„Man wird ja gezwungen zur Impfung“Kölner Impfwoche lockt nicht nur Überzeugte an

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Zu den Impfaktionen in Köln kommen nicht nur überzeugte Menschen.

Köln – Aus Überzeugung steht der Mann in grauer Arbeiterkluft nicht vor dem Domforum im Nieselregen, da lässt er keine Zweifel aufkommen. „Man wird ja gezwungen zur Impfung. Bei 2G bist du doch sonst bei allem außen vor“, klagt der Gerüstbauer (58), der geduldig Schlange steht, denn an diesem Mittwoch hat die Feuerwehr ein mobiles Impfangebot an der Kreuzblume am Kölner Dom aufgebaut. Außerdem, so erzählt der Mann, habe er von der kürzlich in Israel veröffentlichen Studie gelesen, wonach Genesene deutlich besser gegen die Delta-Variante des Coronavirus geschützt sind, als Geimpfte. Dass Forscher zugleich vor dem hohen Risiko einer Infektion warnen, erwähnt er nicht. Denn der Gerüstbauer ist ein Genesener.

Kurz vor Ostern habe sich das Virus in der Firma ausgebreitet, berichtet er. Auch seinen Kollegen (31) hatte es erwischt. „Es war wie Grippe. Ich hatte starke Gliederschmerzen“, sagt er. Nach der Infektion habe er bewusst die empfohlenen sechs Monate auf die Impfung gewartet. Weil diese jetzt um sind und er gerade in Domnähe auf einer Baustelle zu tun hat, sei er vorbei gekommen. Er wirkt deutlich entspannter als sein älterer Kollege. „Die Virologen können viel erzählen“, schnaubt er. Dann werden beide geimpft.

Impfkampagnen in ganz Deutschland: „Nie ging es schneller“

In Deutschland ist „Impfwoche“, so hat die Bundesregierung die Aktion bezeichnet, bei der sich die Menschen in Einkaufszentren oder vor Fußballstadien den Schutz gegen das Virus abholen können. „Nie war es einfacher, eine Impfung zu bekommen. Nie ging es schneller“, warb Bundeskanzlerin Angela Merkel unlängst für die Aktion. Bereits Anfang Mai hatte sich Köln als bundesweit erste Stadt für mobile Impfangebote entschieden. Rund 67 Prozent der Menschen in der Stadt genießen bereits vollständigen Impfschutz, etwa 71 Prozent sind zumindest einmal geimpft.

Alles zum Thema Impfung

Impfen oder nicht impfen? Kaum eine Frage löst derzeit in Familien, bei Freunden oder in der Politik ähnlich hitzige Debatten aus. Ende September schließen die Impfzentren in Köln und anderen Städten, Corona-Schnelltests sollen ab 11. Oktober nur noch in Ausnahmefällen kostenfrei möglich sein. „Die Debatte nehme ich wahr, aber sie beeinflusst mich nicht“, sagt ein Student (28), der sich am Dom ebenfalls seine erste Impfung spritzen lässt. In seinem Bekanntenkreis werde öfters über das Thema gesprochen. „Aber eine Konfrontation habe ich dabei noch nicht erlebt“, erzählt er. In den vergangenen Wochen habe ihm schlicht die Motivation gefehlt, sich impfen zu lassen

Impfzentrum und Gesundheitsamt

Seit dem Umzug des Impfzentrums aus der Halle 4 in die Halle 1 der Messe vor zwei Wochen haben sich dort 9000 Menschen impfen lassen. Zum Vergleich: In der ersten Phase nach Zulassung der Impfstoffe sind pro Tag bis zu 8000 Kölnerinnen und Kölner geimpft worden. Aktuell sind im Zentrum rund 100 Mitarbeiter beschäftigt.

