Leverkusen – Wer bei Bayer 04 Leverkusen nach dem dritten Spieltag der Bundesliga-Saison 2022/23 weiter nichts von einer sportlichen Krise hören möchte, sollte einen Blick auf die noch junge Tabelle werfen. Dort trägt der ambitioniert Champions League-Teilnehmer und Geheimfavorit auf den Meistertitel mit null Punkten und 1:6-Toren die Rote Laterne.
Das ebenso verdiente wie Alarm schlagende 0:3 (0:2) am Samstag in der BayArena gegen die TSG 1899 Hoffenheim war nicht nur die zweite Heimpleite hintereinander sondern inklusive des peinlichen Pokal-Aus in Elversberg die vierte Pflichtspielniederlage in Folge. So etwas hat es in Leverkusen zum Saisonstart lange, lange nicht gegeben. Die Verantwortlichen der Werkself sind gefragt, die Krise als Krise zu begreifen und möglichst schnell Lösungen für die offenkundigen Probleme zu finden.
Hradecky und Andrich zurück im Team
Gerardo Seoane bot im zweiten Heimspiel in Folge das Beste auf, was der Leverkusener Luxus-Kader ohne die verletzten Florian Wirtz, Karim Bellarabi und Amine Adli aktuell hergibt. Torwart und Kapitän Lukas Hradecky kehrte nach einer Sperre als Führungsspieler ebenso zurück wie Sechser Robert Andrich. Als Linksverteidiger bot der Bayer-Coach wieder Piero Hincapie anstelle von Mitchel Bakker auf. Die Frage, ob die individuelle Qualität der Werkself nach drei Pflichtspielniederlagen zum Saisonauftakt ausreicht, um das angegriffene Nervenkostüm in den Griff zu bekommen, war schnell mit „Nein“ beantwortet.
Die Idee der Hoffenheimer, die zuletzt mit dem 3:2 gegen Bochum Selbstbewusstsein getankt hatten, war es ganz offensichtlich, die greifbare Verunsicherung unter dem Bayer-Kreuz auszunutzen. Die Gäste attackierten energisch und bestimmten mit Ballbesitz die Anfangsphase, weil Leverkusen weder Klarheit noch Ruhe in seine Aktionen bekam.
Erneut ein früher Rückstand
Nachdem Moussa Diaby trotzdem nach einem Pass von Sardar Azmoun allein auf Oliver Baumann zulaufen konnte, mit rechts aber am TSG-Keeper scheiterte (7.), nahm das Unheil seinen Lauf. Azmoun, der nahezu jeden Zweikampf verlor, gab den Ball ab, der über Georginio Rutter zu Grischa Prömel kam. Der Neu-Hoffenheimer kombinierte sich mit Christoph Baumgartner unbehelligt durch den Leverkusener Strafraum, bis Prömel den Österreicher am Fünfmeterraum bediente. Baumgartner war schneller als Jonathan Tah und traf höchst anspruchsvoll mit seiner rechten Hacke ins lange Eck (9.).
Wie beim 0:1 in Dortmund und beim 1:2 gegen Augsburg schluckte Bayer in der ersten Viertelstunde einen Gegentreffer. Das 0:1 zeigte Wirkung und legte in der Folge die Probleme der Hausherren offen: Ideen- und mutlos nach vorne, unsicher und zweikampfschwach nach hinten. Seonanes Plan war wie das Selbstbewusstsein der Spieler nicht zu erkennen. Hoffenheim hatte leichtes Spiel. Nach einem wahnwitzigen Querpass von Adam Hlozek vor dem eigenen Strafraum konnte Hradecky Angelinos Schuss noch abwehren.
Pfeiffkonzerte in der BayArena
Leverkusen blieb aber passiv, so dass Ozan Kabak unbehelligt von rechts flanken konnte und mit etwas Glück Andrej Kramarics Kopf für das 0:2 fand (35.). Es hätte noch schlimmer können. Schiedsrichter Tobias Reichel nahm nach Intervention des VAR Markus Schmidt das 0:3 von Robert Skov aber zurück, weil es in der Entstehung des Treffers ein Foul von Kabak an Hlozek am Hoffenheimer Strafraum gegeben hatte (39.). Das gellende Pfeifkonzert zur Halbzeit hatte sich die Werkself trotzdem redlich verdient.
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Seoane, der schon Halbzeit eins auf ein 3:5:2-System umstellte, brachte zur zweiten Halbzeit Kerim Demirbay und Exequiel Palacios für Hlozek und Charles Aranguiz. Leverkusen verbesserte zwar seine Haltung zum Spiel etwas, aber nicht seine Leistung. Die meisten Aktionen blieben Stückwerk, die Angriffsversuche deshalb harmlos. Bezeichnend, dass der weiter indisponierte Azmoun einen Abschluss des glücklosen Torjägers Patrik Schick für die Hoffenheimer vor der Torlinie abwehrte (51.). Es sollte die einzige Torchance bleiben, denn Bayer fehlten weiter Ideen und Mittel.
Als Rutter mit einem traumhaften Linksschuss in den Winkel zum dritten Mal für die Hoffenheimer einnetzte (78.), war die handfeste Krise, in der die Leverkusener gleich zu Saisonbeginn stecken, längst sichtbar. Demirbay traf mit einem Freistoß zwar noch den Pfosten, den 26.000 Leverkusener Anhängern unter den 26.339 Zuschauern in der BayArena blieb aber gar nichts anderes übrig, als nach dem Schlusspfiff wieder ein kräftiges Pfeifkonzert anzustimmen.Leverkusen: Hradecky; Frimpong, Tah, Tapsoba (76. Bakker), Hincapie; Andrich (66. Paulinho), Aranguiz (46. Palacios); Diaby, Azmoun (76. Amiri), Hlozek (46. Demirbay) ; Schick. – Hoffenheim: Baumann; Kabak, Vogt, Akpoguma; Skov (69. Kaderarbek), Geiger (75. Rudy), Angelino; Prömel, Baumgartner (69. Dabbur); Kramaric (85. Brunn Larsen), Rutter (85. Stiller). – SR.: Reichel (Stuttgart). – Zuschauer: 26.399. – Tore: 0:1 Baumgartner (9.), 0:2 Kramaric (35.), 0:3 Rutter (78.). – Gelbe Karten: Diaby; Kabak, Rutter, Akpoguma.