Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Hält Jamaika im Kreistag?Acht Bewerber für den Landratsposten in Rhein-Erft

6 min
Hat die Jamaika-Koalition im Kreishaus auch nach dem 14. September Bestand?

Hat die Jamaika-Koalition im Kreishaus auch nach dem 14. September Bestand?

So viele Kandidaten wie dieses Mal hat es noch nie gegeben. Rock genießt als Amtsinhaber einen Bonus und gilt als Favorit. Auch dank der Grünen.

Es wäre eine Premiere: Noch nie ist   ein SPD-Politiker zum hauptamtlichen Landrat des Rhein-Erft-Kreises gewählt worden. Wolfgang Bell hatte dieses Amt zwar von 1995 bis 1999 inne – allerdings hatte ihn der Kreistag bestimmt. Womit der Kölner im Zuge der Kommunalrechtsreform der erste hauptamtliche Landrat in Nordrhein-Westfalen gewesen ist.

Nun nimmt Iris Heinisch als sechste SPD-Kandidatin einen Anlauf auf den Chefsessel in Kreishaus in Bergheim. Den Platz hat seit der Wahl vor fünf Jahren Frank Rock inne. Er hatte sich als Nachfolger von Michael Kreuzberg in der Stichwahl gegen Dierk Timm (SPD) durchgesetzt. Im ersten Durchgang standen insgesamt fünf Namen auf dem Wahlzettel.

Auf dem Foto ist Landrat Frank Rock zu sehen.

Frank Rock (CDU) strebt eine zweite Amtszeit an.

Die große Zahl der Kandidaten spricht dafür, dass der neue Landrat auch dieses Mal nicht im ersten Wahlgang gewählt werden wird. Knapp 380.000 Wählerinnen und Wähler sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Außer Heinisch und Rock bewerben sich sechs weitere Frauen und Männer für den Posten. Karl Heinz Spielmanns (Freie Wähler) und Hans Decruppe (BSW) waren schon 2020 dabei, wobei Letzterer damals für die Linken antrat. Das Bewerberfeld komplettieren Jannis Milios (Piraten), Jürgen Berger (Die Linke), Christina Caruana-Rinkewitz (FDP) und Jeremy Jason (AfD).

Alles zum Thema Frank Rock

Iris Heinisch (SPD) kandidiert für die SPD.

Iris Heinisch (SPD) kandidiert für die SPD.

Die Grünen, die bei der Landrats- und Kreistagswahl drittstärkste Kraft hinter CDU und SPD geworden waren, verzichten dagegen auf einen eigenen Kandidaten. Die Entscheidung dafür war durchaus umstritten, eine Mehrheit der Mitglieder folgte dann aber dem Vorschlag des Kreisvorstands. Ebenfalls von lebhaften Diskussionen begleitet war die Frage, ob die Grünen sich für Rock als gemeinsamen Kandidaten sollten. 69 Prozent stimmten schließlich für den Amtsinhaber.

Beobachter bewerteten den Verzicht der Grünen als gemeinsames Bemühen der seit 1999 bestehenden Jamaika-Koalition im Kreistag, Rocks Chancen auf einen Sieg im ersten Wahlgang zu erhöhen – auch um eine nicht gänzlich abwegige Stichwahl mit einem AfD-Bewerber zu vermeiden – je nachdem, ob sich die Talfahrt der SPD im Bund auch auf Kreisebene fortsetzt.

Karl Heinz Spielmanns (Freie Wähler) ist wahlkampferfahren. Er trat schon 2020 als Landratskandidat an.

Karl Heinz Spielmanns (Freie Wähler) ist wahlkampferfahren. Er trat schon 2020 als Landratskandidat an.

Ein Stück weit werden die Grünen dabei auch an ihr eigenes Fortkommen als Juniorpartner im Kreistag gedacht haben: Zustimmungswerte wie vor fünf Jahren, als sie an der 20-Prozent-Marke kratzten, könnten Wunschdenken bleiben, nachdem sie bei der Bundestagswahl im Februar im größeren der beiden Wahlkreise auf 11,6 Prozent der Stimmen kamen, im kleineren (mit Kreis Euskirchen) unter zehn Prozent sackten.

Rock hat seine Sorge um den Fortbestand der Jamaika-Koalition nach der Kommunalwahl öffentlich gemacht. Lege man das Ergebnis der Bundestagswahl zugrunde, könne es für das Bündnis möglicherweise nicht reichen, sagte er in einer Mitgliederversammlung der Grünen.   Daher sei es wichtig, „die rechten und linken Ränder nicht erstarken zu lassen“.

Hans Decruppe tritt für das BSW an. 2020 kandidierte er für die Linken.

Hans Decruppe tritt für das BSW an. 2020 kandidierte er für die Linken.

Er rechne damit, dass die AfD zwischen zehn und zwölf Prozent der Stimmen erhalten werde. Damit würde sie im künftigen Kreistag mit sieben bis zehn Abgeordneten vertreten sein. In den vergangenen Jahren habe die dreiköpfige Fraktion, die sich zwischenzeitlich nach Unstimmigkeiten aufgelöst hatte, politisch keine ernstzunehmende Rolle gespielt.

