JeckstreamBergisch Gladbacher Karneval kommt zu den Jecken ins Wohnzimmer

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Premiere: Mio Oppermann, Harald Hahn und Rainer Furth-Quernheim (v.r.) moderieren gemeinsam eine Sitzung im Jeckstream-Studio – ohne Applaus, Rakete und Künstler, die auf die Bühne kommen, eine neue Erfahrung für die erfahrenen Oberjecken.

Premiere: Mio Oppermann, Harald Hahn und Rainer Furth-Quernheim (v.r.) moderieren gemeinsam eine Sitzung im Jeckstream-Studio – ohne Applaus, Rakete und Künstler, die auf die Bühne kommen, eine neue Erfahrung für die erfahrenen Oberjecken.

Bergisch Gladbach – Kamera läuft, Ton läuft. Und Action. Etwas ungewohnt ist es schon für die drei gestandenen Karnevalspräsidenten, eine Sitzung zu eröffnen, ganz ohne Publikum, ohne Applaus und Lacher. Gut, auch ohne Zeitdruck oder die Sorge vor „Löchern“ im Programm.

Diesmal ist einfach alles anders, als Michael „Mio“ Oppermann, Rainer Furth-Quernheim und Harald Hahn an diesem Abend ihre noch gar nicht anwesenden Gäste begrüßen. Dass die drei Präsidenten von drei großen Gesellschaften aus unterschiedlichen Stadtteilen von Bergisch Gladbach überhaupt zusammen eine Veranstaltung präsentieren, ist absolutes Neuland. Aber Corona erfordert nun mal neue Wege. „Die Liebe zum Karneval hat uns zusammengeführt“, sind sich Mio Oppermann von den Schlader Botze, Rainer Furth-Quernheim von der Großen Bensberger KG und Harald Hahn vom Förderverein Refrather Karneval einig.

Im Kasten: Jedes Moderationsutensil gibt einen Vorgeschmack auf das hochkarätige Programm der Sitzung – von Brings bis Höhner.

Im Kasten: Jedes Moderationsutensil gibt einen Vorgeschmack auf das hochkarätige Programm der Sitzung – von Brings bis Höhner.

Deshalb stehen die drei an diesem Abend um kurz nach 20 Uhr auch nicht auf der Bühne des Bergischen Löwen, der AMG-Aula oder der Steinbreche – sondern in einem Studio in Erftstadt. Genauer: In dem eigens für die Aufzeichnung virtueller Karnevalssitzung in einem riesigen Techniklager eingerichteten Studio der in Corona-Zeiten neu gegründeten Streaming-Plattform Jeckstream, über die nicht nur die aktuelle Puppensitzung des Kölner Hänneschens und andere Kölner Traditionsveranstaltungen, sondern am Samstag, 6. Februar, ab 19.30 Uhr auch die dreifach-jecke gemeinsame Sitzung der drei Karnevalsmotoren aus der Kreisstadt gestreamt werden soll.

Die Idee zu der Plattform, die vor allem auch die während der Corona-Zeit um ihre Existenz kämpfenden Künstler unterstützen möchte, hatten übrigens zwei Rösrather, Rabaue-Frontmann Alexander Barth und sein Freund seit Kindertagen, Christoph Runkel (siehe „Die Jeckstream-Macher“). Für Hahn, Oppermann und Furth-Quernheim hat das karnevalistische Gemeinschaftsprojekt lange vor dem Abend begonnen, als sie im Jeckstream-Studio zum Aufzeichnen der Moderationen vor der Kamera stehen.

