Neuer TerminKind in Bergheim beinahe verhungert – Gericht vertagt Entscheidung über Revision

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Ein Hinweisschild des BGH in Karlsruhe.

Ein Hinweisschild des BGH in Karlsruhe.

Zu Haftstrafen wurden zwei Bergheimer verurteilt, die ein Mädchen beinahe getötet haben sollen. Ob der Fall noch mal aufgerollt wird, bleibt ungewiss.

Ob der Fall des kleinen Mädchens Alina (Name geändert), das in Bergheim im August 2020 fast verhungert wäre, wieder aufgerollt wird, entscheidet sich endgültig am 1. Februar 2023. Das verkündete am Mittwoch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe nach einer mündlichen Verhandlung, zu der die Verteidiger der beiden Beschuldigten und ein Vertreter der Generalbundesanwaltschaft geladen waren.

Mutter und Lebensgefährte wurden zu langen Haftstrafen verurteilt

Im Mai 2021 war ein Paar aus Bergheim wegen versuchten Mordes zu Haftstrafen von neun und sieben Jahren verurteilt worden. Das Kölner Landgericht hatte es als erwiesen angesehen, dass beide die Tochter der Frau nicht nur fahrlässig mangelernährt hatten, sondern ihren Tod durch Unterernährung herbeiführen wollten. Mit dem Tod habe verdeckt werden sollen, dass das Mädchen schon lange vorher durch mangelnde Pflege und Versorgung misshandelt worden sei.

Die Verteidiger Marius Meurer und Markus Gebhardt waren gegen die Entscheidung in die Revision gegangen. Ihrer Einschätzung nach ließ sich im Laufe des Verfahrens kein Tötungsvorsatz feststellen. Ein Urteil wegen versuchten Mordes käme damit nicht infrage. Der Bundesgerichtshof habe im Wesentlichen drei Fragen thematisiert, berichteten die Verteidiger: ob niedrige Beweggründe vorgelegen hätten, ob es einen Vorsatz gegeben habe und ob es überhaupt eine Vortat gegeben habe, die zu vertuschen hätte sein können.

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Beide Beschuldigten sind laut Gutachten emotional unvermögend

Nach Ansicht der Verteidiger war das junge Paar mit seiner Situation komplett überfordert, verfolgte aber keinen Tötungsplan. Insbesondere über die junge Frau wurde während der Verhandlung vor dem Kölner Landgericht bekannt, dass sie über kaum ein soziales Netz und wenig persönliche Stabilität verfügte. Beide Beschuldigten sind einem Gutachten zufolge emotional unvermögend.

Nachdem die Bergheimerin schwanger und alleinstehend einen jungen Mann kennengelernt hatte, ging sie mit diesem eine Beziehung ein und wurde nach der Geburt ihrer Tochter erneut Mutter. Ihr zweites Kind war ein Sohn, den sie deutlich vorgezogen haben soll – auch, weil er für ihre intakte neue Beziehung stand. Dann war es zur Trennung, zur Beziehung mit dem Mitangeklagten und einer weiteren Schwangerschaft gekommen, in der sie wiederum einen Jungen erwartete. Das kleine Mädchen soll darüber immer weiter aus ihrem Blickfeld gerutscht sein.

Generalbundesanwalt ändert Meinung und will Revisionsantrag „verwerfen“

Auch der Generalbundesanwalt habe sich zunächst für eine Revision ausgesprochen und geltend gemacht, dass das Kölner Landgericht den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ verletzt habe, berichteten die Strafverteidiger. Hoffnungsvoll waren sie daher in die Verhandlung gegangen. Nun habe sich aber eine unerwartete Wende ergeben: „Der Generalbundesanwalt hat seine Meinung komplett geändert“, so Meurer. In der mündlichen Verhandlung habe er sich dafür ausgesprochen, der BGH möge den Revisionsantrag verwerfen.

„Ein solches Umschwenken ist nicht alltäglich“, kommentiert Meurer. Wie der BGH hinsichtlich der Revision entscheidet, ist bis zum 1. Februar 2023 ungewiss. Die Verteidiger erwarten diesen Termin verhalten: „Von Zuversicht kann man nicht reden“, so Gebhardt. Das Urteil vom Mai 2021 ist weiterhin nicht rechtskräftig. Das Paar sitzt in Untersuchungshaft. Der gemeinsame Sohn der beiden, das betroffene Mädchen und der ältere der beiden Söhne sind anderweitig untergebracht.

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