„Letzte Generation“Warum sich die Aktivisten in Köln auf die Straße kleben

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Letzte Generation Innere Kanalstraße

Nichts geht mehr: Demonstrierende blockieren am Montagmorgen die Innere Kanalstraße, zwei kleben sich fest. 

Köln – Eine Tube Sekundenkleber und eine große Portion Entschlossenheit – mehr Zutaten bedarf es nicht, um den morgendlichen Berufsverkehr ins Chaos zu stürzen. Um acht Uhr am Montag setzen sich fünf Aktivistinnen und Aktivisten der Initiative „Letzte Generation“ auf die Innere Kanalstraße in Höhe des Gleisdreiecks. Zwei von ihnen kleben sich auf der Fahrbahn fest, die anderen entrollen Transparente mit der Aufschrift „Stoppt den fossilen Wahnsinn“. Dann geht nichts mehr.

Aktionen finden bundesweit statt

Nicht nur in Köln ist zu Wochenbeginn der Wahnsinn ausgebrochen. Auch in Bremen, Leipzig und Mannheim werden Hauptverkehrsachsen blockiert. Durch diese Aktionen, die bereits die sechste Woche in Folge stattfinden, will die Gruppe die Bundesregierung zu sofortigen Klimaschutzmaßnahmen zwingen. Konkret fordert sie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine öffentliche „Lebenserklärung“, „den Bau neuer fossiler Infrastruktur umgehend zu stoppen“.

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Kochsalzlösung und Seife: Mit diesem Gemisch bearbeitet die Feuerwehr den Klebstoff – mit Erfolg. Nach zehn Minuten ist die Hand gelöst. 

Von „friedlichem, aber entschlossenem Widerstand“ sprachen die Mitglieder der Gruppe. Doch die Art des Protests hat bereits die Deutsche Polizeigewerkschaft zur Forderung bewogen, die „Letzte Generation“ durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. „Bislang hat sich der Rechtsstaat als eher hilflos und wenig ambitioniert gezeigt, was die Verhinderung der kriminellen Handlungen einer kleinen Gruppe angeht, die den Staat offen herausfordert und Menschenleben gefährdet“, moniert Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft. Der Soziologe Harald Welzer bescheinigte der Gruppe unlängst im Gespräch mit dem NDR „eine vollkommen absurde Legitimation“. Blockadeversuche erfolgten unter anderem auch an deutschen Flughäfen und am Hamburger Hafen.

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Die Feuerwehr versucht den Sekundenkleber zu lösen, mit dem sich zwei Personen festgeklebt haben. 

Auf der Inneren Kanalstraße rückt am Montag erst die Polizei an, dann die Feuerwehr. Sanitäter versetzen eine isotonische Kochsalzlösung aus dem Bestand des Rettungswagens mit Seife.

Die Gruppe

45 Blockaden von Autobahnzufahrten durch Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ hat die Polizei im Januar und Februar allein in Berlin verzeichnet. Insgesamt führte dies zu 270 Strafanzeigen und 120 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten.

Entstanden ist das Aktionsbündnis aus der Gruppe „Hungerstreik der letzten Generation“, die vor der Bundestagswahl 2021 in die Schlagzeilen geriet. Der damalige Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte sich mit Mitgliedern getroffen und sich ihre Ziele angehört.

200 Festnahmen gab es im April bei 20 Blockadeaktionen in Frankfurt. Vier Radfahrer wurden bei Stürzen verletzt, weil Öl auf einer Fahrbahn vergossen worden war. Zu den Forderungen der Gruppe gehört auch ein Ende der Lebensmittelverschwendung. Im Februar pflanzten Demonstrierende auf einem Rasenstreifen vor dem Bundeskanzleramt Kartoffeln. (EB)

„Damit wurden die Hände der Personen besprüht, um die Oberflächenspannung des Klebstoffs zu lösen. Durch leichtes Ruckeln konnten sie vom Asphalt gelöst werden“, beschreibt Feuerwehr-Sprecher Ulrich Laschet das Vorgehen der Rettungskräfte. Schon am 30. Mai hatten Mitglieder der Gruppe an gleicher Stelle die Innere Kanalstraße blockiert. An diesem Montag reicht der Stau zurück bis auf die A 57.

Während die Aktivistinnen und Aktivisten noch auf den Straßen kleben, versendet die Gruppierung um 9 Uhr eine Mitteilung in die Redaktionsbüros des Landes. Verschiedene Frauen und Männer, die angeblich zu den Teilnehmenden der Sitzblockaden gehören, werden allesamt mit den gleichen Sätzen zitiert, die Ausdruck ihrer Motivation sein sollen. „Wenn mehr und mehr Menschen diesem fossilen Wahnsinn den Gehorsam verweigern, können wir den Klimakollaps noch aufhalten. Dazu brauch es jetzt friedlichen, aber entschlossenen Widerstand von uns Bürgerinnen und Bürgern“, heißt es. Es schließt sich die Aufforderung an, sich ab dem 18. Juni an Kundgebungen in Berlin zu beteiligen.

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