Gemeindehaus als ÜbergangsstandortWaldbröler Roseggerschüler fühlen sich wohl

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Waldbröl – Es geht um Maschinen und um das, was sie leisten können. Und um die Zeit, die sie brauchen, um diese Leistung zu verrichten. Zeigefinger schnellen in die Höhe, Lehrerin Christin Brand trägt Antworten in eine Tabelle auf der Tafel ein. Es ist ein ruhiger, sehr konzentrierter Schulmorgen im Haus der Freien evangelischen Gemeinde. Denn dort haben die Abschlussklassen der Waldbröler Roseggerschule im Juli vergangenen Jahres Unterschlupf gefunden. In den Gebäuden an der Zuccalmagliostraße nämlich reichte der Platz hinten und vorne nicht mehr.

Doch was als befristetes Projekt gedacht ist, hat sich für die beiden Klassen der Jahrgangsstufe zehn an der Förderschule mit den Schwerpunkten Lernen sowie Emotionale und soziale Entwicklung bisher als echter Glücksfall erwiesen. Can (15) erklärt: „Hier haben wir viel mehr Ruhe, können uns also sehr viel besser auf die Prüfungen im Mai vorbereiten.“ Auch Viviana (16) vermisst das laute Gewusel „von oben“, eben an der oberhalb der Stadtmitte Waldbröls gelegenen Zuccalmagliostraße, nicht. „Hier unten ist es viel leiser und es gibt keine jüngeren Schüler, die unseren Unterricht stören.“

Der Förderschule stehen große Veränderungen bevor

Wenn die Roseggerschule endlich erweitert wird, will Rektor Hinrich Schipper zudem in einen Ganztagsbetrieb wechseln. „Darüber soll es im Mai eine Abstimmung im Kollegium geben. Und wenn sich eine starke Mehrheit findet, werden wir das System ändern.“ Dafür, so Schipper, müsse jedoch die Zahl der Lehrkräfte von zurzeit 30 auf mindestens 40 aufgestockt und eine Mensa mit eigener Küche eingerichtet werden. Die Schule hat 19 Klassen in allen Jahrgangsstufen mit derzeit 235 Schülerinnen und Schülern.

Gerade sind diese, ihre Eltern, Förderer der Schule und auch die Lehrkräfte dazu aufgerufen, Ideen für die Förderschule der Zukunft zu entwickeln. „Natürlich ist nicht alles realisierbar“, weiß Schipper und berichtet von Schülerwünschen, darunter ein Schwimmbad, ein kleines Museum und Trampoline, die in den Boden eingelassen sind. „Klar ist aber, dass wir nicht für ein paar Jahre planen, sondern für Jahrzehnte“, führt der Pädagoge aus. Zuvor sollen an der Schule dringend notwendige Sanierungen ausgeführt werden.

Zum Konzept der neuen Schule gehören Hinrich Schipper zufolge dann auch Fachräume für die Naturwissenschaften. „Denn die haben wir heute nicht.“ Ein Architekt beschäftigt sich bereits mit diesem Vorhaben, am Ende soll ein Wettbewerb zur Umsetzung führen. Schipper hofft, dass im November „politische Klarheit darüber besteht, wie es weitergehen kann“. Auch möchte der Rektor eine sozialpädagogische Fachkraft anstellen. (höh)

Rektor Hinrich Schipper freut sich auch. Denn als er die Kollegin Christin Brand und seinen Stellvertreter Manfred Schmid damals darüber informierte, dass ihre Klassen nach den Sommerferien für mindestens ein Jahr eine neue Adresse haben, waren die alles andere als begeistert. „Das hat sich geändert, auch wenn es immer noch viel zu organisieren gibt, damit der Unterricht hier läuft“, sagt Schipper erleichtert. Gerade ist übrigens Halbzeit. Wer gut zu Fuß ist, braucht für den Weg zwischen beiden Standorten gerade mal fünf Minuten. 31 Jugendliche sind im Haus der freien Kirchengemeinde an der Tersteegenstraße untergebracht. Eine Klasse sitzt im Gemeindesaal, die andere hat den Kinder- und Jugend-Freizeitraum bezogen. Und freitags ist da stets Aufräumen angesagt: Die Klassenzimmer werden abgebaut, damit die Gemeinde wieder Platz hat.

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Den Unterricht am Übergangsstandort genießen die Jugendlichen, so auch die 17-jährige Emilie (vorne).

Gelöst ist die Raumnot der Roseggerschule aber noch lange nicht. Für ein Jahr hat sie sich bei der Gemeinde eingemietet. In den kommenden Sommerferien sollen auf dem oberen Hof an der Zuccalmagliostraße wenigstens mobile Raumcontainer aufgestellt werden. Mit dem Bau eines neuen Gebäudes dort rechnet Hinrich Schipper „nicht vor dem Schuljahr 2024/25“. Seine Schule steht in der Trägerschaft des Zweckverbandes der Förderschulen in Gummersbach. Dort werde gerade scharf gerechnet, was machbar sei, berichtet er.

Waldbröl: Freie evangelische Gemeinde ist überrascht

Auch die Freie evangelische Gemeinde ist überrascht, wie gut es mit den Untermietern klappt. Und nicht nur das: „Es ist einfach toll, wie sich das alles entwickelt hat“, führt Pastor Maik Führing aus und versichert, dass die Klassen länger bleiben könnten als das geplante Jahr, wenn dies der Schule helfe. Denn als die Gemeinde Hilfe brauchte, um 200 Pakete mit Lebensmitteln zu füllen und diese nach Rumänien und Bulgarien zu senden, packten die Jugendlichen kräftig zu. „Wir sind sogar in die Stadt gelaufen, um Nudeln zu kaufen. Da fehlten nämlich einige Pakete“, erinnert sich Kevin (17) an diese Aktion vor Weihnachten.

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Stufenleiter Schmids Bedenken sind ebenfalls längst verflogen. „Ich hatte mir Sorgen gemacht, weil wir hier keinen Schulhof haben und das Haus an einer Wohnstraße steht“, blickt er zurück. Bislang habe es aber keine Beschwerden von Nachbarn gegeben. Und auch den Schülerinnen und Schülern gefällt das: „Alles ist lockerer, viel familiärer“, urteilt Emilie (17), derweil schwärmt Max (16) von mehr Freiheit. Und Mandy (18) sagt: „Wir haben endlich Ruhe vor den nervigen Kleinen.“ Das helfe beim Lernen ungemein.

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