Die Jeckstream-Macher: Ein Lebenszeichen der Branche

Alexander Barth aus Rösrath weiß, wie es für Künstler ist, wenn mit Corona nahezu sämtliche Einnahmen versiegen. Der 35-Jährige ist Frontmann der Band Rabaue und ist seit Monaten nicht mehr live aufgetreten. Deshalb aber nichts zu tun, ist seine Art nicht. Gemeinsam mit Christoph Runkel, seinem Freund seit Kindertagen , der heute seine Brötchen eigentlich als Immobilienkaufmann verdient, hob er das Projekt Jeckstream aus der Taufe. „Wir haben uns gedacht, was kann man tun in dieser Session?“, erinnert er sich an den vergangenen Sommer. Da damals noch niemand wusste, wie sich die Pandemie weiter entwickeln würde, wollten die beiden auf Nummer sicher gehen und entwickelten ein Konzept, um rein digitale Sitzungsformate erstellen zu können. Zahlreiche Künstler sprangen auf die Idee an und spielten ihre Auftritte ein – im einem Studio, das sich in einer sonst als Lagerhalle von Technikchef Sascha Schaath genutzten Halle in Erftstadt befindet. Vereine können daraus ihre Sitzungen zusammen stellen, Einzelkunden können aber auch individuell Auftritte zu einer persönlichen Sitzung zusammenstellen. Die Klüngelköpp, Torben Klein oder Achnes Kasulke sind ebenso „im Angebot“ wie „Klimpermännche“ Thomas Cüpper, Martin Schopps die Höhner oder natürlich die Rabaue. „Die Bläck Fööss waren die ersten, die hier aufgenommen haben“, erzählt Barth und freut sich mit Christoph Runkel, dass auch Traditionsveranstaltungen wie die Puppensitzung des Kölner Hänneschens auf Jeckstream setzten. Über die Tickets der Plattform erhalten auch die Künstler eine faire Gage. Und: „Es geht um ein Lebenszeichen der Branche“, sagt Barth: „Wir sind noch da und müssen etwas dafür tun, dass es den Karneval auch künftig noch so gibt.“ (wg)

www.jeckstream.de

„Die Konstellation der Kooperation ist interessant“, sagt Harald Hahn, „stadtteilübergreifend“, ergänzt Rainer Furth-Quernheim. „Was Neues, was Anderes – das finden wir interessant“, fügt Mio Oppermann hinzu, als sich die drei vorab in einer Videokonferenz über die gemeinsame Moderation unterhalten. Hahn, der nicht nur in Refrath aktiver Karnevalist, sondern auch bei der Großen Kölner für Programmmanagement und Technik zuständig ist, hatte den Aufbau der Plattform Jeckstream im vergangenen Jahr hautnah mitverfolgt. „Mir als Literat liegen da auch die Künstler am Herzen.“ Von einer ganzen Reihe von ihnen hat das Jeckstream -Team bereits Ende vergangenen Jahres Auftritte professionell aufgenommen, die sich dann mit einer ebenfalls aufgenommenen Moderation zusammenschneiden und als komplettes Sitzungsprogramm via Internet streamen lässt.

Abstimmung mit der Regie auf dem Jeckstream-Sofa: das Präsidenten-Trio (r.), Alexander Barth und Technikchef Sascha Schaath (v.l.).

Abstimmung mit der Regie auf dem Jeckstream-Sofa: das Präsidenten-Trio (r.), Alexander Barth und Technikchef Sascha Schaath (v.l.).

Wer dabei sein soll? Die Höhner, Miljö, Frau Kühne, Brings – das konnten die drei aus den Vollen schöpfen. „Die hätten wir normal am Samstag vor dem Karnevalswochenende so nie nach Gladbach bekommen“, freut sich Mio Oppermann und denkt an den traditionellen Sitzungstermin der Botze, der zugleich etablierter Veranstaltungstag der „Starthilfe“-Aktion der Großen Bensberger ist.

