Für den Tagebausee Hambach wurde ein Planfeststellungsverfahren zur Erstellung eines Sees zum Ende des Jahres 2026 angekündigt.“ Die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren für den Tagebausee Garzweiler werden voraussichtlich erst Anfang der 30er Jahre vorgelegt werden, so die Bezirksregierung Arnsberg.

Ist der Rhein sauber genug?

Der BUND NRW spricht mit Verweis auf den Rheingütebericht NRW von verschiedenen Schwermetallen und organischen Spurenstoffen im Wasser des Rheins, etwa Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Arzneimittelwirkstoffe, Röntgenkontrastmittel, Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) und viele mehr. „Laut Interpretation des Umweltministers gelten die strikten Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie für die Restseen erst ab dem Zeitpunkt der vollständigen Befüllung der Braunkohletagebaue, also frühestens ab dem Jahr 2070“, so Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND NRW.

Aus Sicht des Vereins ist das zu spät: „Wenn bis zu diesem Zeitpunkt aber schon Milliarden Kubikmeter schadstoffbelasteten Rheinwassers eingeleitet wurden, haben wir potenziell ein Problem.“ Die Forderung: Schon jetzt sollen vorbeugend alle Anforderungen an eine hohe Qualität des verwendeten Rheinwassers erfüllt werden, indem es gereinigt wird.

Der zukünftige Tagebausee

Der zukünftige Tagebausee

RWE verwies auf Voruntersuchungen und erklärte, die Qualität des Rheins sei für die Befüllung der See ausreichend. „Vielerorts wird ufernah gewonnenes Brunnenwasser aus dem Rhein für die Trinkwasserversorgung verwendet“, sagt der Energiekonzern. Es gebe umfassende Beprobungen und fundierte Monitorings, die auch während der Seebefüllung fortgeführt werden. Auf die Frage, wie das Wasser gereinigt und aufbereitet werden soll, ging RWE nicht ein.

Was sagen Umweltministerium und Erftverband?

Das NRW-Umweltministerium erklärt auf Anfrage, dass eine Arbeitsgruppe 2022 die grundsätzliche Eignung des Rheinwassers für die Befüllung der Seen feststellte, aber auch weiteren Untersuchungsbedarf aufzeigte. „Aktuell werden unter Leitung des MUNV Fragen zur chemischen Überwachung, zu Auswirkungen auf Seen und Grundwasser sowie zu Schutzmaßnahmen geprüft. Dabei spielt der Schutz der Trinkwasserversorgung und ökologisch sensibler Feuchtgebiete eine zentrale Rolle.“

Der Erftverband teilte die Einschätzung, dass der Rhein grundsätzlich geeignet sei und verwies auf die weiteren Untersuchungen. „Aus unserer Sicht gilt es, insbesondere die Wasserversorgung zu schützen.“ Von großer Bedeutung sei aus Sicht des Verbandes, rechtzeitig über ein wirksames Überwachungssystem zu verfügen und den Prozess über die Jahrzehnte hinweg sorgfältig zu überwachen.

Gibt es trotz Klimawandel genug Wasser?

RWE erklärte, dass der Rhein ausreichend Wasser für die Befüllung der Seen führt. Außerdem gibt es ein gestaffeltes Wasserentnahmekonzept. Maximal 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde sollen durch die Rohre fließen. Fällt der Pegel des Rheins, wird die Leitung gedrosselt.

Dirk Jansen von BUND NRW erklärte auf Anfrage, dass sich nur unzureichend voraussagen lässt, wie die Wasserführung des Rheins zukünftig aussehen wird. „Generell deutet sich an, dass die Gletscherschmelze als Korrektiv wegfallen wird und die Niedrigwasserzeiten – vor allem im Sommerhalbjahr – zunehmen werden.“ Dazu käme, dass die Feuchtgebiete am Tagebau Vorrang vor der Befüllung des Lochs haben. „Kann also wenig Wasser aus dem Rhein entnommen werden, würden zuerst die Mengen zum Erhalt der Feuchtgebiete abgezweigt. Letztlich würde das im Zweifel bedeuten, dass die Löcher nicht – wie optimistisch prognostiziert – in 40 Jahren gefüllt sind, sondern dass es länger dauert.“

Muss RWE für die Wasserentnahme zahlen?

Das Wasserentnahmegesetz des Landes sieht pro entnommenem Kubikmeter Wasser fünf Cent vor. Bei 340 Millionen Kubikmetern Wasser würden pro Jahr 17 Millionen Euro anfallen. Aus einem Bericht des Umweltministeriums geht hervor, dass es zwar durchaus Tatbestände für eine Befreiung vom Entgelt gibt, diese aber für die Rheinwassertransportleitung „nach derzeitigem Sachstand“ nicht erfüllt seien. „Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist in Bezug auf die geplante Rheinwasserentnahme ab dem Jahr 2030 eine Festsetzung frühestens im Jahr 2031 möglich“, heißt es im Bericht.

RWE erklärte auf Anfrage, den behördlichen Verfahren, die erst 2030 erörtert werden, nicht vorgreifen und sich darüber hinaus nicht an Spekulationen beteiligen zu wollen.

Zuletzt hatte der BUND NRW ein rechtliches Gutachten in Auftrag gegeben, laut dem RWE für die Wasserentnahme zahlen werden muss. „Der Konzern sollte das endlich anerkennen und zu seiner Verpflichtung stehen, die durch die Braunkohlengewinnung hervorgerufen Langzeitschäden so weit wie möglich zu minimieren und auszugleichen“, sagt Dirk Jansen. Der Gesetzgeber könne zwar neue Ausnahmetatbestände durch eine Änderung des Gesetzes definieren. „Das aber wäre ein Kniefall vor den Interessen von RWE und ein Angriff auf das Allgemeinwohl.“