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„Nicht vergessen“US-Familie sucht in Troisdorf Spuren des Urgroßvaters, ermordet in Auschwitz

Lesezeit 3 Minuten
Zwei Männer und zwei Frauen stehen auf einem gepflasterten Hof.

Geschichtslehrer und Historiker Norbert Flörken aus Troisdorf traf Rena Summers (grüne Bluse), ihren Ehemann Doug und Tochter Lela. Renas Urgroßvater Alfred Pins lebte in Troisdorf, er wurde im KZ Auschwitz ermordet.

Historiker Norbert Flörken konnte Urenkelin Rena Summers aus San Antonio einiges über ihren Urgroßvater Alfred Pins berichten.

Wenn Rena Summers an ihren Großvater Ludwig Pins denkt, dann fällt ihr der Sommer 1985 ein. „Da hat er mir das Schwimmen beigebracht. Ich habe ihn sehr geliebt.“ Und sie erinnert sich, wie ihre Mutter und der Großvater zusammensaßen und Kassetten aufnahmen. Ludwig Pins erzählte von Dingen, die das kleine Mädchen nicht verstand: Wie er als Jude aus seiner Heimatstadt Troisdorf, seinem Heimatland Deutschland fliehen musste. Wie er vergeblich versuchte, seinen Vater Alfred vor den Nazis zu retten.

Zehn Postkarten besitzt die Amerikanerin aus San Antonio, die ihr Urgroßvater Alfred Pins damals von den Bahnhöfen und Lagern schickte: Ausführlich seien sie zunächst gewesen, sagt Summers. Und dann habe er zunehmend weniger geschrieben. Am Schluss gab es nur noch eine gestrichelte Linie, auf der er unterschreiben durfte – kein persönliches Wort mehr.

Am15. Mai 1944 wurde Alfred Pins nach Auschwitz deportiert und ermordet

„Ich wollte immer herkommen“, sagt Rena Summers. Nach Deutschland, nach Troisdorf, in die Hofgartenstraße 8. Das Haus der Familie steht nicht mehr, zwei Stolpersteine im Pflaster erinnern an Alfred Pins und seine zweite Frau Rosalie, die 1942 deportiert wurden. Am 15. Mai 1944 wurden sie aus dem Ghetto Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und vermutlich noch am selben Tag ermordet.

Ein schwarz-weißes Foto eines Mannes mit Anzug.

Alfred Pins aus Troisdorf wurde mit seiner zweiten Frau Rosalie am 15. Mai 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und vermutlich noch am selben Tag ermordet. Das Foto machte 1939 der nicht-jüdische Fotograf Erwin Bernauer aus Troisdorf.

„Es ist wunderschön, hier zu sein“, sagt Summers, „aber auch sehr traurig.“ Sie fühle sich der Familie nah, deren Schicksal das Leben der Nachkommen prägte. Ludwig Pins, der über Amsterdam nach Kolumbien floh und in den 50er Jahren in die USA auswanderte, konnte es nie verwinden, dass es ihm nicht gelungen war, seine Eltern zu retten.

Vergeblich hatte er auf seinen Vater eingewirkt, mit Rosalie zu fliehen. Doch der Vater blieb, auch als er ins Visier der Behörden geriet. Nicht vorstellen konnte er sich, dass ihm etwas passieren würde. „Wir haben so viele deutsche Freunde, uns wird nichts geschehen“, glaubte er. Auch Ludwig Pins Schwester Johanna blieb, sie wollte ihren Verlobten Arthur Hirsch nicht verlassen. Sie und Arthur starben ebenfalls in Auschwitz.

„Ich habe mich meinen jüdischen Mitschülern immer nahe gefühlt“, erzählt Rena Summers, die Katholikin ist. Ihr Großvater konvertierte in Kolumbien. Ihre Familiengeschichte beschäftigte die 49-Jährige, ihre Mutter und eine Tante reisten bereits nach Troisdorf. Da jedoch ihr Beruf als Managerin eines pharmazeutischen Forschungsunternehmens sehr zeitintensiv sei, habe sie selbst bislang nicht reisen können.

Jetzt war es aber soweit: Mit ihrem Mann Doug und ihrer Tochter Lela besuchte die US-Amerikanerin Troisdorf und traf dort Historiker Norbert Flörken und Bürgermeister Alexander Biber, der ihr eine Mappe mit standesamtlichen Dokumenten der Familie Pins überreichte.

Der Troisdorfer Historiker Norbert Flörken weiß viel über die jüdische Geschichte Troisdorfs

Flörken, der sich intensiv mit der jüdischen Geschichte Troisdorfs auseinandersetzte, konnte und kann für die Urenkelin Alfred Pins' weiße Flecken in der Familiengeschichte füllen. Zum Beispiel, warum Ludwig Pins als einziger vor den Nazis floh: Sein bester Freund habe ihn gedrängt, das Land zu verlassen, erzählte Flörken: „Und als Ludwig 1950 noch einmal nach Deutschland zurückkehrte, trafen sich die beiden wieder. Auch die Nonne, die Alfred Pins' erste Frau Jenny während ihrer Krebserkrankung mit Morphiumspritzen die Schmerzen nahm, traf er und dankte ihr noch einmal.“ Denn kein Arzt behandelte die Jüdin Jenny Pins, sie starb 1939.

Zwei Stolpersteine für Alfred und Rosalie Pins.

Stolpersteine Familie Pins in der Hofgartenstraße 8 in Troisdorf.

„Ich möchte die Schicksale der jüdischen Familien vor dem Vergessen retten“, beschreibt Flörken seine Motivation. Eine Haltung, die Rena Summers teilt: „Die Menschen dürfen ihre Geschichte nicht vergessen.“ Gerade angesichts der politischen Entwicklung sei das wichtig: „In den USA ebenso wie in Europa.“