Heimathistoriker Wolfgang Eilmes führte Gäste aus den USA zu den Stätten, an denen die Vorfahren lebten.
Auf SpurensucheNachfahren einer jüdischen Familie besuchen Ruppichteroth

Angehörige der jüdischen Familie Hess kamen auf Spurensuche nach Ruppichteroth. Wolfgang Eilmes (rechts) und Mario Loskill (links daneben) begrüßten die Gäste aus den USA.
Copyright: Sylvia Schmidt
Bald 90 Jahre ist es her, dass Wolfgang Hess mit den Eltern Oscar und Melitta Hess sowie zwei Brüdern seinem Heimatort Ruppichteroth den Rücken kehrte. Spätestens mit der Pogromnacht am 9. November 1938 war offen zutage getreten, dass es dem Hitlerregime gelungen war, mit gezielten Hetzkampagnen den Hass auf Juden bis in den hintersten Winkel Deutschlands salonfähig zu machen. Mitläufern war es erlaubt, ihre niedrigsten menschlichen Instinkte ungeniert auszuleben, letztlich mit dem Ziel, Juden und Andersdenkende auszulöschen.
US-Gäste kamen zum ersten Besuch ins Bröltal
Aus Chicago, New York und Washington D.C. kamen nun Hess' Tochter Kathy Tallering-Hess mit Ehemann Ken und deren Töchter Allison, Stephanie sowie Jennifer zum ersten Besuch an den Ort ihrer deutschen Wurzeln. Wenige Tage zuvor hatte Tallering-Hess beim Ruppichterother Heimatforscher Wolfgang Eilmes angefragt, ob er ihnen die Stellen zeigen könne, an denen ihre Urgroßeltern, Großeltern und Eltern gelebt und gearbeitet hätten.

Auf dem Schulffoto damaligen evangelischen Volksschule Ruppichteroth, etwa 1936, sitzt Wolfgang Hess in der ersten Reihe ganz links schon etwas abgesondert von seinem Nachbarn.
Copyright: Sylvia Schmidt
Der Großvater von Wolfgang, später Walter, Hess, war der weithin bekannte Viehhändler Moses Hess gewesen. Er hatte die Synagoge mitgegründet und war von 1921 bis 1938 Oberhaupt der Gemeinde. Im Ersten Weltkrieg hatte er als Soldat für Deutschland gekämpft. Sohn Oscar war in der Pogromnacht 1938 verhaftet worden und kam zwei Monate später als gebrochener Mann aus dem KZ Dachau zurück.
Alles zum Thema Ruppichteroth
- Ruppichteroth Die Heide kehrt ins Bröltal zurück
- „Wie ein Vogel, ohne Motor, ohne Hilfsmittel“ Gleitschirmflieger über das Fliegen im Siegtal
- An der Kreuzung L350/L312 Drei Verletzte bei schwerem Unfall in Much
- Neuer Notarztstandort In Much freuen sich die Bürger über die bessere und schnellere Versorgung
- Unfall in Much 82 Jahre alter Autofahrer wird bei Zusammenstoß leicht verletzt
- In Gegenverkehr geraten Krankenwagen stößt in Neunkirchen-Seelscheid mit Auto zusammen
- Die Wetterecke Meteorologe Karsten Brandt aus Sankt Augustin sieht kommende Trockenheit in der Region
Bis die Familie sich vor den Nazis in Sicherheit bringen musste, hatte er eine glückliche Kindheit
Während Neuber erzählte, blickten die Besucher auf das einstige, heute modernisierte Haus ihrer Vorfahren, nur ein paar Schritte unterhalb. Der Stall ist abgerissen, aber die Wiese hinter dem Haus trägt immer noch den Namen Hess-Wiese. Kathy Tallering-Hess war sichtlich bewegt und bemüht, ihre Tränen zurückzuhalten. Ihre 31 Jahre alte Tochter Allison, die in Washington DC lebt, sagte später, die Erzählungen ihres Großvaters Walter hätten die Familie ein Leben lang begleitet. „Bis die Familie sich vor den Nazis in Sicherheit bringen musste, hatte er eine glückliche Kindheit.“
Die Ausreisepapiere hatten sich die Nazis teuer bezahlen lassen. Das Geld reichte für die Ausreise von Oscar und Melitta Hess und ihrer drei Söhne nach Ecuador, das eigentliche Ziel aber war New York. Die Eltern Moses und seine Frau Henriette wollten aus Alters- und aus finanziellen Gründen nachkommen. Das sollte nicht mehr geschehen.

Das ehemalige Wohnhaus der Viehhändlerfamilie Hess, aufgenommen ungefähr 1935. Moses und Henriette Hess wurden von den Nationalsozialisten ermordet.
Copyright: Repro: Sylvia Schmidt
Stolpersteine vor ihrem einstigen Haus geben Auskunft darüber, wie es weiterging. 1941 wurden sie im Lager Much interniert, ein Jahr später folgte die Deportation ins KZ Theresienstadt. Moses Hess wurde noch im gleichen Jahr ermordet, seine Frau zwei Jahre später.
Neuber beschönigte nicht die aktuelle politische Situation und richtete seine Worte insbesondere an die Schülerschaft: „In Deutschland findet eine Partei Zulauf, die predigt, was Nazis gepredigt haben. Es darf uns nicht die Erinnerung verloren gehen, wie schnell Menschen verführbar sind Schlechtes zu tun. Bitte helft, das zu verhindern.“ Und er zitierte die vor einigen Tagen gestorbene Margot Friedländer: „Seid menschlich, bleibt menschlich.“
Ehemalige Spielkameradin schloss sich dem Rundgang an
Danach folgte die Führung zu den familiären und jüdischen Spuren im Ort, bevor die Gäste weiter nach Amsterdam reisten. Eilmes berichtete von einem gelungenen Besuch. Besonders für die persönlichen Kontakte hätten sich die Gäste tausendmal bedankt. Die Schüler hätten viele Fragen gehabt. Sehr emotional sei die Begegnung mit der 94 Jahre alten Waltraut Karkalis gewesen, die sich der Gruppe beim Rundgang angeschlossen hatte. Als gezeigt wurde, wo Wolfgang Hess zur Schule gegangen war, klinkte sie sich ein. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, rief sie aus und ging für die Gäste über ins Englische: „I played with him here at this place!“ Genau an dieser Stelle habe sie mit ihm gespielt.
Wie beeindruckend der Besuch war, schrieb Kathy Tallering-Hess nach Ankunft in Amsterdam an Eilmes. „Ich möchte mich sehr bedanken für den unglaublich bedeutungsvollen und bewegenden Besuch sowie die herzliche Gastfreundschaft. Es wird eine Weile dauern, die Eindrücke vollständig zu verarbeiten."
Es habe sich, so schreibt sie weiter, „großartig angefühlt, zu wissen, dass es Menschen gibt, die, sogar ohne uns persönlich zu kennen, sich so intensiv um Erfahrungen meiner Familie kümmern. Meine Familie und ich werden die Eindrücke immer in Erinnerung behalten“.
Mehr über die Geschichte der Familie Hess ist im Bilderbuch Ruppichteroth hinterlegt.