Serie „Stadt Land Rhein“„Schäl Sick“ in Köln, Bonn und Düsseldorf macht sich

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Wer wissen will, was die Bonner im linksrheinischen von denen im rechtsrheinischen Teil halten, der muss sich nur das Bröckemännche, das jahrzehntelang unter der Kennedybrücke hing und heute als Kopie an der Bonner Rheinpromenade zu sehen ist, anschauen. Den ausgestreckten Hintern hielt er den Menschen auf der rechten, der „Schäl Sick“ entgegen.

Deutlicher kann man das Verhältnis zwischen den beiden Seiten kaum ausdrücken. „Et es ald immer su jewäse, Sulang d’r Rhing noh Holland trick. Die linke Sick, die kräät alles. Wä nix kräät, dat wor die Schäl Sick“, singen ein paar Kilometer rheinabwärts die Bläck Fööss. Denn gerade in Köln galt der Rhein immer schon als Grenze. Er trennte die Stadt in die „richtige“ und der „falsche“ Seite. Und selbst heute wird sie gerne noch ein bisschen spöttisch belächelt, die „Schäl Sick“ auf der rechten Seite.

Die Düsseldorferin, die in Beuel lebt und täglich durchs Rechtsrheinische über Porz, Kalk und Deutz nach Köln fährt, kann da nur den Kopf schütteln. Denn schäl, das ist in der Landeshauptstadt nicht nur die andere, die linke Seite. Die „Schäl Sitt“, das bedeutet zwischen Heerdt und Oberkassel, was man gemäß dem Klischee eigentlich von ganz Düsseldorf erwartet. Schäl ist schick. War es in Düsseldorf immer schon. In Köln und Bonn arbeitet man dran.

Dabei gibt es einen Grund, der in Köln und Bonn unschlagbar für die „schäl Sick“ spricht: die Sonne. Die Schäl Sick, das ist in Köln und Bonn eindeutig die Sonnenseite. Aber wo viel Licht, ist eben auch starker Schatten. Der Blick ins rechtsrheinische Köln und Bonn zeigt eine ganz andere Struktur als im rechtsrheinischen Düsseldorf. Auf der linken Seite lagen die handeltreibenden Städte, mit Kaufmännern und Großbürgertum. Auf der rechten Seite waren es die landwirtschaftlich geprägten Gemeinden. Später kam die Industrie, die sich hier ansiedelte und die Arbeiterschaft anzog. Der herablassende Blick von der linken Seite, das war lange der Schatten über Beuel, über den Kölner Stadtteilen von Porz bis Mülheim.

Herablassend blicken, ja das können Düsseldorfer auch. Aber eher von der Schäl Sitt aus ins rechtsrheinische Zentrum der Stadt. Das Herz der Düsseldorfer „Schäl Sitt“ ist Oberkassel. Und das galt immer schon als einer der schönsten Stadtteile. Es war ein Viertel für die besseren Kreise. Bei der nationalen Kunstausstellung 1902 in Düsseldorf entdeckten einige Künstler den Stadtteil für sich. Gerade zu Wohlstand gekommen, ließen sie sich von namhaften Baumeistern Jugendstilvillen errichten. Oberkassel blieb von den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg weitestgehend verschont, die denkmalgeschützten Jugendstilfassaden und der Ruf als Viertel für Gutbetuchte prägen noch heute das Bild.

Zugleich ist die Schäl Sitt in Düsseldorf auch neues Stadtquartier und Sitz für verschiedene Telekommunikations- und Medienunternehmen sowie Standort vieler Bürobauten. Der westlichste Stadtteil, Heerdt, ist zwar industriell geprägt und geht in das Neusser Hafengebiet über, doch auch hier entstanden in den vergangenen Jahren neue Wohnquartiere. Den Reiz der Schäl Sitt in Düsseldorf entdeckten auch viele dort lebende Japaner. Eine japanische Schule und das Eko-Kulturzentrum gehören zum Bild. Schäl heißt hier auch international und weltoffen.

Verändert hat sich aber auch das Bild der Schäl Sick im rechtsrheinischen Köln und Bonn. In der ehemaligen Bundeshauptstadt sorgte ein großes Telekommunikationsunternehmen für einen Gesichtswandel. Ehemalige Fabriken dienen als Kulturräume, die Sonnenseite ist ein begehrtes Wohngebiet mit steigenden Mieten und Kaufpreisen, der Rhein hat nicht nur einen Hochwasserschutz, sondern auch eine Promenade zum ausgiebigen Sonnengenuss bekommen. Die Viertel, die 1969 Teil der Stadt Bonn wurden, vollziehen eine immense Entwicklung und orientieren sich dafür an der großen Schwester rheinabwärts.

„Hey Kölle, pass op. Jetzt ändert sich die Zick... En neue Stadt wääs en d'r Himmel“ singen die Bläck Fööss nämlich weiter. Es kam der LVR-Turm, von dem aus man einen tollen Ausblick genießen kann. Die Messe lockt Besucher aus der ganzen Welt und bekommt jetzt ihre eigene City. Lanxess-Arena, Tanzbrunnen und aktuell die Oper im Staatenhaus sorgen dafür, dass Deutz auch am Abend gut besucht ist. Ein Casino wird künftig die Vergnügungsmeile ergänzen. Die RTL-Gruppe hat das rechte Rheinufer als Domizil entdeckt. Und mit der Freitreppe am Deutzer Ufer hat jetzt auch die Schäl Sick einen sonnenverwöhnten Treffpunkt mit Panorama. Nicht nur der alte Industriehafen in Deutz soll ein Ort zum Wohnen und Arbeiten werden. Die „Schäl Sick“, das ist auch Mülheim. Lange rivalisierte es mit Köln, bevor es 1914 eingemeindet wurde. Mit Eisenbahnknotenpunkt und Hafen bot es ideale Bedingungen für die Industrie. Auch hier ist der Wandel greifbar. Start-ups der IT-Branche sowie Medien und Kreative entdeckten die ehemaligen Industrie-Areale als neues Spielfeld. Das Schauspiel wagte den Schritt über den Rhein – und fühlt sich an der Schanzenstraße mehr als wohl.

Wie auch viele Medienunternehmen, die Internationale Filmhochschule oder das Cologne Game Lab der technischen Hochschule. Es ist ein Viertel, das von seiner Atmosphäre lebt – zwischen türkischen Restaurants der Keupstraße, den Studenten, die Kaffee trinkend draußen lernen, den Schauspielern und Theaterbesuchern und den Bewohnern des Stadtbezirks. Die „schäl Sick“ wird hier nicht schick. Sondern das, was sie in Düsseldorf schon immer war: selbstbewusst.

Das bedeutet der Begriff „Schäl Sick“

Die „Schäl Sick“ oder „Schäl Sitt“, wie sie in Düsseldorf heißt, meint die „falsche“ Seite des Rheins. Schäl kommt vom kölschen „schäle“, also schielen.

Es gibt verschiedene Erklärungen für die Bezeichnung. Eine geht auf die Treidelpferde zurück, die auf der linken Rheinseite Schiffe stromaufwärts zogen. Vor dem linken Auge trugen sie als Schutz vor der Sonne eine Scheuklappe. Die linke Rheinseite konnte sie also sehen, zur Rechten mussten sie schielen.

Eine weitere Erklärung: Die linksrheinischen Christen betrachteten die rechtsrheinischen Bewohner als Heiden, die Wodan, dem einäugigen germanischen Gott, huldigten. Die Schäl Sick hätte demnach den Namen, weil sie als unkultivierte Barbaren einen Schäl verehrten.

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