Um das gemeinsame Live-Erlebnis beim Zuschauen in den eigenen vier Wänden zu erreichen, bieten die drei Karnevalsgesellschaften parallel Chats über den Messengerdienst Whatsapp an. „Dann kann jeder posten, wie er daheim feiert“, sagt Mio Oppermann, bevor noch mal jeder Wechsel in der Moderation durchgesprochen wird. Keine 24 Stunden später stehen alle Beteiligten in der Küche der Oppermanns. Zunächst mit Maske und auf Abstand. Denn bevor’s ins Studio geht, machen alle Beteiligten noch einen Corona-Test. „Unsere Eintrittskarte“, sagt Rainer Furth-Quernheim augenzwinkernd, als Sabine Kling, die Testärztin der Schlader Botze, bei Oppermann den Rachenabstrich nimmt. Natürlich gibt’s dafür stante pede einen Orden – schließlich gibt es in dieser Session nur wenig Gelegenheiten, das Edelmetall persönlich an die Frau oder den Mann zu bringen.

Einen Corona-Schnelltest machen alle vorab bei Sabine Kling.

Einen Corona-Schnelltest machen alle vorab bei Sabine Kling.

Ute Oppermann wirbelt derweil noch in der Küche. Es duftet nach Kotelett. „Alles Requisite“, sagt die Chefin des Hauses und grinst, während Nachwuchs Maja und Tim überzählige Requisitenteile verputzen. Eine halbe Stunde später stehen die Jecken mit Lappenfrack und Narrenkappe am Auto: Karnevalisten in „freier Wildbahn“, in dieser Session nicht allzu häufig zu sehen.

Im Studio werden die Gladbacher Kooperateure bereits erwartet. Während Rainer und Harald in der Garderobe noch die Frisch-Requisiten präparieren, richtet Technikchef Sascha Schaath bereits Kameras und Hintergrund ein. Auf der riesigen LED-Wand lassen sich die Logos der drei Gesellschaft nach Belieben arrangieren. Niki Brahm, die gute Seele der Produktion, peppt derweil die Luftballon-Deko auf.

Von der Trööt bis zum Bühnenkölsch: In der Garderobe bereiten Rainer und Harald die „Requisiten“ für die Moderation der Sitzung vor.

Von der Trööt bis zum Bühnenkölsch: In der Garderobe bereiten Rainer und Harald die „Requisiten“ für die Moderation der Sitzung vor.

„Eigentlich hab ich beim Moderieren keine Zettel“, sagt Harald Hahn. Daran dass er nicht mit dem Publikum „spielen“ kann, muss sich der versierte Karnevalist noch gewöhnen. Dafür muss er als Literat an diesem Abend auch kein einziges Mal auf die Uhr schauen. Das werden die Jeckstream-Macher Alexander Barth und Christoph Runkel später alles beim Schnitt machen. Apropos Schnitt: „Ich glaube das machen wir nochmal“, rät Alexander Barth und gibt Tipps, wie die drei ihre Moderation noch etwas straffen können. Dazu kommt für den zweiten Anlauf auch noch ein Stehtisch dazu.

Karten

Brings, Höhner und zahlreiche andere Karnevalsgrößen kommen mit der digitalen Sitzung von KG und Förderverein Refrather Karneval am Samstag, 6. Februar, ab 19.30 Uhr, über das Internet-Portal www.jeckstream.de direkt zu den Jecken ins heimische Wohnzimmer. Karten zum Preis von 10,91 Euro inklusive Gebühren gibt es bereits jetzt im Internet unter:

https://jeckstream.ticket.io/23f9a9r8/

Wie Mio Oppermann, Rainer Furth-Quernheim und Harald Hahn daran mit einem Kotelett, Trompeten und Kölsch jonglieren, können jecke Interessenten nächsten Samstag bei Jeckstream sehen (siehe „Karten)“. Für die drei Moderatoren steht diesbezüglich noch eine weitere Premiere an: „Das wird unsere erste eigene Sitzung sein, die wir selbst komplett sehen können“, sagt Mio Oppermann. Natürlich nur mit der Familie in den eigenen vier Wänden. Da aber wollen die drei dann mit ihren virtuell verbundenen Gästen gerade in diesem Jahr so richtig Stimmung machen.

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