Erleichterung bei AnwohnernSo geht es nach dem Aus mit der Blessemer Kiesgrube weiter

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Kiesgrube Blessem Februar 2022

Nach der Katastrophe im Sommer 2021 hatte sich die Kiesgrube in einen großen See verwandelt.

Erftstadt-Blessem – Anne Bär hat gleich am Freitagmorgen ihren Mann gebeten, das Banner abzuhängen. Die Forderung darauf – „Keine Kiesgrube mehr in Blessem“ – hat sich erledigt. Der Tagebau, der, wie zwei Gutachten bestätigen, die katastrophalen Hochwasserfolgen im vergangenen Sommer ausgelöst hat, wird seinen Betrieb nicht mehr aufnehmen. Darauf haben sich die Stadt Erftstadt und der Rhein-Erft-Kreis in Gesprächen mit dem Besitzer der Grube, Jakob Hans Georg Nowotnik, und den Betreibern, den Rheinischen Baustoffwerken, geeinigt.

„Große Erleichterung“, so beschreibt Helmut Zimmermann seine Reaktion angesichts der Nachricht. Der langjährige Ortsbürgermeister trifft damit die Gefühlslage der Blessemer. Viele von ihnen hatten schon früh vor der Gefahr durch die Grube gewarnt – sie sei zu tief, die Böschungen zu steil. Das Geschehen im Juli übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen: Die Erft strömte in den Tagebau, das wirbelnde Wasser fraß sich bis an den Ortsrand und verschlang Häuser, Hallen, Autos.

Das sagt die Staatsanwaltschaft zu den Ermittlungen gegen den Betreiber

Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Betreiber der Grube, aber auch gegen die Genehmigungsbehörde, die Bezirksregierung Arnsberg. Ein Ergebnis der Ermittlungen liege noch nicht vor, noch würden Unterlagen gesichtet, die bei Durchsuchungen im Januar sichergestellt worden seien, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Zwei Gutachter sind aber mittlerweile zu der Erkenntnis gekommen, dass die Kiesgrube nur unzureichend gegen Hochwasser geschützt war.

Anne Bär Blessem

Anne Bär war die erste, die mit einem gelben Banner protestierte.

Nun hat der Betreiber angekündigt, einen Abschluss-Betriebsplan bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, der Bezirksregierung Arnsberg, vorzulegen. „Uns ist klar, dass die Nachbarn der Kiesgrube die Einstellung des Produktionsbetriebs mit Erleichterung wahrnehmen werden“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Müller. Und auch Eigentümer Nowotnik spricht von einer „guten Regelung“.

Kiesgrube in Blessem soll Teil des neuen Hochwasserschutzes werden

Die Grube soll nun Teil des neuen Hochwasserschutzes werden. Denn der Altbereich – also der Teil dicht am Ortsrand mit dem Absetzbecken – soll verfüllt werden. Mit unbelastetem Bodenaushub, wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Beteiligten heißt. Die so geschaffene Fläche wird Teil der Sekundäraue, also des Überflutungsgebietes, das der Erftverband nördlich von Blessem plant. Dort soll die Erft Platz haben, wenn sie noch einmal über die Ufer tritt.

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In dem Teil der Grube, in dem Kies abgebaut wurde, soll ein See entstehen. Die Ufer sollen – ebenfalls mit Erdaushub – abgeflacht und befestigt werden. Dieser Restsee wird kleiner als ursprünglich geplant und liegt weiter vom Ort entfernt. Es werde sicher zehn Jahre dauern, bis die Grube verfüllt sei, sagt die Erftstädter Bürgermeisterin Carolin Weitzel (CDU). Und noch einmal fünf Jahre, bis der See fertig ist.

Landrat Rock: „Menschen in Blessem haben jetzt eine sichere Perspektive“

Es sei Wunsch aller Beteiligten, dass das Gelände zu einem Naherholungsgebiet werde. Alle Beteiligten hätten an einem Strang gezogen, um die beste Lösung für Blessem zu finden, lobt Landrat Frank Rock (CDU): „Die Menschen dort haben jetzt eine sichere Perspektive für die Zukunft.“

Zerstörung Blessem Flut

In Erftstadt-Blessem wurden beim Hochwasser ganze Straßenzüge zerstört.

Karl Berger, den Vorsitzenden des Bürgerforums Blessem, treibt aber bei aller Freude über die Entscheidung die Frage um, wie der Ort künftig vor einer Flutwelle geschützt werden soll, wenn nochmal Wasser in die Grube läuft. „Der Hochwasserschutz der Kiesgrube soll so gestaltet werden, wie es die noch laufenden Untersuchungen ergeben werden“, heißt es dazu in der Pressemitteilung.

Anne Bär wird ihr gelbes Banner allenfalls einmotten, keinesfalls wegwerfen. „Vielleicht kann ich ja die Rückseite neu beschriften“, sagt sie: „Zum Beispiel mit der Forderung nach Hochwasserschutz.“

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