11Tage wird das Impfzentrum noch geöffnet sein. Am Dienstag, 28. September, schließt die Stadt das Angebot. Das Gesundheitsministerium NRW hatte das Ende der kommunalen Impfzentrum bis Ende September angeordnet. Zudem benötigt die Messe die Hallen. Geöffnet ist das Angebot in der Messe von Montag bis Samstag von 10 bis 18 Uhr. Eine Terminvereinbarung ist nicht notwendig.

Seit dem 1. September hält die Stadt ein weiteres stationäres Angebot im Gesundheitsamt am Neumarkt vor. 1203 Bürgerinnen und Bürger haben es bislang wahrgenommen. Ab Oktober wird es hier das alleinige zentrale Impfangebot geben. Es sei dort auch kurzfristig möglich, die Kapazitäten weiter aufzustocken, teilt die Verwaltung auf Anfrage mit. Auffrischungsimpfungen sollen bei niedergelassenen Ärzten oder in stationären Einrichtungen verabreicht werden.

Auch für eine Impfung am Neumarkt ist keine Terminvereinbarung notwendig. Sie erleichtert aber wie die Bereitstellung aller Unterlagen die Abläufe. Die Buchung ist online möglich. (mft)

„Als die Priorisierung aufgehoben wurde, waren sofort alle Termine für das Impfzentrum weg, das war frustrierend. Aber jetzt, wo es auf den Herbst zugeht, ist eine Impfung besser“, sagt er.

Viele der Menschen, die am Domforum auf die Impfung warten, haben diesen Moment bislang eher aus Bequemlichkeit vor sich hergeschoben. „Ich wollte nicht während meiner Bachelor-Arbeit mehrere Tage flach liegen“, sagt ein anderer Student. Ein junger Mann (29) meint, bei ihm habe es „bislang zeitlich nicht gepasst. Und es war nicht nötig.“

Diskussionen stehen an der Tagesordnung

Wer noch Fragen zur Impfung hat, landet unweigerlich bei Sabine Krüger, „Kassenärztliche Vereinigung“ steht auf ihrer blauen Weste, sie ist die ärztliche Leiterin der Impfaktion am Dom. „Manchmal fällt den Leuten kurz vor dem Urlaub ein, dass sie geimpft sein müssen“, erzählt Krüger. Diskussionen über den Sinn einer Corona-Schutzimpfung habe sie schon häufiger führen müssen, „aber hier und heute bislang noch nicht“, sagt sie ein wenig erleichtert. Statt zu diskutieren, klärt sie über die Impfstoffe auf. Biontech oder Johnson & Johnson? „Lieber Biontech, das hat bislang auch gegen die Mutationen geholfen“, lautet ihre Empfehlung.

Lillie-Marie Schopp (21) hat nie darüber nachgedacht, sich nicht impfen zu lassen. „Mein Großvater ist mit 80 Jahren an Corona gestorben. In meinen Armen“, sagt sie. Er sei fit gewesen für sein Alter, habe jahrelang noch nicht mal Schnupfen gehabt. Dann infizierte er sich im Februar 2020 gleich zu Beginn der Pandemie. „Ich habe kein Verständnis für Menschen, die sich nicht impfen lassen“, bekennt sie. Im Freundeskreis sei sie schon auf Impfgegner getroffen, deren Argumente seien die Sorge vor Langzeitfolgen einer Impfung und eine noch zu geringe wissenschaftliche Erfahrung mit den neuen Impfstoffen. Warum sie sich jetzt erst impfen lässt? „Ich war neun Wochen lang in Thüringen und wollte wegen der Zweitimpfung auf meine Rückkehr nach Köln warten“, erklärt sie.

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Nun können die Geimpften in vier Wochen für die Zweitimpfung ins Gesundheitsamt am Neumarkt kommen (siehe Infotext). Oder sie können ihren Hausarzt anrufen. „Aber der Weg zum Hausarzt ist manchmal sehr lang“, hat Sabine Krüger, die ärztliche Leiterin, festgestellt. Die Stadt setzt deshalb weiter auf ihre mobilen Impfangebote.

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