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Rheinisches RevierRingen um Wasser für die Tagebauseen

Lesezeit 4 Minuten
So könnte es in 40 Jahren in der Manheimer Bucht aussehen.

Sonnenkollektoren in der Manheimer Bucht: Der künftige Hambacher See im ehemaligen Braunkohlentagebau Hambach.

Die Liste der größten deutschen Seen muss neu aufgestellt werden. Nicht sofort, aber bestimmt in 40 Jahren. Warum das so ist.

 Chiemsee oder auch Starnberger See haben zwar mit knapp 80 und gut 58 Quadratkilometer eine größere Oberfläche als der künftige Hambacher See mit etwa 35 Quadratkilometer. Er ist mit 360 Metern aber fast drei Mal so tief wie der Starnberger See, und regelrecht abgeschlagen wird in dieser Kategorie der 73 Meter tiefe Chiemsee. Entsprechend tief wurde das Grundwasser im Rheinischen Revier abgesenkt.

Ohne Wasser aus Rur und Rhein würde es wohl mehr als hundert Jahre dauern, bis sich die Verhältnisse vor dem Abpumpen wieder eingestellt haben. Auch geht es um die Sicherung der Trinkwasserversorgung der Region. Und schließlich sollen die Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden einmal eine imposante Seenlandschaft bilden mit attraktiven Freizeitangeboten.

Dormagen will Leitung juristisch prüfen lassen

Das alles braucht viel Wasser. Den Tagebau Inden soll die Rur füllen, die anderen beiden der Rhein. Das Wasser soll dazu durch eine gut 22 Kilometer lange Leitung von Dormagen zunächst bis zu einem Verteiler nach Grevenbroich-Allrath gepumpt werden. Von dort führen Leitungen über gut vier Kilometer nach Garzweiler und über gut 18 Kilometer nach Hambach. Das stößt nicht überall auf Begeisterung. Und das wiederum hat den Zweckverband Landfolge Garzweiler, der von den Städten Mönchengladbach Erkelenz, Jüchen, Grevenbroich und der Gemeinde Titz getragen wird, auf den Plan gerufen. Er fordert in einer Mitteilung Solidarität mit dem Rheinischen Revier.

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Auswirkungen

Bis zu 18 Kubikmeter pro Sekunde sollen dem Rhein bei Dormagen-Rheinfelden entnommen und bis zu einem Verteiler nach Grevenbroich-Allrath gepumpt werden.

Das gilt bei hohen Wasserständen des Rheins, wie mit den zuständigen Behörden abgestimmt wurde. Dadurch sinkt der Rheinpegel um maximal 2,4 Zentimeter. Misst die Fahrrinne in Düsseldorf nur 2,50 Meter Tiefe, sind es nur noch 1,8 Kubikmeter, was den Rhein um 0,4 Zentimeter absenkt.


Der Tagebau habe das Leben von zahlreichen Städten in der Region beeinträchtigt, andererseits für wirtschaftliches Wachstum gerade in der Rheinschiene geführt. Da müsse jetzt schnell renaturiert werden. Und dazu brauche es größere Leitungen als ursprünglich geplant. Anrainer in Dormagen sorgen sich vor allem um Beeinträchtigungen durch die Bauarbeiten, die insgesamt etwa fünf Jahre dauern werden. Das haben sie in einer Bürgerversammlung deutlich gemacht. Auch Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD) sieht die Wasserleitung kritisch und hat die Bürgerinnen und Bürger ermutigt, im Rahmen des Verfahrens Anregungen zu machen und Stellungnahmen abzugeben. Auch hat Lierenfeld schon angekündigt, das Vorhaben juristisch prüfen zu lassen.

Die Trasse ist etwa 70 Meter breit, in der die Rohre in offener Bauweise verlegt werden. Das ist bis zur späteren Rekultivierung keine Augenweide. Landwirte werden Teile ihrer Flächen eine Zeitlang nicht nutzen können, werden dafür aber entschädigt. Auch ein Bauwerk am Rhein stößt auf Kritik. 18 Pumpen entnehmen dem Fluss bei Dormagen-Rheinfelden Wasser und pumpen es über einen Höhenunterschied von 58 Metern nach Hambach. 45 Meter breit ist das Pumpengebäude und 40 Meter lang. Unterirdisch beträgt die Länge sogar 100 Meter, wie aus Planungsunterlagen von RWE hervorgeht, die jetzt bei einer Bürgerversammlung in Dormagen präsentiert wurden. Grundlage ist der neue Braunkohleplan von November 2022.

Rhein werden bis zu 18 Kubikmeter pro Sekunde entnommen

Von Rheinkilometer 712,6 aus führen zunächst drei Rohre das Wasser ins Rheinische Revier. Das ist ein Rohr mehr als im Braunkohleplan 2020 genehmigt. Sie sind mit 2,20 Meter auch dicker als ursprünglich geplant bei gleicher Trassenbreite. Von Allrath geht es dann wie geplant durch zwei 1,4 Meter Rohre nach Garzweiler und durch zwei neu geplante 2,20-Meter-Rohre auf einer Trasse von 60 Metern nach Hambach. Die höhere Transportkapazität scheint nötig.

Die Tagebaue werden nach derzeitigen Plänen bereits 2030 und damit deutlich früher als geplant beendet. Da wird auch früher Wasser benötigt und es braucht mehr Wasser gleichzeitig, weil zwei Tagebaue mehr oder weniger gleichzeitig zu füllen sind. In den Hambach-See soll das Rheinwasser bereits 2030 strömen, in den Tagebau Garzweiler ab 2036. BUND hat ökologische Bedenken gegen Rheinwasser Eine Kapazität von bis zu 18 Kubikmetern pro Sekunden hat die Leitung zum Verteiler in Allrath, 14 Kubikmeter pro Sekunde strömen dann nach Hambach. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) befürchtet ökologische Beeinträchtigungen durch die Wasserentnahme angesichts möglicher dauerhaft niedrigerer Rheinpegel wegen des Klimawandels.

Und generell hält der BUND das Rheinwasser für ungeeignet für die Tagebaue und die Bewässerung der Feuchtgebiete. RWE müsse das zumindest besser reinigen als geplant. Die betroffenen Kommunen sollten den Planungsprozess für die Wasserleitung konstruktiv begleiten, heißt es in einer Mitteilung der Landfolge Garzweiler. Um die Ziele der Rekultivierung schnell zu erreichen, seien schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren nötig. Von den Tagebauseen würde schließlich die ganze Region profitieren. Sie würden die Landschaft bereichern – wie es auch die bayerischen Seen tun.

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