Wie für die Grünen geht es auch für die FDP darum, ihre Stammwähler zu mobilisieren, um sieben Monate nach dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl nicht weitere Verluste zu erleiden. Zwar gibt es bei Kommunalwahlen keine Fünf-Prozent-Hürde, aber je nach Ausgang könnten die Liberalen aus Sicht der CDU für eine Mehrheitsbildung uninteressant werden.

Christina Caruana-Rinkewitz möchte für die FDP Stimmen sammeln.

Christina Caruana-Rinkewitz möchte für die FDP Stimmen sammeln.

Wie auch immer die Wählerinnen und Wähler am 14. September entscheiden: Die Arbeit im Kreistag dürfte mit möglicherweise acht Parteien und Gruppierungen nicht einfacher als bisher werden. Steigen könnte der Einfluss der Linken: Bei der Bundestagswahl erhöhte sie ihren Stimmenanteil gegenüber der Kreistagswahl 2020 um mehr als das Doppelte. Ebenfalls im linken Spektrum war   das BSW mit Galionsfigur Decruppe aus dem Stand heraus auf vier Prozent gekommen. Seitdem hat der Hype um die Wagenknecht-Partei deutlich nachgelassen.

Aber zurück zum Anfang: Was ist von der SPD zu erwarten? Sie sieht sich einerseits mit ihrem notorisch schwachen Abschneiden in weiten Teilen des Kreises, andererseits mit dem denkwürdig schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl konfrontiert: Sie sackte unter 20 Prozent im größeren der beiden Wahlkreise und hatte nur noch drei Prozentpunkte Vorsprung vor der AfD. Im kleineren Wahlkreis, in dem Brühler, Wesselinger und Erftstädter gewählt haben, wurden die Sozialdemokraten nur noch drittstärkste Kraft.

Jeremy Jason kandidiert für die AfD. Er trat im Februar bereits als Bundestagskandidat an.

Jeremy Jason kandidiert für die AfD. Er trat im Februar bereits als Bundestagskandidat an.

Die Hoffnung von Parteichef Helge Herrwegen dürfte im Grunde darin liegen, dass es für CDU, Grüne und FDP nicht mehr für eine Mehrheit reichen könnte und die SPD – wie auf Bundesebene – für die Union als Partner interessant werden könnte.

Aus Sicht der SPD auf Landes- und Bundesebene spielte der Wahlkampf im Rhein-Erft-Kreis offenbar eine untergeordnete Rolle. Prominente Wahlkampfhelfer wurden zwischen Bedburg und Wesseling nicht gesehen. Zwar machte Vizekanzler Lars Klingbeil Ende August einen Abstecher zu Evonik, aber das war kein öffentlicher Wahlkampfauftritt. Offenkundig bündeln die Sozialdemokraten ihre Kräfte, um ihre Hochburgen im Ruhrgebiet zu verteidigen.

Jannis Milios tritt für die Piraten an.

Jannis Milios tritt für die Piraten an.

Gleichwohl überraschte die Kreispartei mit ihrer Entscheidung, Iris Heinisch als Rock-Herausforderin zu nominieren. Ihr Name tauchte auf der Liste derer, die für diese anspruchsvolle Aufgabe in Frage kommen könnten, nicht auf. Fraktionschef Timm, erprobt in vielen Wahlkämpfen, schien eine logische Wahl zu sein; auch Parteichef Herrwegen, der das Amt erst 2024 von Heike Steinhäuser übernommen hatte.

Aber es wurde Heinisch. Sie ist seit 2011 Mitglied im Kerpener Stadtrat, führte dort den Stadtverband bis 2016 und war 2015 Bürgermeisterkandidatin in Kerpen. Sie unterlag dem heutigen Amtsinhaber Dieter Spürck (CDU). Seit 2014 gehört sie dem Kreistag in Bergheim an. Von 2019 bis 2020 war sie stellvertretende Landrätin – wüsste also in etwa, was auf sie zukäme, wenn sie die Wahl gewinnen sollte.

Am Abend des 14. September weiß sie mehr, und wir wissen es mit ihr.

Jürgen Berger (Die Linke) kandidiert ebenfalls.

Jürgen Berger (Die Linke) kandidiert ebenfalls.


Bei der Kreistagswahl 2020 behauptete die CDU mit 38 Prozent ihre Spitzenposition, gefolgt von der SPD (24,7) und den Grünen (18,6). Viertstärkste Kraft wurde die AfD mit 5,4 Prozent. Dahinter landeten die FDP (5,2), die Freien Wähler (3,4), die Linken (3,2) und die Piraten (1,5).

Besser als seine Partei schnitt Frank Rock bei seiner ersten Landratskandidatur ab, er holte 44,5 Prozent der Stimmen. Mit Abstand folgte Dierk Timm (SPD) mit 28,9 Prozent. Elmar Gillet (Grüne) brachte es auf 17,8 Prozent, Karl Heinz Spielmanns auf 6,7 und Hans Decruppe (Linke) auf 4,1 Prozent. In der Stichwahl setzte sich Rocl mit 57,3 Prozent gegen Timm durch.

Die Wahlbeteiligung lag bei der Kreis- und Landratswahl bei 54 Prozent. Bei der Stichwahl 14 Tage später gaben nur nur 34,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. (jtü)